Archiv der Kategorie: Atomkraft

Hier geht es um die Bedeutung und die Risiken der Atomkraft

Dies ist ein freies Land

Gestern gehört in meiner Stammkneipe am Tresen (vgl. 28.1.23, Einwurf am Tresen):


Jupp, erstmal ein Kölsch, und zapp mir gleich auch das nächste. Danke!

Sagt mal, liebe Bierfreunde, leben wir eigentlich schon im 21. Jahrhundert? Ich höre die Köpfe von Politikern im Fernsehen ihre Sprüche ablassen und komme mir vor wie in einer Vorstellung im Volkstheater des vorigen Jahrhunderts. Soviel Populismus von Leuten, die ihre Intelligenz dazu einsetzen, die Menschen im Lande dumm zu schwätzen! Leute wie Söder, Merz, Lindner und Konsorten haben in Hinterzimmern abgesprochen, mit welchen Vokabeln und Floskeln sie die Menschen verwirren, ablenken und für dumm verkaufen könnten. Beispiel: Atomkraftwerke brauchen wir angeblich weiterhin, sie liefern angeblich auch billigen Strom, sind auch gar nicht gefährlich, und mit viel Technologieoffenheit machen wir einfach weiter so, weil uns irgendwann neue Erfindungen von lästigen Problemen wie Atommüll-Endlagersuche und anderen befreien werden. Ja, Ihr müsst nur daran glauben!

„Technologie-Offenheit“ ist so eine nichtssagende Worthülse, mit der man Leute beruhigen und auf blühende Landschaften der Zukunft vertrösten will. Ich kann’s nicht mehr hören. Apropos Hören: Unsere PolitikerInnen von CDU/CSU, FDP und AfD wollen es auch nicht hören, dass das Weiter-So in der Politik uns auf einen Abgrund zufahren lässt. Sie hören einfach weg, wollen kein „Klima-Blabla“ hören, wie es Bundesverkehrsminister Wissing (FDP) neulich in einer Wahlkampfrede in Hessen sagte. Wenn das kein Skandal ist — aber stattdessen wird ein Trauzeuge zur Staatsaffäre, der sich nichts hat zu schulden kommen lassen… Dem Staat ist dabei kein Schaden entstanden, wohl eher im Gegenteil. Aber man darf eine Maut in den Sand setzen und Steuergelder zum Fenster hinaus werfen, alles nicht schlimm, wenn man von den Unionsparteien gedeckt wird. Wenn sie aber die Grünen attackieren, ist alles recht, was in den Medien aufgeblasen werden kann.

Jupp, schnell das nächste, ich muss mir dringend die Politik schön trinken!

Und wer wundert sich noch, dass die bundesweite Polizeiaktion mit Razzien gegen die „Letzte Generation“ ausgerechnet von einer Staatsanwaltschaft in Bayern ausging? Da ist rein zufällig Wahlkampf, Söder will ein Law-and-Order-Profil zeigen. Was hat der nicht schon alles für Profile gezeigt, wenn es um Wahlkampf und Kampagnen ging! Der macht einen Wind, davon könnten zig Windräder rund um die Uhr laufen — wenn es sie denn in Bayern gäbe!

Echt, Leute, ich find’s nicht mehr zum Lachen! Diese gezielte Dummschwätzerei verfängt bei zu vielen Leuten, wie man an diversen Wahlergebnissen sieht. Von Umfragen will ich gar nicht reden, die werden auch am liebsten dann zitiert, wenn man den Grünen schwindenden Rückhalt in der Bevölkerung nachsagen kann.

Ist doch kein Wunder: Wir sind alle für Klimaschutz, tönen sie. Aber wie macht man das in der Praxis? Ha, schon zerreden die Bedenkenträger alles, was Sinn machen könnte, und im Zweifel wollen sie schon im Voraus wissen: Das lehnt die Mehrheit der Bevölkerung ab. So kommen wir nicht weiter — und genau das ist ja beabsichtigt.

Da ist es doch kein Wunder, dass besonders die junge Generation (soweit sie nicht vor lauter Daddeln am Handy nichts mehr mitkriegt) die Geduld verliert, denn es geht ja gerade um ihre Zukunft! Jetzt zeigt der Staat auf einmal Härte, will sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Das, liebe Leute, hätte ich mir schon viel früher an ganz anderer Stelle gewünscht.

Ach, Jupp, noch eins.

Ja Prost, Hannes, auch wennste neulich FDP jewählt hast. Kannste machen, dies ist ein freies Land. Und dir persönlich nehme ich das nicht übel, jeder hat eben seine Meinung. Trotzdem stoße ich mit dir an, du bist ja sonst ein netter Kumpel. Ja, soweit käme es noch, dass wir uns wegen der Politik anfeinden und aus dem Weg gehen. Außerdem sind wir hier in Köln, da heißt das Motto: „Drink doch ene met, stell dich net esu aan…“

(Während er singend das Glas hob und die anderen Gäste ansah, fielen sie nacheinander ein und sangen mit.) —

[Das Gespräch wurde sinngemäß wiedergegeben, aufgezeichnet aus dem Gedächtnis von W. R.] — Dazu empfehle ich die Lektüre dieses Kommentars: >Razzia gegen die »Letzte Generation«: Wie der Staat Radikalisierung befördert – Kolumne – DER SPIEGEL

Nachtrag am 29.05.2023: Was man kriminell nennt, und was nicht — das ist oft eine Frage der Deutungshoheit. Bei all dem Hickhack beschleicht mich die Frage: Wieviele Ahr-Flutkatastrophen, wieviele Dürren und Waldbrände braucht Deutschland noch, um zu begreifen, dass nur ein bisschen Klimaschutz nicht reicht? Und dass wir nicht endlos Zeit haben? Schauen wir nach Südeuropa, da wird deutlich, was Unterlassungen anrichten, die man schon kriminell nennen könnte: >Italien und Spanien: Warum die Extremwetter in Südeuropa ein Lehrbeispiel für für Politikversagen sind – DER SPIEGEL — Wenn nun jemand kommt und das Festhalten an fossilen Energieträgern als kriminell bezeichnet, fällt es mir schwer zu widersprechen… zumal wir mit dem Öl- und Gas- Verbrauch derzeit auch Putins Kriegsverbrechen indirekt mit finanzieren. Was, echt jetzt? Denkt mal drüber nach.

