Schilda in Thüringen?

Nicht im Erfurter Rathaus, sondern im Landtag von Thüringen schien dieser Tage Licht zu fehlen. Diejenigen CDU- und FDP-Abgeordneten, die das Spiel der AfD nicht durchschauten, hätten Erleuchtung gebraucht. Und die, die es trotz der erkannten Möglichkeit darauf ankommen ließen, dass die Demokratie beschädigt, dass der Wählerwille ignoriert, dass Parteibeschlüsse beiseite geschoben wurden, hätten mal vorher bei Licht in den Spiegel schauen und sich fragen sollen, ob sie dieses Verhalten in Ordnung fanden. Und da muss man auch in die Parteizentralen in Berlin blicken und fragen, ob es da an Licht und Klarheit mangelte…
Man hörte, aus Thüringen hätten sie ihrer Parteiführung in Berlin gesagt: Ihr da im fernen Berlin, ihr kennt doch die hiesigen Verhältnisse gar nicht, wieso macht ihr uns da Vorschriften! Das könnte man aber auch umdrehen und fragen: Ihr da in Thüringen, wieso schert euch nicht, was die übrige Republik von eurem Verhalten denkt? Wieso bedenkt ihr nicht, welches verheerende politische Signal ihr in die Welt sendet?
Und das in zweifacher Hinsicht: Einmal wird, siehe oben, der Wählerwille ignoriert, denn die FDP rutscht noch so eben bei der letzten Wahl mit 5% der Stimmen in den Landtag. Dreist, dass sich der FDP-Kandidat dann im Landtag zum Ministerpräsidenten wählen lässt. Demokratie ist, wenn geheim abgestimmt wird? Noch lange nicht, wie auch dieses Beispiel zeigt. Zur Demokratie gehört Einiges mehr, nämlich Inhalte, von denen ein Großteil gerade der thüringischen AfD nichts wissen will. Aber von denen ließ sich der FDP-Mann am 5.2.2020 mit Billigung der Berliner Parteiführung wählen. Und nahm die Wahl auch an – ! Spätestens da hätte er die Kurve kriegen und die Kuh vom Eis holen sollen. Tat er aber nicht. Erst nachdem der politische Schaden angerichtet war, trat er den Rückzug an.
Und die Abgeordneten der CDU sahen auch nicht gut aus. Sie spielten — angeblich überrascht — mit. Kann man so viel Naivität glauben? Man hört, der CDU sei es nur darum gegangen, Bodo Ramelow nicht erneut als Ministerpräsidenten im Amt zu sehen. Nun — war da nicht ein Wählerwille? Die Linkspartei mag der CDU noch immer untragbar sein (wobei Manche sich fragen, ob die CDU damit noch auf der Höhe der Zeit ist), aber Alle wissen, dass Ramelow in der Bevölkerung beliebt ist und als Ministerpräsident (ab 2014) eine relativ unfallfreie Amtszeit (d.h. ohne Skandale oder Fehltritte) hingelegt hat. Trotzdem besteht die CDU stur darauf, dass sie „Ramelow verhindern“ will — offenbar auch durch Teilnahme am Spiel der AfD, mit der sie offiziell auf keinen Fall zusammmenarbeiten will.
Friedrich Merz, für Einige ein „Hoffnungsträger“ der CDU, wiederholte in der Talkshow von Markus Lanz im Fernsehen am Abend des 5.2., dass die Linke genauso schlimm sei wie die AfD, und dass Linksradikale ebenso bekämpft werden müssten wie Rechtsradikale — und erntete in der Talkrunde mehrfachen Widerspruch. Es scheint, als würde sich die CDU in ihren eigenen Absperrungen verfangen und ein Denken konservieren, das in den frühen 1990er Jahren („Rote-Socken“-Kampagne) stecken geblieben ist. Und Merz soll frischen Wind in die CDU bringen?
Ich fasse zusammen: Wie die Bürger von Schilda sich lächerlich machten, als sie Tageslicht in ihr neues, fensterloses Rathaus tragen wollten, so … (denkt mal selbst weiter!).

W. R.

P.S. Doch vergesst nicht: Hier geht es nicht um eine Kabarett-Nummer, nicht um einen Karnevalsauftritt, sondern um politische Realität — und damit um mögliche Auswirkungen für uns alle.