Archiv für den Monat: Februar 2014

Safer Internet

Am 11.02.2014 notieren/feiern?/begehen? wir den „Safer Internet Day“. Was ist das? Dieser Link liefert Informationen: http://www.klicksafe.de/ueber-klicksafe/safer-internet-day/sid-2014/

Was mir zum Begriff „Safer Internet“ als Erstes einfiel, war: Ist das nicht überholt oder sogar eine Farce? Wissen wir nicht seit Edward Snowdens Enthüllungen, dass es ein sicheres Internet gar nicht gibt?

Wieviel Geld muss ein privater Nutzer für Schutzprogramme gegen Viren, Trojaner, Spyware, Phishing und all den widerwärtigen Mist ausgeben, um dann trotz aller Updates doch nicht sicher vor Ausspähung zu sein? Nicht nur die NSA, auch andere Geheimdienste rund um den Globus geben große Summen aus, um mit ihren Spezialisten in alles einzudringen und alles mitzuhören und mitzulesen, vor allem aber erstmal alles zu speichern, und falls sie irgendwann dazu kommen, es zu sichten, könnte ja was dabei sein, was sie interessiert. Und das kann unbegrenzt wirklich alles Mögliche sein – denn im Zweifel generieren diese Dienste ihre Daseinsberechtigung und die Höhe ihres Etats selbst mit ihrer Datensammelwut – koste es den Steuerzahler, was es wolle.

Da kann man verstehen, dass z.B. Iris Berben bekannt gibt, sie sei seit einiger Zeit vollständig offline, komme dafür nun öfter dazu, in Ruhe ein Buch zu lesen*, und – sieh an – werde deswegen inzwischen nicht mehr belächelt wie noch vor ein paar Jahren.

Vielleicht wird es in einigen weiteren Jahren schon große Communities von Internet-Abstinenzlern geben, die, vollständig offline, sich in „altmodischen“ Kommunikationsformen ergehen und voll Wonne Briefe schreiben, die, mit Füller in schöner Schrift auf Bütten- oder marmoriertem Papier verfasst, in schön frankierten Umschlägen verschickt werden. Und so können sie sich dann an der Entschleunigung und der ein Stück weit kreativen Gestaltung ihres Lebens erfreuen.

Was also tun mit archivwürdigem Material? Die schönen Briefe kann man über viele Jahrzehnte aufheben und bei Bedarf wieder anschauen – inzwischen sind andere, auf diversen Datenträgern gespeicherte Informationen womöglich längst unlesbar geworden, weil das Speichermedium (Videokassette, CD, Mikrofilm) nur begrenzt haltbar ist. Das macht übrigens auch sehr alte Bücher kostbar, die noch auf Papier gedruckt wurden, das sich nicht aufgrund seines Säuregehaltes zersetzt.

Wer weiß, ob man mancherorts nicht bald auf die Idee verfällt, wie im Mittelalter Skriptorien einzurichten, in denen Bücher von Hand auf Pergament kopiert werden. Aber Vorsicht: keine Eisengallus-Tinte verwenden, die frisst sich auf lange Sicht durch das Pergament und löchert es. Und keine U-Bahn vor dem Archivgebäude bauen!

Wie auch immer: Anders als die Strahlung des Atommülls haben digitale Daten ein relativ kurzes Leben. Wer seine alten Vinyl-Schallplatten noch nicht zugunsten von CDs weggeworfen hat, pflegt diese jetzt mit neuer Inbrunst. Als stolzer Offliner legt er/sie dann die alte Lieblingsmusik auf, lehnt sich bequem im alten Ohrensessel zurück und liest schöne alte Briefe, die schon als Medium eine eigene Aura ausstrahlen.

-SR-

Nachtrag zum 03.05.2014: Die noch in den 1990er Jahren verkündete und bejubelte Freiheit des Internet ist, wenn es sie so überhaupt gab, heute nur noch eine ferne Erinnerung. Weder existiert die naive Freiheit, alles kopieren und verbreiten zu dürfen (was Kulturschaffende ohnehin ablehnten, da das Copyright ihnen oft ein bescheidenes Einkommen beschert), es existiert im Zweifel auch nicht die vermeintliche Anonymität, wenn jemand sich erlaubt, ausfallende Kommentare unter Pseudonym ins Netz zu stellen oder aus dem Hinterhalt Mobbing zu betreiben.

Spätestens seit in China um 2000 die Verfasser kritischer Blogs verhaftet und ihre Websites gesperrt wurden, musste jedem intelligenten Menschen klar sein, dass autoritäre Regierungen (nicht nur in diktatorisch beherrschten Staaten) nicht nur ein gesteigertes Interesse daran haben, kritische Stimmen im Internet aufzuspüren und zu unterdrücken, sondern dass sie dieses Interesse auch mit allen Mitteln verfolgen. China setzte Google unter Druck: Ihr könnt hier nur Geld verdienen, wenn ihr mit unserem Geheimdienst kooperiert. Inzwischen lässt sogar ein „Landesvater“ wie Erdogan in der Türkei mal Facebook, mal Twitter abschalten, weil ihn dort bestimmte Beiträge ärgern.

Kurzum: Wo es keine Meinungsfreiheit gibt und die öffentliche Meinung von zensierten Medien und Regierungspropaganda bestimmt wird, da wird logischerweise auch auf das Internet zugegriffen. Safer Internet? Vorsicht: Wie im richtigen Leben, lauern auch hier Überwacher und Kriminelle, um arglose User auszuspähen und ggf. abzuzocken. Die Freiheit ist ein bunter, aber flüchtiger Vogel… —

-SR-

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* Anregungen zu lesenswerten Büchern gibt es auch auf dieser Homepage auf den Unterseiten „Die Beatus-Chronik“ und F.U.F. – Bibliothek.

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