Hier noch eine aktuelle Ergänzung vom 11.06.2023: >Klimakrise: Die »Oh Shit«-Momente häufen sich – Kolumne – DER SPIEGEL

Atomkraft?

Es ist vollbracht! Nach dem Kreuzestod Jesu ist — angesichts des Gedöns in deutschen Medien — wohl das Abschalten der drei letzten Atomkraftwerke im Staate D. das bewegendste Ereignis der Geschichte, oder? Kaum zu glauben, was interessierte Akteure für ein Aufhebens machen, um Stimmung gegen den Atomausstieg zu schüren.
Dabei ist Allen, ja wirklich: Allen in diesem Lande seit geraumer Zeit klar, dass das Ende der Atomkraft in Deutschland seinen gesetzlich geregelten Gang nimmt. Und dass die kurzfristige Verlängerung der Laufzeit von drei AKWs für wenige Monate als Notmaßnahme beschlossen wurde, um einen vielleicht möglichen Strom-Engpass im Winter zu vermeiden.
Wenige Atomkraft-Befürworter machen einen großen Lärm darüber, dass es unvernünftig sei, die deutschen AKWs ganz abzuschalten, und schüren die Angst vor möglichen zukünftigen Blackouts. Hört man die unaufgeregten Experten, dann ist diese Angst nicht begründet.
Aber zum Thema „Angst“ fällt mir ein: Europas größtes AKW bei Saporischschija in der Ukraine ist von russischen Truppen besetzt, immer wieder kommt es dort zu krisenhaften Situationen. Man fürchtet, in diesem AKW könnte es durch Beschuss oder infolge der von Kriegseinwirkungen mangelhaften technischen Kontrolle zu einem GAU kommen. Dieser wäre eine Katastrophe, die die von Tschernobyl (1986) noch toppen würde.
Wer hier gar neue AKWs fordert, muss erklären, wie gerade jetzt sichergestellt werden könnte, dass es einem Putin nicht einfällt, ein paar Hyperschall-Raketen auf die deutsche Infrastruktur zu schießen und dabei gezielt AKWs zu Atombomben umzufunktionieren.
Über einen solchen (zum Glück noch theoretischen) Fall hört man hierzulande nichts. (Vielleicht, weil noch immer viele Leute Putins Charakter und Ziele verkennen.)
Davon abgesehen, bleibt es bei der sachlichen Feststellung: AKWs sind die mit Abstand teuerste Form der Energiegewinnung, und im Unglücksfall auch die gefährlichste.
Wer mit dem (Schein-) Argument kommt, weltweit würden doch immer mehr AKWs gebaut, und der „deutsche Sonderweg“ führe unnötig ins Abseits, der unterschlägt, dass einige Länder auch schon den Atomausstieg planen, andere verbissen an Bauvorhaben festhalten, die sich sehr in die Länge ziehen und viel teurer werden als vorab geplant (Wir reden hier von Milliarden-Beträgen).
Inzwischen ist vielen Leuten auch klar geworden: In diesen Zeiten ist es nicht verantwortbar, die eigene Energieversorgung zu einem bedeutenden Teil von auswärtigen Mächten abhängig zu machen, sprich: Brennstäbe für AKWs aus Ländern wie Russland zu beziehen, die womöglich einmal die Lieferung verweigern und politische Bedingungen stellen.
Wer weiß, ob nicht bald Erdogan oder Orban dafür gescholten werden, dass sie ihren Ländern diesen Bärendienst erwiesen haben…
Ganz durchsichtig und schon fast eine Kabarett-Nummer ist die Einlassung einiger deutscher Politiker, unsere AKWs seien doch aktiver Umwelt- und Klimaschutz, während die in der Energie-Krise wieder hochgefahrenen Braunkohle-Werke sehr klimaschädlich sind. Söder und andere mutieren plötzlich zu Umwelt-Aktivisten, die die Grünen überholen?? Das glaubt den Windrad-Verhinderern doch kein Mensch, der eine Krempe am Hut hat!
Fazit: An der Bewertung der Atomkraft hat sich seit Langem nichts geändert: teuer, riskant. Wer hier stur für eine andere Bewertung trommelt, hat entweder viel Geld in dieser Sache stecken oder wird von der Lobby dieser Leute mit Worten und evtl. Geld gedrängt. (Ich wünschte, sie hätten vor Jahren nur halb so viel dafür getrommelt, die Produktion von Solaranlagen im Lande zu halten!)
Ich möchte jedenfalls nicht, dass die Leute, die uns erst in die Gazprom-Abhängigkeit getrieben haben, uns nun aus Eigennutz in neue Abhängigkeiten manövrieren. Darum: Atomkraft? Nein, danke!
W.R.

