WAR Hitler ein Patriot? Sind heutige Machthaber wie Putin, Xi Jin Ping, Netanjahu oder Chamenei Patrioten?
Was ist überhaupt ein Patriot? Vom Wortsinn ist es einer, der sich für sein Vaterland engagiert. Was heißt das genau, für den Staat, in dem er lebt, oder für seine Landsleute als Volk dieses Staates oder dieser Nation?
Wir hören von rechtsgerichteten oder Rechtsradikalen in Deutschland (und anderswo), dass sie sich als Patrioten bezeichnen. Und sie reklamieren für sich, dass völkisches Denken dasselbe sei wie Patriotismus. Aber stimmt das?
Wer den Nationalsozialismus nicht ablehnt und insgeheim oder offen für Hitler schwärmt, der übersieht einen kritischen Punkt: Hitler und seine Kumpanen redeten zwar viel von Volk und Vaterland, aber sie hatten keine Skrupel, in diesem Volk mit Gewalt, Folter und Mord zu wüten, wenn sie ihre Macht bedroht glaubten. Es ging ihnen nicht darum, die Deutschen an sich zu stärken und zu fördern, viel wichtiger war ihnen der Machterhalt. Dafür mussten viele Menschen über die Klinge springen, selbst eigene Gefolgsleute. Dafür genügte manchmal schon eine Denunziation.
Und so sah Hitler denn auch am Kriegsende nicht nur seine Herrschaft, sondern auch das ganze Deutschland untergehen, ja er erließ sogar den sogenannten Nero-Befehl, dass die Lebensgrundlagen vernichtet werden sollten. Seine Begründung: Das deutsche Volk habe sich als schwach erwiesen und verdiene nicht zu überleben. In der Nazi-Logik gab es nur den Kampf ums Überleben, das Starke stürzt das Schwache. Da war kein Platz für ein friedliches Miteinander, das Schwache verdiente den Tod.*
Hitler verachtete am Ende das deutsche Volk, das angeblich (d.h. in seiner völkisch-rassistischen Sicht) zu schwach war und sich von den alliierten Kriegsgegnern besiegen ließ. Das, liebe Völkischdenkende, ist die Kehrseite der völkischen Weltanschauung. Wollt Ihr das wieder aufleben lassen, wollt Ihr im Zweifel untergehen? Findet Ihr toll, am Ende quasi als Nibelungen im Kampf vor die Hunde zu gehen?
Wenn Ihr glaubt, die sozialdarwinistische Sicht auf die Menschheit sei ein Leitprinzip, dann denkt mal richtig nach. Darwin fand das Prinzip des „survival of the fittest“ in der Evolution des Lebens auf der Erde. Das bedeutet aber nicht den ständigen Kampf Aller gegen Alle. Also: kein ewiges Gemetzel, sondern über Jahrtausende und Jahrmillionen ständige Mutationen im Erbgut der Lebewesen. Von diesen Mutationen ändern manche gar nichts, einige aber schon — zum Nachteil oder auch zum Vorteil des Individuums, das sich wie die anderen weiter fortpflanzt und über eine lange Reihe von Nachkommen vielleicht einen Überlebensvorteil erlangt, oder das Gegenteil. Der Mensch, mit seinen rein körperlichen Fähigkeiten vielen Tieren nicht gewachsen, entwickelte über weite Zeiträume ein Gehirn, das — nein nicht wegen seiner Größe, sondern — wegen besonderer sozialer Fähigkeiten wie Zusammenarbeit und Zusammmenhalt in einer Gruppe in der Lage war, eine differenzierte Sprache auszubilden und damit die sozialen Kompetenzen weiter zu verfeinern. Damit glichen die Menschen der Frühzeit ihre Nachteile gegenüber großen Raubtieren weitgehend aus. Diese Kompetenzen hoben den Menschen aber noch nicht deutlich aus dem Rest der Lebewesen hervor, denn auch einige Affenarten zeigen ein ähnliches Gruppenverhalten und ähnliche Kompetenzen. Darum nannte man sie Menschenaffen. Und die Forschung hat uns in neuerer Zeit immer neue Erkenntnisse über Tierarten geliefert, die wir bis dahin unterschätzt hatten, Tierarten, die (für uns Menschen erstaunlich) viel Intelligenz und Sensibilität zeigen (wenn man offen für eine vorurteilsfreie, neutrale Beobachtung ist). Was den Menschen (wir müssen vorsichtig sagen: nach heutigem Wissen) aus der „Tierwelt“ herauszuheben scheint, ist sein Bewusstsein und seine Fähigkeit zur Selbstreflexion, zum Nachdenken über sich, die Welt, den Sinn des Lebens, usw.
