Archiv für den Monat: September 2014

Frieden schaffen ohne Waffen?

1bM 1. September, dem Anti-Kriegstag und inzwischen Welt-Friedenstag, lese ich in der Zeitung, dass die Bundesregierung sich zu Waffenlieferungen an die Kurden im Nord-Irak entschlossen hat. Man hörte dieser Tage , dass laut Umfragen zwei Drittel der Deutschen gegen solche Waffenlieferungen seien.
Die Gegner verlauten: humanitäre Hilfe ja, Waffen nein. Und manche verweisen darauf: Waffen könnten „in falsche Hände geraten“, und außerdem gäbe es im Irak eh schon viel zuviele Waffen.
Wenn ich auf die Nachrichten aus dem Irak schaue und die berichtete militärische Lage, dann frage ich mich aber auch:
1. Kann nicht auch humanitäre Hilfe in falsche Hände geraten? Was ist, wenn IS-Banden die Flüchtlingstrecks und -lager überrennen und ihnen, denen sie 62-Vom Panzer überrollt, 1968eh den Tod wünschen, die gespendeten Lebensmittel und Medikamente wegnehmen?
2. Eigentlich kann es niemandem verborgen bleiben, dass die Flüchtlinge und die anderen vom Vormarsch der IS-Milizen bedrohten Menschen militärischen Schutz brauchen. Wer außer den kurdischen Peschmerga-Kämpfern kann Bodentruppen aufbieten, die sich dem IS entgegenstellen?
3. Wie kann also wirksame Hilfe aussehen? Die Peschmerga sind den IS-Leuten an moderner Ausrüstung unterlegen. Eine gute Kampfmoral hilft zwar, leidet aber unter Misserfolgen aufgrund fehlender Waffen.
4. Eine nur-humanitäre Hilfe kann unter diesen Umständen zur Symbolpolitik werden, die nur unser Gewissen beruhigt, praktisch aber den Notleidenden nicht hilft (ähnlich wie z.B. manch fehlgeleitete Entwicklungshilfe).
5. Was hilft überhaupt gegen Gewaltverbrecher, die in großen Scharen mit äußerster Brutalitat vorgehen, die große Mengen an Waffen und Geld und dazu noch den Schrecken vor ihrer Grausamkeit als Mittel einsetzen?

Mir scheint, es nützt uns nichts, mit hehren Prinzipien der Gewaltlosigkeit ins Himmelreich einziehen zu wollen, wenn wir das in dieser realen Welt mit einem Laissez-faire gegenüber den Gewalttätigen erkaufen. Es könnte sein, dass wir uns am Ende nicht im Himmel wiederfinden… denn: Der strenge Blick des Richters könnte auf die Verantwortung blicken und fragen: Was habt Ihr getan, um die Bedrohten zu retten? Hattet Ihr nicht die Möglichkeit dazu?

„Selig sind die Friedfertigen“ (vgl. unten den Beitrag „Beati Pacifici“ vom 13.08.2014) – ein guter Grundsatz, wo Frieden bewahrt oder herbeigeführt werden kann. Doch eine solche Situation ist derzeit im Nordirak nicht in Sicht: Dort ist eine Bande von Mordbuben unterwegs, die Gewalt und Tod verherrlichen und sich als großartige Männer fühlen, von denen viele glauben, dass ihnen obendrein noch eine Belohnung im Jenseits winke. Dieser Wahnsinn, in dem sie die Kreuzfahrer des Mittelalters noch zu übertreffen scheinen, hat Methode und ist weder mit moralischen Appellen noch mit Friedensangeboten zu stoppen.

Sollte man nicht in Zukunft auch für andere Krisen- und Kriegsgebiete überlegen, ob dort Friedfertigkeit allein eine De-Eskalation bewirken kann? Denn es kann sein, dass Friedfertigkeit von den Militanten nur als Zeichen der Schwäche und Ermutigung zu dreisterem Vorgehen verstanden wird. Richtig und wichtig ist immer, in jedem Einzelfall die Lage zu analysieren und gut nachzudenken, ehe man sich zu einer Form des Eingreifens, zum Abwarten oder Zuschauen entscheidet. Wer sich zum Wegschauen entscheidet, könnte selbst einmal in Not allein gelassen werden.

 W. R.