Ein Update vom 10.07.2023: Wer bisher dachte, Desinformations-Kampagnen würden nur aus dem Ausland (Russland, China, Nordkorea) initiiert und gelenkt, der darf jetzt zur Kenntnis nehmen, dass auch hier in Deutschland einflussreiche Akteure solche Kampagnen lostreten: Die „Bild“-Zeitung gab den Ton vor, und nach ihr stießen eine Reihe von PolitikerInnen der Oppositionsparteien kräftig ins selbe Horn. Bis in die Fernseh-Talkshows tragen sie die Falschbehauptungen von „Bild“.

Worum geht es dabei? Um die Energiepolitik, und um deutsche Atomkraftwerke, denen einige PolitikerInnen immer noch nachweinen. Sie betätigen bei jeder Gelegenheit die Drehleier vom angeblich „dringend benötigten Atomstrom“ — wohl wider besseres Wissen, bzw. infolge einseitiger Information, die bei „Bild“ teils auf handfesten Lügen basiert.

Von „Bild“ ist die Nation ja so manche schräge oder einseitig CDU-lastige Berichterstattung gewöhnt. Aber was da gerade in Sachen Energiepolitik abging, das hat schon das Etikett „Fake-News“ verdient. mehr >Energieversorgung: »Bild«, Union und AfD, vereint in Prepperfantasien – Kolumne – DER SPIEGEL

Update von Februar 2024: Energiepolitik: Atomkraft ist ein totes Pferd – warum steigt Merz nicht ab? Kolumne – DER SPIEGEL

Keine Angst! (?)

WÄHREND die meisten Menschen auf dem Globus ihrer Arbeit nachgehen — oder Arbeit suchen — oder auf der Suche nach genießbarem Trinkwasser lange Wege gehen — oder ihren Feierabend mit einem Bier vor dem Fernseher genießen — oder Hunger leiden — oder vor Krieg und Bandenkämpfen auf der Flucht sind — oder an einer Küste auf eine Chance warten, mit einem überladenen Schrott-Boot ein sicheres Land mit besseren Lebensbedingungen zu erreichen — beschäftigen einige Andere sich damit, Künstliche Intelligenz zu erschaffen und diese auf die Welt loszulassen.

Muss man vor Künstlicher Intelligenz alias KI Angst haben? Sollte man sich auf Chancen der Menschheitsbeglückung durch KI freuen?

Dazu gibt es bereits kluge Einlassungen und lange Artikel, die uns das Pro und Kontra vortragen. Einer kann hier als Beispiel angeklickt werden: Künstliche Intelligenz: Die Rückkehr des Wunderglaubens – Kolumne – DER SPIEGEL

Meine persönliche und einstweilige Meinung: Das ist ein selbstlernendes System, es kann sich schnell in eine nicht gewünschte Richtung entwickeln. Also muss man Kontrollsicherungen einbauen — inklusive die Möglichkeit, das System abzuschalten oder zu zerstören.

Der Film „2001 — Odyssee im Weltraum“ (1968) führte uns im Kino schon vor Jahrzehnten vor Augen, was passieren kann, wenn allzu große Technikgläubigkeit Dinge schafft, die dem Menschen die Kontrolle entwinden. In jenem Film ist es der umfassend befähigte Bordcomputer des Raumschiffs, der unerwartet Befehle verweigert und die Kontrolle über das Raumschiff übernimmt. Da wurde das Problem schon vorweggenommen, das uns mit der KI ins Haus stehen könnte (oder wird?).

Heutzutage ist ja fast alles vorstellbar, z.B. auch (angesichts der Begehrlichkeit von autoritären Regierungen, die totale Kontrolle über alles zu haben) die Aneignung einer KI-„Maschine“ durch eine Macht, die die globale Kontrolle anstrebt.

Schon lange vor dem o.g. Film gab es die Ballade vom Zauberlehrling, der „die Geister, die ich rief“, nicht mehr beherrschen konnte… Diese Warnung existierte also schon, als der zunehmende wissenschaftlich-technische Fortschritt die industrielle Revolution in Gang setzte*, und lange, bevor wir die digitale Revolution unserer Lebenswelt erlebten.

Die Frage ist, ob es interessierten Gruppen (das sind die, die darin Geld investieren und mehr Geld erwirtschaften wollen) gelingt, die öffentliche Meinung so zu beeinflussen, dass die Menschen falschen Erzählungen glauben und gegen ihre eigenen Interessen den profitorientierten Gruppen freie Hand lassen.

Gegenwärtig sehen wir z.B. den Einfluss von Lobby-Verbänden am Werk, die die Energiewende behindern, die das Aus für Atomkraft in Deutschland rückgängig machen wollen, die (besonders zur Freude Putins) den Abschied von fossilen Energieträgern (Öl, Gas) verzögern und möglichst vereiteln wollen. In den Medien wird ein Informationskrieg geführt, bei dem Leute von „Vernunft“ sprechen, die alles möglichst beim Alten lassen wollen. Diese Art von Vernunft verharmlost den Klimawandel und seine immer stärker sichtbaren Folgen, versucht die Gemüter zu sedieren, verschweigt dabei die Konzeptlosigkeit für die Zukunft, wirft aber ständig mit Worthülsen wie „Technologie-Offenheit“ um sich und verschleiert die Verantwortungslosigkeit gegenüber unseren Nachkommen.