Der Mensch hat leider dennoch auch die Fähigkeit, wider besseres Wissen plötzlichen Emotionen zu folgen, und er folgt oft auch egoistischen Vorteilsaussichten, ohne Rücksicht auf die Folgen zu nehmen. Er folgt dabei nur einem Raubtier-Instinkt. Und das ist gerade kein Grund, den Menschen über ein Raubtier auf eine höhere Stufe der Entwicklung zu stellen.
Das, liebe BesucherInnen dieser Website, halte ich für ein realistisches Menschenbild. Beweis: Wir erleben eine menschengemachte, nie zuvor erlebte, galoppierende Klimakrise. Doch mächtige Interessengruppen torpedieren internationale Zusammenarbeit, wenn sie wirksame Maßnahmen gegen diese Klimakrise beschließen und umsetzen will. Diese egoistische Politik verhindert ein gemeinsames Handeln für ein gemeinsames Ziel: das Wohl aller Menschen auf diesem Planeten.
Und weil der Mensch wie ein Raubtier handeln kann (und es oft tut), darum befinden wir uns genau da, wo wir sind: in einer Welt, in der immer wieder Gewalt aufflammt und bewaffnete Konflikte ausgelöst werden — all die gegenwärtigen Konflikte und Kriege auf dem Globus, die alle wider besseres Wissen vom Zaun gebrochen und gekämpft werden. Aber die Machthaber und Kriegsherren nutzen die emotionale Verführbarkeit der Menschen, um sie gegen andere Menschen aufzuwiegeln.
Ist das etwa ein evolutionärer Vorteil? Wem nützt es, dass Menschen sich massenhaft gegenseitig abschlachten? Nach zwei Weltkriegen war die Menschheit bereit zum Innehalten und Nachdenken, worauf sie u.a. 1945 die Vereinten Nationen (UN) gründeten: Sie sollten Frieden bewahren und zur friedlichen Lösung von Konflikten beitragen. Das gab Hoffnung auf eine friedlichere Zukunft, doch die wurde nur teilweise erfüllt, und inzwischen verdüstert sich der vormals hoffnungshelle Horizont. Wir erleben, wie Menschen massenweise wieder auf alte, eigentlich überholte Parolen und Ideen hereinfallen und sich aufhetzen und auf Schlachtfelder führen lassen. Über neue Kommunikationswege (Internet, social media) werden abgestandene (Macho-)Leitbilder verbreitet, werden dumpfe Gefühle aufgeputscht gegen klares Denken und abwägenden Verstand. Das ist eindeutig ein Rückschritt für den Homo Sapiens.
Es gibt aber noch genug Menschen, die sehen, was Patriotismus wirklich bedeutet: sich friedlich für sein Land einsetzen, dabei nicht nur die eigenen, sondern auch die Interessen der Nachbarländer sowie der Handelspartner in aller Welt berücksichtigen im Gespräch und in Verhandlungen. So kommt man in der heutigen Welt am weitesten, ohne Drohgebärden, ohne Krieg. Nur muss man sich leider auch gegen unbelehrbare Machthaber schützen, die mit den Rezepten aus früheren Jahrhunderten kochen und ihren Machtbereich mit Gewalt und Krieg erweitern wollen.
Dabei hat die deutsche Geschichte gezeigt, dass man so am Ende verliert, dass man aber — wie Westdeutschland nach 1948 — mit friedlichen Mitteln und kluger Politik einiges mehr erreichen kann, und vor allem: ein besseres Leben für die große Mehrheit der BürgerInnen. Letzteres steht gerade bei selbsternannten Patrioten nicht oben auf der Prioritäten-Liste. Und wenn alles in Scherben fällt, zucken sie die Achseln und tun unschuldig.
Also, liebe Leute: Erst nachdenken, Hirn einschalten und sich nicht von Herdentrieb und Brüllaffen in eine Katastrophe treiben lassen. Seid Menschen, seid wahre Patrioten!
W. R.
* Siehe auch den Beitrag vom 02.10.2020: „Liebe Faschisten?“

