Täter und Opfer

Drei Dinge sprechen gegen die Hamas-Terroristen und ähnliche Gruppierungen: 1. Sie morden wahllos Menschen, 2. sie benutzen auch die Zivilbevölkerung der von ihnen beherrschten Gebiete als Schutzschild, und 3. sie wussten im Voraus, dass israelisches Militär Gaza nach ihren Greueltaten angreifen und bombardieren würde, und haben das mit einkalkuliert.

Daraus folgt: Die Hamas hat nicht nur maximale Opferzahlen bei ihrem Angriff auf Israel am 07.10.23 erreichen wollen, sie opfert bewusst auch eine Menge Palästinenser, um das dann noch als die Grausamkeit der Israelis gegen unschuldige Palästinenser anzuprangern. Und zur Steigerung des Terrors hat sie bei ihrem Angriff wahllos Menschen als Geiseln in den Gaza-Streifen verschleppt, um ihr Propaganda-Spiel auch mit diesen Opfern zu spielen.

Und dann gehen hierzulande noch Leute auf die Straße und halten z.B. Schilder mit „Freiheit für Palästina“ hoch. Ja, liebe Leute, zu anderen Zeiten gern — aber gerade jetzt, in dieser Situation, müsstet Ihr diese Forderung an die Hamas richten, die ganz Anderes im Sinn hat als Freiheit für die Bevölkerung im Gaza-Streifen. Ist Euch das noch nicht aufgefallen?

Geradezu unsäglich und denkender Menschen unwürdig sind die antijüdischen Ausschreitungen bzw. Anschläge, zu denen sich einige fanatisierte Israel- und Judenhasser ermuntert fühlen. Selbst wenn wir die Nazi-Zeit in Deutschland ausblenden könnten, wenn wir nur auf die Gegenwart blicken könnten, blieben solche Anschläge nicht nur kriminell, sondern auch politische Verbrechen, weil rassistisch und menschenverachtend (juristisch: Mord aus niederen Motiven).

Wer das trotzdem als Heldentum und Widerstand deklariert, der ist emotional so aufgeputscht, dass ihm die Kontrolle über seinen Verstand entgleitet. Ich weiß, die derart Aufgewühlten können das nicht mehr verstehen und kennen in ihrer Wut kein ruhiges Nachdenken und Abwägen mehr. Das macht sich auch der türkische Präsident zunutze und schwingt sich zum Sprecher aller Muslime und Israel-Hasser auf. Er nennt die Hamas Freiheitskämpfer und beschimpft Israel. —

Mit dem Aufputschen der Gefühle arbeiten Politiker im Nahen und Mittleren Osten schon seit Jahrzehnten. Sie nutzen das Leid der vertriebenen oder geflohenen Palästinenser, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Es war ihnen hilfreich, Wut zu entfachen, um antiisraelische Politik zu machen und von eigenen Fehlern abzulenken, dabei waren ihnen die Palästinenser meist weniger wichtig. Daher sind auch die Demonstranten, die hierzulande jetzt Israel anprangern, nicht auf der Höhe der Zeit, weil sie alte Stereotype reproduzieren und grundsätzlich den Teufel nur auf der Seite Israels sehen wollen. —

Es ist einfach unerträglich, dass in unserem Lande Menschen dieser oder jener Minderheit Angst vor Gewalt und Anschlägen haben müssen! Es geht hier nicht allein um Juden, sondern generell um Menschen, die anderen Gruppen der Gesellschaft angehören. Also geht es um die Frage, ob wir dulden wollen, das sich ein paar Aufgehetzte und Radikalisierte über das Grundgesetz, über die Freiheitsrechte aller Menschen, über Gesetze stellen wollen und aus Deutschland ein Land machen, in dem Juden, Menschen anderer Volksgruppen oder Religionen, Menschen mit diverser sexueller Orientierung… usw., kurzum Alle, die nach Meinung einer lauten, radikalen Gruppe nicht zur Mehrheitsgesellschaft gehören, deshalb ausgegrenzt werden sollen, dann verfolgt, dann in Lager gesperrt …

Diese Unmenschlichkeit macht nicht halt, wenn sie nicht schon in den Anfängen wirksam gestoppt wird. Und es wird höchste Zeit, dass hier nicht nur offiziell von der Staatsräson geredet wird, zu der die Sicherheit Israels gehört, sondern dass konkret hier bei uns Juden unbehelligt ihre Religion ausüben und ihre kulturellen Bräuche pflegen können. Wer sich dafür einsetzt, dass Muslime, wenn sie wollen, das Kopftuch als religiöses Zeichen tragen können, der muss auch für das Recht der Juden eintreten, in der Öffentlichkeit die Kippa zu tragen. Das muss man von Menschen verlangen, die hier leben und behaupten, sie stünden auf dem Boden unserer Verfassung. —

Grundsätzlich muss klargestellt werden: Antisemitismus ist schlicht Unfug, eine geistige Verirrung, und erst recht heutzutage eines denkenden, aufgeklärten Menschen unwürdig. Darüber noch zu diskutieren müsste für alle ZeitgenossInnen überflüssig sein, weil sie selbstverständlich wissen: Menschen sind im Prinzip überall gleich, und wer eine Gruppe oder ein Volk verächtlich macht und herabsetzt, hat womöglich Minderwertigkeitsgefühle, die er auf Kosten anderer Menschen loswerden möchte.

Das ist wohl zumindest einer der Gründe, warum sich sogar manche hochgebildete Leute nicht entblöden, Vorurteile und Verachtung gegen andere Menschen zu teilen. Es ist ein Zeichen charakterlicher Schwäche. Sie meinen, das ist es nicht? Nun, dann muss ich mehr dahinter vermuten, nämlich eine menschenfeindliche Gesinnung… oder eine Wahnvorstellung.

W. R.

Nachtrag: In einem langen Interview sagt der Schriftsteller Volker Kutscher (neuester Roman: „Der nasse Fisch“) zur aktuellen Debatte um Antisemitismus und Israel:

Der Antisemitismus war ja nie weg. Aber dass er so hochkocht, sich so ungezügelt Bahn bricht, hätte ich nicht gedacht. Nach dem bestialischen Massaker der Hamas war ich erst einmal sprachlos. Aber statt Mitleid mit den Opfern dieses Pogroms gab es antisemitische Demonstrationen, nicht als Reaktion auf die ersten israelischen Angriffe gegen Gaza, die gab es da ja noch gar nicht, sondern als direkte Reaktion auf das Massaker. Das hat mich schockiert.

(…) Dieses brutale Gemetzel, das die Hamas angerichtet hat, richtet sich ganz allgemein gegen die westliche Kultur, das ist aus demselben Geist geboren wie der IS…

Kölner Stadt-Anzeiger, 18.11.2023 (Magazin S. 1)