Diese Sorglosigkeit der Konzernlenker (um noch ein paar Milliarden mehr zu scheffeln) und Diktatoren (Putin ist die Umwelt in Russland und anderswo völlig egal) kann Einem schon Angst machen. Gerade ist der Iran dabei, nach chinesischem Vorbild die Überwachung der Bevölkerung auszubauen (mit zahlreichen Kameras mit Gesichtserkennung). Wenn bald auch noch KI hinzukommt, um die Menschen noch viel effektiver zu täuschen und zu unterdrücken… **

Wir kannten die Egomanen mit Allmachtsfantasien und Streben nach Weltherrschaft bisher eher aus James-Bond-Filmen. Nun stellt sich heraus, dass ein paar Großmannssüchtige das tatsächlich versuchen. Putin will ein großrussisches Imperium erobern, China die Weltmacht Nr. 1 werden, und daneben strampeln noch ein paar Diktatoren der zweiten Liga danach, ihre Macht mit allen Mitteln zu sichern und auszubauen. Allen ist gemeinsam: Menschen sind bloß Nummern und austauschbar, einzigartig ist (nach seiner Selbst-Einschätzung) nur der Diktator.

Fazit: Die Entwicklung neuer Techniken und Technologien ist weder gut noch schlecht, es kommt wesentlich darauf an, wer sie in die Hände bekommt und mit welchen Absichten verwendet. Mir persönlich reicht schon der Hinweis auf die „social media“ des Internet, um mir ein flaues Gefühl im Magen zu machen. Wo bleibt da die Informationsfreiheit, wenn Google und Andere ihre Algorithmen nicht offenlegen? Und was sollen wir noch für wahr halten, wenn uns erst die KI alles Unmögliche als Wahrheit vorgaukeln kann?

W. R.

* Goethe schrieb die Ballade 1797, in einer Zeit, als die Industrielle Revolution in England einsetzte. Wer sie nachlesen möchte, klicke hier: Johann Wolfgang von Goethe – Das Gedicht ‚Der Zauberlehrling‘

** Dazu ein Update vom 02.05.23, das zeigt: Meine Bedenken sind nicht nur meine > Die Gefahren von KI: Warum Geoffrey Hinton Google verlässt – Wirtschaft – SZ.de

Nachhaltig riskant!

D A nutzen ein paar Atomkraft-Nostalgiker die Energie-Verteuerung und Putins Spielchen mit dem Gashahn, um den Atomkraftwerken wieder Akzeptanz zu verschaffen. Sie behaupten, dass es gegen alle Vernunft sei, unsere letzten Atomkraftwerke wie geplant Ende des Jahres außer Betrieb zu setzen. Diese Diskussion wird penetrant in die Medien gedrückt, obwohl es zu diesem Thema keine neuen Erkenntnisse gibt. Neu ist nicht einmal, dass Frankreich, das sehr auf Atomkraft setzt, derzeit größere Probleme damit hat.

Die Gründe für die aktuellen Probleme entnehme man diesem Artikel: Nukleare Renaissance aus Energiemangel?: Das schwarz-gelbe Trommeln für die Atomkraft ist absurd – Politik – Tagesspiegel

Andere, gravierende Probleme sind altbekannt. Neben den hohen finanziellen Kosten verursachen Atomkraftwerke Strahlungsschäden und – vor allem – einen wachsenden Berg von radioaktivem Müll, der bloß „zwischengelagert“ wird, weil es bisher in Deutschland kein sicheres Endlager dafür gibt. Sicher ist ein Endlager nur, wenn 1. aus dem Lager nichts in die Umwelt gelangen kann, und wenn 2. das für tausende von Jahren gelten kann.

Bisher hat man weltweit kaum sichere Standorte gefunden, produziert aber fleißig weiter strahlenden Müll. (Müll sind hier nicht nur abgebrannte Brennstäbe, sondern auch verstrahltes Material aus der Umgebung der Reaktoren; außerdem darf das aus dem AKW abfließende Kühlwasser nicht mit Strahlung belastet sein, d.h. nicht über bestimmte Grenzwerte hinaus). Die Sowjetunion und nachfolgend Russland haben Vieles einfach ins Meer gekippt, so wie dort viele Umweltsünden (z. B. mit Erdöl) ganze Landstriche verseucht haben. Aber auch in anderen Weltgegenden sind Betreiber von AKWs nicht immer zimperlich, wenn sie verstrahlten oder hochgiftigen Müll loswerden wollen.

Kurzum: Auch die verharmlosende Bezeichnung „Kernkraftwerke“ macht die Atomkraftwerke nicht besser. Sie sind zu Recht hierzulande ein Auslaufmodell, leider in anderen Ländern noch nicht (Frankreich, Belgien, Großbritannien, Finnland, Türkei, um nur einige in Europa zu nennen).

Man kann im Nachhinein der Ex-Kanzlerin Angela Merkel manch falsche Weichenstellung und eine Verschleppung der nötigen Energiewende ankreiden, doch ihre Kehrtwende nach der Katastrophe von Fukushima war eine richtige Entscheidung. Davon sollte man nicht abrücken. (Mehr siehe: Archive, März 2014) Das AKW ist und bleibt eine Risikotechnologie.

W. R. 19.07.2022

Ceterum Censeo: Diesem Mann (siehe Foto) ist nicht zu trauen! Der redet von Faschisten in der Ukraine und ist dabei selbst der größte Faschist seit Adolf Hitler. Zu seinem Geschäftsmodell gehört, die Wahrheit in ihr Gegenteil zu verkehren und mit Unschuldsmiene die schlimmsten Grausamkeiten zu befehlen.

24.07.2022: Wie um die obige Einschätzung zu bestätigen, ließ Putin kurz nach der Unterschrift unter das Istanbuler Abkommen über Getreideausfuhr den Hafen von Odessa mit Raketen beschießen. Darüber wundern sich nur Leute, die Putin und sein Regime immer noch falsch eingeschätzt haben.

