Archiv für den Monat: August 2017

Queen of hearts

London, Kensington Palace, Parkseite, Sept. 1997 — Foto: W. R.

An den 31.08., den Todestag von Lady Di, alias Princess Diana, wird in den Medien vorab schon eifrig erinnert. Es war vor 20 Jahren, 1997, als der plötzliche Tod von Princess Diana (36) die Welt schockte. Eine Woche später kam ich nach London und konnte live erleben, wie ständig Menschen mit Blumensträußen zu den verschiedenen Orten kamen, wo ihrer gedacht wurde:  ihr letzter Wohnsitz Kensington Palace; das Kaufhaus Harrod’s (der Erbe Dodi Al-Fayed starb mit ihr im Unfallwagen); Westminster Abbey, wo der Trauergottesdienst stattfand und Elton John zum Abschied sang: „Good-bye England’s Rose“; Buckingham Palace; St. James‘ Palace… und ich weiß nicht wo noch.

Nachdem die Medien eine Weile über alles um den Tod und die Trauer berichtet hatten, ging immer noch die Welle der Trauer um Diana um die Welt. So etwas war seit Menschengedenken nicht passiert — und brachte so manchen Kommentator in den Medien aus der Fassung, der gewöhnlich mit scharfem Verstand das politische Tagesgeschehen analysierte und einordnete, der gewohnt war, als Journalist kritische Distanz nach möglichst allen Seiten zu wahren — ihm fehlte das Verständnis, die große Trauer von Menschen zu begreifen, die zumeist Diana gar nicht persönlich gekannt hatten, und er war nahe daran, diese überdreht oder gar hysterisch zu nennen.

Mir schien diese weltumspannende Anteilnahme nicht so unbegreiflich, sie schien mir ein Ausdruck echter Trauer um einen Menschen, der — obwohl in den Kreisen der Reichen, Mächtigen und Schönen verkehrend — nie auf kalte Distanz zu den Menschen „da unten“ gegangen war. Wo Diana auftrat, strahlte sie Menschlichkeit und Anteilnahme aus, zeigte Mitgefühl und spendete hautnah Trost. Das war schon sehr außergewöhnlich, und es kontrastierte besonders scharf zum kalten Hofzeremoniell und dem steifen Auftreten der Windsors. Denn Diana kommunizierte auch auf der emotionalen Ebene mit Menschen.

Titelseite von Montag, 08.09.1997

Mit Blick auf „die da unten“, auf „die Massen“, von denen ein Großteil echte Trauer empfand, könnte man von einem Phänomen sprechen, das religionsgeschichtlich und kunsthistorisch Assoziationen zur „Schutzmantelmadonna“ weckt, einer Darstellung der Maria, die im 13. Jahrhundert aufkam und Maria (oft als Himmelskönigin mit Krone) zeigte, die ihren weiten Mantel ausbreitete und Menschen darunter barg und unter ihren Schutz nahm. So beteten denn die Menschen zu dieser Madonna, wenn sie sich nach Schutz und Geborgenheit sehnten. Und Diana erschien als eine solche Madonna, wenn sie z.B. Minenopfer oder krebskranke Kinder besuchte und ihnen Zuwendung schenkte.

Das waren nicht bloß Gesten für die Kameras, Diana erreichte etwa mit ihrer wirksamen Unterstützung der Kampagne gegen Landminen in Angola und Bosnien, dass einige Monate nach ihrem Tod eine Charta zur Ächtung dieser Waffen geschrieben und von 122 Staaten unterzeichnet wurde.

Ein Jahrzehnt zuvor hatte sie ebenfalls etwas Besonderes erreicht. Sie besuchte ein Londoner Krankenhaus und wendete sich dort Aids-Kranken zu. Unbefangen und furchtlos gab sie ihnen die Hand, setzte sich zu ihnen und unterhielt sich mit ihnen. Das war zu jener Zeit eine Sensation! Wer das damals mitbekommen hat, weiß, wie die Leute über Aids sprachen, und dass sie einen großen Bogen um HIV-Infizierte machten wie um Aussätzige. Das Fernsehen war dabei (Diana nutzte gern auch die Medien für ihre Ziele) und sorgte dafür, dass Dianas Auftreten wahrgenommen wurde. So bewirkte sie, dass das Problem „Aids“ in der Folgezeit anders diskutiert, und dass von Medizinern verstärkt nach Therapien gesucht wurde.