02.08.2022: … oder immer noch nicht aus der russischen Propaganda-Erzählung ausgestiegen sind, nach der Russland von der Nato eingekreist und bedroht sei und sich mit dem Überfall auf die Ukraine (einem heimlichen Aufmarschgebiet der Nato) nur dagegen wehre. Dagegen halten könnte man ja mal mit Putins eigenen Propaganda-Waffen: Wir fordern, Ostpreußen/Region Kaliningrad mit Deutschland oder Polen wiederzuvereinigen, außerdem das ehemalige Ostpolen mit Polen wiederzuvereinigen, usw. Aus dem Steinbruch der Geschichte holen wir uns (wie Putin) ausgewählte Steine und bauen uns daraus ein eigenes Geschichtsbild.

Man könnte auch sagen: wie Chinas Diktator Xi, der androht, eine „Wiedervereinigung“ mit der Insel Taiwan militärisch zu erzwingen. Freiwillig würden die BürgerInnen von Taiwan, demokratisch regiert, mit großer Mehrheit ohnehin keinen Anschluss an China wollen. (Hongkong lässt grüßen.) Und auch hier wäre das Wort „Wiedervereinigung“ aus meiner Historiker-Sicht völlig unangebracht: Taiwan war nie Teil eines von der KP China beherrschten Staates „Volksrepublik China“, früher bei uns kurz „Rotchina“ genannt, um ihn von „Nationalchina“ zu unterscheiden, das heute „Republik Taiwan“ heißt. Da könnte mit genau demselben Grund Taiwan den Spieß umdrehen und eine Wiedervereinigung Taiwans mit einem von der kommunistischen Diktatur befreiten China als Ziel propagieren.

An angeblich historisch begründbaren Gebietsforderungen findet auch der türkische Autokrat Erdogan Gefallen: Er will die griechischen Ägäis-Inseln vor der West-Türkei zu türkischem Territorium machen. Seltsam (oder eher: bezeichnend) ist, dass solche Gebietsansprüche gern von Machtpolitikern erhoben werden, die damit Spannungen zu Nachbarstaaten provozieren und sogleich inneren Zusammenhalt gegen einen äußeren Feind einfordern… zufälligerweise (!) gerade dann, wenn die Zustimmung zu ihrer Politik im Inland schwindet.

Also, jeder um seine Macht bangende Politiker nimmt am besten einen historischen Atlas zur Hand und schaut nach, was man mit Hinweis auf igendwelche früheren Grenzen oder Einflusssphären heute „zurück“-fordern könnte. Und noch besser, wenn da ein paar Leute wohnen, die die gleiche Sprache sprechen, die kann man dann zur bedrohten Minderheit erklären, die „heim ins Reich“ wolle (egal, was die selber wollen).

Als Historiker sage ich: Gähn! Sowas hatten wir doch schon zu Genüge. Wieso verfängt das immer noch bei einigen Menschen, obwohl ihnen klar sein sollte: Wir wollen keinen Krieg, aber solche Forderungen, gekoppelt mit militärischen Drohungen, lassen uns leicht in einen Krieg hineinrutschen. Und wenn erst Krieg ist, weiß niemand im Voraus, was passiert und wie er ausgeht. Sicher ist nur: Viele verlieren ihr Leben oder ihre Gesundheit für — ja, für was eigentlich? Für wehende Fahnen auf einer Militärparade??

Die Menschen sollten längst wissen: Wo genau Staatsgrenzen verlaufen, das hat wenig Einfluss auf unser Wohlergehen, solange man sich über Grenzen hinweg friedlich (!) verständigt, miteinander Handel treibt und international auch an Wissenschaft und Forschung teilnimmt. Ein kluger Mann im Alten Rom formulierte einmal den Satz: Ubi bene, ibi patria. (Wo es mir gut geht, da ist mein Vaterland.) Wer braucht da Ideologien wie z.B. Nationalismus?

Vielleicht will Putin ja mit Krieg davon ablenken, dass es ziemlich vielen Russen nicht so gut geht. Erdogan macht es nach und rasselt mit dem Säbel, weil die Türken mit der krassen Inflation im Land zunehmend unzufrieden sind.

Um der gesamten internationalen Staatengemeinschaft vor’s Schienbein zu treten, ließ Putin dieser Tage verkünden: Ab 2024 steigt Russland aus der ISS (Internationale Raumstation) aus. Das passt übrigens ins Bild wie die o.g. Raketen auf Odessas Hafen… Er gibt vor, auf Zusammenarbeit und Austausch mit der internationalen Staatengemeinschaft verzichten zu können: wie ein trotziges Kind, das seinen Willen nicht durchsetzen konnte, mit dem Fuß aufstampft und Allen den Stinkefinger zeigt.

Nachtrag am13.08.2022: Die Russen haben das größte Atomkraftwerk Europas in Saporischschja (Ukraine) besetzt und nutzen auch dies, um dem Rest Europas Angst zu machen. Denn wenn dieses AKW durch Kriegseinwirkung beschädigt wird, kann es zu einer Katastrophe kommen, die mit der von Tschernobyl (1986) vergleichbar wäre. Putin lässt keine Prüfer der Internationalen Atombehörde auf das Gelände. Ich sehe ihn im Kreml sitzen und sich freudig die Hände reiben, wenn westliche Nachrichten von dieser Gefahr berichten. Angst machen ist seine Kernkompetenz, das hat er in seiner Jugend in Hinterhof-Schlägereien gelernt und während seiner langen Geheimdienstkarriere perfektioniert.

Wir sehen überdeutlich: Putin spielt mit der Angst im übrigen Europa, er schürt bewusst (auch über das Internet) Ängste vor radioaktiven Wolken, vor Energieknappheit im Winter, vor explodierenden Preisen auf dem Energiemarkt… Wir dürfen das Spiel nicht mitspielen und seine Wünsche erfüllen, auf gar keinen Fall! Wir müssen Kurs halten.

Seltsam übrigens: Die Atomkraft-Fans hierzulande schweigen sich aus über die Gefahr, dass jemand im Konfliktfall unsere AKWs mit Raketen treffen könnte und… (denkt selbst weiter!). Gerade in diesen Wochen sieht man in der Welt Figuren an der Macht, denen man zutrauen kann, dass sie im Zweifel damit nicht nur drohen. Ungeachtet dessen wünschen sich bestimmte Leute den Neubau weiterer Atomkraftwerke. Denen geht es dabei nur um Geld, das sie scheffeln wollen — womöglich auf unser aller Kosten, und auf Kosten vieler nachfolgender Generationen.

Nachtrag am 06.09.2022: Man glaubt es kaum, aber einige Knallchargen aus FDP und CDU (T’schuldigung, mir geht da langsam die Höflichkeit verloren) fordern unverfroren eine verstärkte Wiederaufnahme von Atom-Strom in den deutschen Energiehaushalt. Manche trompeten in die Medien was von 5 Jahren Laufzeitverlängerung für alles, was an AKWs noch nicht dauerhaft abgeschaltet ist. Und zugleich wird hämisch den Grünen vorgehalten, sie verrieten ihre Ideale, indem ihre Minister und die Parteiführung als Notlösung zwei AKWs in Süddeutschland Ende des Jahres noch nicht (wie vorgesehen) dauerhaft abschaltet.

Die jenigen, die damit die Grünen diskreditieren oder wenigstens irritieren wollen, entlarven sich damit selbst. Denn im Gegensatz zu denen, die eine verfehlte Gaspolitik zu verantworten haben (und damit unseren aktuellen Energie-Schlamassel), zeigen die Grünen in Regierungsverantwortung, dass sie ihr Handeln an der Realität ausrichten und nicht an ideologischen Positionen mit Blick auf ihre Wähler-Klientel. Wirtschaftsminister und Vizekanzler Habeck nimmt seine Verantwortung für das ganze Land wahr, im Gegensatz zu gewissen anderen Politikern bedient er nicht in erster Linie Wähler-Gruppen, und das, mit Verlaub, rechne ich ihm hoch an. Dass auch er nicht über’s Wasser wandelt und mal Fehler macht, ist klar, denn er ist auch nur ein Mensch. Dasselbe gilt für Außenministerin Baerbock, die gelegentlich auch mal Klartext redet und unter Diplomatie nicht nur Wischi-Waschi-Gerede versteht, z.B. beim Besuch in der Türkei, wo sie klarstellte, dass die Ägäischen Inseln griechisches Territorium sind und in deutscher Sicht auch bleiben — trotz des derzeitigen Säbelrasselns der türkischen Regierung.

Nachtrag zu Erdogan und der Türkei: In den 1990er Jahren machte ich gern Urlaub in der TÜrkei. Das hat sich geändert, nachdem ich gesehen habe, dass man in diesem Land besser nicht ins Visier der Polizei und der Justiz geraten sollte. Im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte hat sich mein Eindruck verschärft: Offenbar darf man dort nicht einmal den leisen Anschein erwecken, als wolle man Erdogan und seine Politik kritisieren. Wer sowas schon mal im Internet in den Social Media gepostet hat, sollte bedenken, dass auch türkische Geheimdienste dort mitlesen. >Wegen Kritik an der Türkei: Erdogan lässt mehr als 120 Deutsche festhalten

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11. März – ein Gedenk- und Bedenktag