Lady Diana lebensgroß in Madame Tussaud’s, London (Foto: W.R., Mai 1997)

Ihr Einsatz, das kann man sagen, ging über Worte und Gesten weit hinaus. Die weltweite Resonanz erklärt sich auch aus der Hoffnung vieler Menschen, die Reichen und Regierenden möchten aus Einsicht mehr für die Menschen dasein, sich menschlicher zeigen und und sich nicht nur um Machterhalt und noch mehr Reichtum sorgen. So betrachtet war die Welle der Trauer auch eine politische Demonstration: Seht, welch ein Verlust! Solche Menschlichkeit wünschten wir uns mehr bei denen da oben!

Natürlich war Diana kein Engel und keine Göttin, sondern ein Mensch. Ihre Beliebtheit resultierte z.T. auch aus ihrem öffentlich gemachten Leiden in den Ehejahren und an der Kälte des Königshofes. Ehemann Charles kam da schlecht weg, aber in meinen Augen nicht ganz zu Unrecht, wenn er z.B. nach seiner Liebe zu Diana gefragt wurde und in seiner Antwort eher auswich und etwas von „love, whatever that means“ brabbelte. Prince Charles war selbst nicht gerade mit viel Liebe und Zuneigung aufgewachsen und daher wohl nicht der einfachste Partner in einer Beziehung. Diana war anders und legte auch großen Wert darauf, ihren beiden Söhnen Liebe zu geben und sie diese emotionale Wärme spüren zu lassen.

An letzterem mangelt es ja oft: Manche Eltern behaupten, ihre Kinder zu lieben, vermitteln es aber nicht, weder mit Worten noch mit Gesten, Zuwendung und zärtlichen Berührungen. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts galt vielen noch als ideale Erziehung, ein Kind nicht zu verhätscheln, sondern auch Härte spüren zu lassen, und noch krasser: Wer sein Kind liebt, der züchtigt es, wurde behauptet. Besonders Väter waren dadurch furchteinflößende Tyrannen. Bei den Nazis, aber auch in englischen Eliteschulen galt die Leitlinie: Gut ist, was hart macht. Man vermittelte damit zugleich auch Verklemmtheit und Angst vor körperlicher Nähe. Diana dagegen steht für einen menschlichen, modernen Umgang mit Kindern. Und das ist gut so.

Ich sah nach dem Wochenende des Trauergottesdienstes: Die Schlagzeile oben hatte recht, überall, wo Blumen für Diana niedergelegt wurden, teils mit ihrem Foto und letzten Grüßen, kamen weiterhin Menschen, um ihre Trauer zu bekunden, und ließen das Blumenmeer weiter anwachsen. Den Skeptikern, die darüber den Kopf schüttelten, kann man mit einem Goethe-Zitat nur sagen: „Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen.“

W. R.

Der Grantler meint…

Das hältst du im Kopf nicht aus: Den Diesel kriegen sie nicht sauber, auf dem „Diesel-Gipfel“ haben sie nicht viel zustande gebracht, aber gemeinsam kreischen sie: „Bloß keine Fahrverbote in Innenstädten!“ Ist ja gerade Bundestagswahlkampf, da muss man etwas lauter tun, als ob man was täte… Ja, so sieht sie aus, die „Blaufront“ von Automobilwirtschaft und Politik.
„Blaufront“: Sie versprechen das Blaue vom Himmel herunter, die Autobauer erfinden schöne Etiketten wie „bluetec“ und „blue motion“, die nach sauberer Luft unter blauem Himmel klingen sollen (Die Zigaretten-Werbung hat’s vorgemacht: gesundes Rauchen). Was hinter schönen Werbebildern wirklich passiert, ist nun allseits bekannt.
Den Bewohnern größerer Städte und den Anwohnern an Hauptverkehrsstraßen kann man nur raten: Flach atmen! Und zu Hauptverkehrszeiten nicht lüften, sondern Fenster und Türen geschlossen halten, bis die schlechte Luft ein wenig verweht ist („Bis die Gefahr vorüber ist“, kann man leider nicht sagen).
So bleiben in unserer Republik manche Dinge so lange auf dem Tisch liegen (oder unter dem Teppich, wo sie hingekehrt wurden), bis es zum Himmel stinkt. Weiterlesen