IMG_518111. März – wieder ein Gedenktag, alles Andere als ein Jubiläum: Vor drei Jahren ereignete sich die Katastrophe von Fukushima. Es war eine doppelte, eine sozusagen kombinierte Katastrophe. Erst ein selten starkes Erdbeben, gefolgt von einem ungeahnt wuchtigen Tsunami, der ganze Ortschaften an der Küste wegspülte und Schiffe weit weg von ihren Häfen im Lande absetzte – und damit noch nicht genug, hatten Erdbeben und Tsunami im Zusammenwirken die Stromversorgung des Atomkraftwerks (AKWs) von Fukushima gekappt, und während die Techniker des AKWs im Dunkeln tappten und falsche Messdaten über die Kühlung der Reaktoren registrierten, liefen diese heiß, sodass es schließlich in drei Reaktorblöcken zu Explosionen kam. Radioaktive Dämpfe traten aus, später lief verstrahltes Kühlwasser ins Meer.
Wer die Filmaufnahmen vom Tsunami sieht, glaubt sich in das unwirkliche Szenario eines Katastrophenfilms versetzt – doch die Aufnahmen bilden die Wirklichkeit vor Ort ab, man hört das Brausen und Gurgeln der Flutwelle, das Rufen und Schreien von Menschen, die sich nicht alle in höher gelegenes Gelände retten können…
Die hohe Zahl der Todesopfer, die Massen von unvermittelt obdach- und besitzlosen, traumatisierten Menschen, das alles sackt erst im Gefolge dieser Bilder ins Bewusstsein.
Hinzu kommen die immensen Auswirkungen und Folgeschäden des GAUs im AKW. Tausende Einwohner im Umkreis wurden wegen der Strahlung evakuiert, etliche davon erst mit Verspätung. Und die Fischerei an einem langen Küstenabschnitt kam zum Erliegen – nicht nur wegen der Zerstörungen in den Küstenorten und Fischereihäfen, sondern auch wegen der ins Meer laufenden, verstrahlten Wassermengen aus dem AKW-Gelände (Kühl-, Lösch- und Überschwemmungswasser).
Unsere AKWs sind sicher und auf dem technischen Stand der Zeit! Das hatten Politik und Atomwirtschaft Hand in Hand in Japan ständig verkündet, bis sie es selbst glaubten. Das wollten nun viele Japaner nicht mehr hinnehmen und verlangten weitreichende Konsequenzen.
Die sahen so aus: Wir, Regierung und Betreiberfirma Tepco, sitzen die erste Empörung mit ein paar öffentlichen Entschuldigungen aus, schalten erstmal alle AKWs ab, und nach etwas Zeit erklären wir, dass Japan gar nicht aus der Atomernergie aussteigen kann, dann fahren wir die AKWs wieder an.
Dabei zeigt sich bis heute, dass sie mit so einer Katastrophe heillos überfordert sind. Weder bekam Tepco sein havariertes AKW in den Griff, noch konnte die Regierung überzeugende Katastrophenpläne für die Zukunft vorlegen – kam sie doch schon mit der Bewältigung der Fukushima-Katastrophe nicht nach.
In der Region Fukushima liegen an vielen Sammelplätzen die Beutel mit vertrahlter Erde, die entwurzelten Menschen dürfen nicht in ihre Heimat zurück, leben z.T. immer noch in Notunterkünften und warten auf wirksame Unterstützung zur Normalisierung ihres Lebens, wenn es so etwas denn gibt (Das Trauma bleibt). An manchen Stellen hat man alles dekontaminiert, sagt man, und lässt die Evakuierten zurückkehren. Experten warnen dennoch. Man hat in der Region bereits Strahlenschäden an Tieren beobachtet, z.B. häufige Missbildungen an Schmetterlingen. Aktuelle Lage 2015: >Japans Atomkrise | Greenpeace – japans-atomkrise-09032015.pdf
Das Wort „Katastrophe“ klingt angesichts des Geschehens und der Folgen eher zu harmlos, um all das zusammenzufassen.

Und die Sicherheit? Alles Beteuern und Verharmlosen nach Katastrophen wie Tschernobyl (26. Aprl 1986) und Fukushima (2011), alle Ablenkung vom weltweit ungelösten Problem der Endlagerung von Atommüll (krass: Der Müll aus dem ehemaligen Salzbergwerk Asse muss aufwändig wieder herausgeholt werden) bedeutet nichts Anderes als die Feststellung: Auf offizielle Verlautbarungen ist kein Verlass, wir werden im Zweifel nur über das nicht mehr zu Verheimlichende informiert.

IMG_0632(zum Scharfstellen die Karikatur anklicken)

Radioaktive Strahlung ist zwar messbar, aber unsichtbar und geruchlos. Unsere Sinne (und anscheinend auch die der Tiere) sind nicht auf diese Gefahr eingestellt. Ich erinnere mich noch gut, wie verunsichert wir im Mai 1986 bei strahlendem Wetter nach draußen blickten und uns fragten, ob wir da draußen gefahrlos spazierengehen könnten, ob wir das Laub der Sträucher anfassen und uns auf eine Wiese setzen könnten, ohne mit verstrahltem Material in Berührung zu kommen. Der Wind hatte über Europa den strahlenden Auswurf des geschmolzenen Reaktors von Tschernobyl verteilt: Vielerorts waren frisch geerntete Lebensmittel unverkäuflich geworden und wurden vernichtet. In Bayern durften längere Zeit keine in der Natur gepflückten Pilze verzehrt werden.
Das war noch gar nichts gegen die Schäden an Leben und Gesundheit, die die Bevölkerung in Teilen der Ukraine und Weißrusslands erlitt.
Und gerade auch in Japan weiß man sehr genau, was Strahlungsschäden bedeuten: Bis heute leiden dort Menschen an den Folgen der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. Davon wurde aber ungern gesprochen, besonders nachdem japanische Regierungen das Land in der Energieversorgung auf Atomkurs festgelegt hatten.

Es geht beim Thema „Atomkraft“ (die positiv gefärbte Wortwahl sagt „Kernkraft“) nicht nur um die Gefahr großer Katastrophen, sondern auch um Gefahren unterhalb der Katastrophenschwelle. Große Energiekonzerne lassen sofort ein Rudel Experten von der Leine, die Gefahren dementieren oder herunterspielen, wenn jemand z.B. ein statistisch erhöhtes Krebsrisiko im Umfeld von Atomkraftwerken öffentlich macht: Da werden Messwerte angezweifelt, als zufällig oder fehlerhaft hingestellt und als nicht aussagekräftig abgetan. Zuverlässig sind dagegen nur die von den AKW-Betreibern veröffentlichten Messwerte, Aussagen und Statistiken. Na klar. Und wieder hören wir im Falle eines nicht vertuschbaren „Störfalles“ im AKW: „Für die Bevölkerung bestand zu keiner Zeit eine Gefahr.“

In Deutschland wird weiter nach einem sicheren Endlager für Atomabfall gesucht. In einigen Jahren wird nach Ausstiegsplan das letzte AKW abgeschaltet – wenn nicht noch einmal eine Kehrtwende der Politik dazwischenkommt. Der strahlende Müll bleibt. Auf Jahrhunderte…

-SR-

Aktueller Nachtrag am 11.03.2020: Jahrestag des Reaktorunglücks: Die Zeit wird knapp in Fukushima | tagesschau.de

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Köln-Notizen #7

50Es ist der 6. August, ein besonderes Datum, das man nicht so leicht vergisst. An diesem Tag im Jahr 1945 fand der erste Einsatz einer Atombombe statt, sie wurde über der japanischen Großstadt Hiroshima abgeworfen mit dem Ziel, möglichst viel Zerstörung und Tod anzurichten und möglichst großen Schrecken zu verbreiten.

In Köln, zwischen dem Japanischen Kulturinstitut am Aachener Weiher und der Universität, heißt ein Park seit einigen Jahren Hiroshima-Nagasaki-Park. Über Nagasaki wurde ein paar Tage nach der ersten die zweite Atombombe abgeworfen.

Eigentlich nennt man so etwas Terror. Aber hier handelt es sich ja um Maßnahmen eines mächtigen Staates, und der hatte ja erklärtermaßen nur Gutes im Sinn: Man wollte möglichst wenige Menschenleben opfern, wohlgemerkt die Leben amerikanischer Soldaten, während man Japan zur Kapitulation zwang. Also musste Japan mit einem Riesenschock zum Aufgeben gezwungen werden, einem Schock, ausgelöst durch das schlagartige Auslöschen sehr vieler Leben japanischer Zivilisten. Nebenbei waren zumindest die beteiligten Wissenschaftler und Techniker daran interessiert, bei diesem ersten Kriegseinsatz der A-Bombe die realen Auswirkungen zu beobachten, also: einen Test auf Feindesgebiet durchzuführen.

Die realen Auswirkungen – wir kennen wohl alle die Filmaufnahmen, die Tage später im zerstörten Zentrum von Hiroshima gedreht wurden – sind mit Worten kaum zu fassen und mit keinem vorherigen Waffeneinsatz vergleichbar. Die Menschen waren nicht vorgewarnt, und bis heute sind die Spätfolgen, die schweren Erkrankungen tausender verstrahlter Menschen, an denen die meisten längst vorzeitig verstorben sind, in Japan präsent.

Umso eindringlicher appellierten viele Demonstranten in Japan nach dem Reaktor-GAU von Fukushima, die Gefahren im Umgang mit Atomkraft nicht herunterzuspielen. Aber die Politik und die Betreiber von Atomkraftwerken sträuben sich dagegen, ihre gut geölte Verzahnung, die über Jahrzehnte den Ausbau der Nutzung von  Atomkraft den Japanern als notwendig und sicher verkauft hat, zu revidieren und z.B. Kurs auf den Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien zu nehmen.

Merkwürdigerweise wurden die an den Spätfolgen leidenden Opfer von Hiroshima und Nagasaki jahrzehntelang in der Öffentlichkeit eher versteckt und fast wie Unpersonen behandelt. Warum? 1. Sie erinnerten die Japaner an die schwere Niederlage am Ende des Zweiten Weltkrieges. 2. Sie erinnerten an die gefährlichen Wirkungen freigesetzter radioaktiver Strahlung, und die wollte man von offizieller Seite möglichst verdrängen.

Man lernt daraus, wie nicht nur von Einzelpersonen, sondern auch kollektiv von ganzen Nationen unangenehme Erinnerungen verdrängt werden können. Das gibt es nicht nur in Japan, sondern überall auf der Welt, wo Menschen sich schwer damit tun, sich einer schmerzlichen Wahrheit zu stellen. (siehe auch >Köln-Notizen #4)

In Deutschland hatten wir z.B. die von Hindenburg freigesetzte Dolchstoßlegende: Der Erste Weltkrieg sei nicht durch eine militärische Niederlage verloren gegangen, die Hindenburg &Co zu verantworten hatten, sondern die Revolutionäre in der Heimat hätten der deutschen Front von hinten einen Dolchstoß versetzt und damit die Niederlage verschuldet. Hindenburg log sich und Ludendorff damit aus der Verantwortung und belastete für die Folgezeit das politische Klima der Weimarer Republik. Und viele Deutsche glaubten gern, dass ihre Helden-Armee „im Felde unbesiegt“ gewesen sei. Sie wählten Hindenburg später sogar zum Reichspräsidenten!

Nach diesem Muster versuchten sich in Deutschland immer wieder braun-verseuchte Köpfe an der Konstruktion einer „Auschwitz-Legende“. Nach dem Verdrängungs- und Nicht-Wahrhaben-Wollen-Prinzip wurden die Opferzahlen der Nazi-Mordindustrie heruntergespielt. Man baute darauf, dass viele Menschen gerne die verbrecherische Grundrichtung des Nazi-Regimes verdrängen wollten. Das hat aber nur bei Wenigen funktioniert.

Übrigens darf man froh sein, dass Hitler nicht über die Atombombe verfügte. Er hätte seinen Satz „Wir werden ihre Städte ausradieren“ hemmungslos in die Tat umgesetzt. Man darf froh sein, dass der Zweite Weltkrieg in Europa schon im Mai 1945 mit der deutschen Kapitulation zu Ende war – sonst hätten die USA die Bombe zuerst bei uns eingesetzt.

Man lernt daraus – oder sollte das zumindest daraus lernen: Krieg ist Mist, und wem immer er im Einzelfall auch Nutzen bringen mag, die Verlierer und Leidtragenden sind immer die große Mehrheit der Menschen. Das haben wenigstens die Menschen in Europa weitgehend kapiert. Und darum hat Köln auch einen Friedenspark: Den findet man am Ende der Südstadt in Rheinnähe, wo vom ehemaligen preußischen Befestigungsgürtel Kölns ein Fort übriggeblieben ist. Wenn man dort spazierengeht, den Frieden genießt und die Kinder spielen sieht, dann wird einem wohler.

W. R.

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