Reformation und Lutherjahr

Luther-Statue im Berliner Dom

 In diesem Jahr 2017 feiert Deutschland nicht nur das Jubiläum „500 Jahre Reformation“, die Stadt Frechen im Besonderen feiert auch „300 Jahre Evangelische Kirche in Frechen.“ mehr >Jubiläumsjahr 2017 – Geschichte im Überblick – Evangelische Kirchengemeinde Frechen

Wie nicht nur Historiker wissen, sind das keine rein religions- und kirchengeschichtlichen Daten — vielmehr fand die Reformation in Deutschland (das es politisch nicht gab) wie auch im Rheinland in einem politischen Spannungsfeld statt; sie verwob sich untrennbar mit der politischen Entwicklung Europas, des Heiligen Römischen Reiches, und der Territorien. Das zeigt sich auch beim Blick auf die konkrete Situation im Rheinland: Köln, genauer: der Rat und die tonangebenden Familien der Freien Reichsstadt, wehrten sich mehrheitlich gegen den Geist der Reformation, sodass protestantisch gesinnte Menschen den Gottesdienst außerhalb Kölns aufsuchen mussten, in Frechen oder Bachem (das heute zu Frechen gehört). Dort hielt der Landesherr, der Herzog von Jülich, seine schützende Hand über die Minderheit der Evangelischen, und ließ sie gewähren.

Köln dagegen erwarb sich den Ruf der „papistischsten Stadt Deutschlands“, wo besonders die Universität im 16. Jahrhundert zur konservativen Hüterin des Katholizismus wurde. Ein Versuch des Kurfürsten des Erzstifts Köln, sein Territorium in die Reformation zu führen, mündete in den Truchsessischen Krieg, der das Experiment beendete. Welche Gebiete katholisch und welche protestantisch blieben oder wurden, hing fortan von den politischen Machtverhältnissen ab. Die Untertanen durften ihre Konfession nicht frei wählen, sie mussten sie sogar wechseln, wenn der Landesherr es bestimmte. Selbst nach dem unsäglichen Dreißigjährigen Krieg (1618-48) blieb diese Regelung bestehen. Religiöse Toleranz kam erst später auf, etwa als in Preußen ab 1740 König Friedrich II. regierte.

Als Luther 1517 seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel und für eine Kirchenreform veröffentlichte, ging es um Glaubensfragen.* Das Jahr 1517 gilt als Beginn der Reformation, es ist ein Epochenjahr: Hier kam eine Bewegung in Gang, die Deutschland und Europa veränderte.

Zeitungs-Ausriss zum Beginn des Luther-Jahres

Geht uns nix an? Doch, zumindest haben wir in Deutschland einmalig in diesem Jubiläumsjahr 2017 einen zusätzlichen allgemeinen Feiertag: den 31. Oktober, den Tag der Thesenveröffentlichung, daher „Reformationstag“. Übrigens: Schon damals zeigte sich, was das neue Massenmedium des Buchdrucks bewirken konnte: Die Schriften Luthers wurden von Druckern eifrig ins Land getragen und hatten großen Anteil an der Verbreitung von Luthers Gedanken in der Bevölkerung.

W. R.

* Noch immer streiten Wissenschaftler darüber, ob Luther sein Thesenpapier an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg nagelte oder nicht. Fakt ist: Das Papier war Grundlage für eine akademische Disputation, und eine solche konnte durchaus im Kirchenraum stattfinden. Vorstellbar, dass die Thesen für Disputanten und Interessierte auch an der Tür befestigt wurden. Sie waren in Latein abgefasst und schon von daher an akademische Kreise gerichtet (An Universitäten war die Unterrichtssprache bis ins 18. Jahrhundert Latein). Die Thesen selbst wurden auch nicht für ein breiteres Publikum gedruckt, erst sehr viel später erschien eine deutsche Version.