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Leiden am Homo Sapiens

Was der Homo Sapiens sich derzeit auf dem Globus leistet, spottet mal wieder jeder Beschreibung. Nein, ich meine jetzt nicht die Leute, die immer noch den Klimawandel leugnen und beharrlich gesicherte Erkenntnisse der Wissenschaft als Lüge ablehnen, weil ihnen die Entlastungslügen der Profiteure an der Verbrennung fossiler Energie besser gefallen. Da können ganze Landstriche absaufen oder ausdörren, da können zu stark erwärmte Meere immer mehr katastrophale Wettereignisse auslösen, Gletscher in nie gesehenem Tempo abschmelzen… Nein, nein, das ist kein extremer Klimawandel, nur normale Schwankung, und schon gar nicht von Menschen gemacht… Parole: Augen zu und an den Weihnachtsmann glauben!

Wenn ich davon rede, was sich Homo Sapiens derzeit leistet, meine ich im Besonderen das, was in den letzten Wochen unsere Nachrichtensendungen beherrscht: die Gewaltausbrüche und Kriegshandlungen des Homo Sapiens, sowohl von Einzelpersonen wie von staatlichen Akteuren. Man kann sich nur noch die Haare raufen, wenn der angeblich vernunftbegabte Homo Sapiens (wie er sich stolz nennt) Amok läuft, Hass und Hetze verbreitet und diese als Ansporn zu Gräueltaten konsumiert, wie er mit Anderen Hassparolen schreit und sich einem gewalttätigen Mob anschließt, wie er auf Gewalttaten gegnerischer Horden mit noch mehr Gewalt reagiert und ständig nur noch nach Rache und Vergeltung ruft…

Die Menschheit hat mit solchem Verhalten schon so viele Erfahrungen gemacht, dass Beobachter von außen, sagen wir mal: außerirdische Besucher, annehmen könnten, diese Erfahrungen müssten gerade den Homo Sapiens mit seinem geistigen Anspruch endlich dazu bringen, dieses ganze Gewalt-Theater zu hinterfragen und dessen entsetzliche Sinnleere zu erkennen.

Die Geschichte lehrt uns, dass diese Erkenntnis schon lange gereift ist, aber leider nur bei einzelnen, nachdenklichen Menschen, zeitweise sogar bei einer größeren Zahl von Einsichtigen. Doch diese waren nie zahlreich genug, waren nie in einer überwältigenden Mehrheit. Und obwohl es Zeiten gab, in denen die allermeisten Menschen sich nur nach dauerhaftem Frieden sehnten, wurden doch immer wieder Konflikte vom Zaun gebrochen und angeheizt, wurde kalkuliert Hass gesät, wurden Feindbilder aufgebaut, wurde zu Gewalt aufgerufen…

Das Schauspiel, das zurzeit etwa der Nahe Osten bietet, ist jenseits aller Phantasie von Romanautoren. Aber auch die brutal realisierten Großmachtphantasien der russischen Führung tragen Züge des menschenfeindlichen Wahnsinns, und wenn man auf Putins engste Verbündete schaut, dann sieht man ähnliche Gesinnungen von Machtbesessenheit und Rücksichtslosigkeit gegenüber Menschen und Menschenleben.

Wladimir Putin, Xi jin Ping, Kim Jon Un reichen sich nicht nur bei persönlichen Treffen die Hand für die Kameras, sie sind sich auch in der Gesinnung einig, Machtziele über das Leben von tausenden von Menschen zu stellen. Das haben Autokraten und Diktatoren leider so an sich. Wenn sie erst einmal an der Macht sind, geben sie sie nicht mehr her, im Zweifel werden noch mehr Gefängnisse für Kritiker gebaut, werden Gegner umgebracht, wird die Bevölkerung überwacht und mit ständiger Propaganda zum Glauben an die Stärke und Weisheit der Führer „erzogen“.

Die Idee der Menschenrechte, in Europa vor Jahrhunderten gereift und in vielen Aufständen und Revolutionen politisch wirksam geworden, hat sich in den sogenannten westlichen Ländern weitgehend durchgesetzt und zur Bildung von Regierungssystemen geführt, die mehr oder weniger demokratisch sind und nicht nur durch Beteiligung der Bevölkerung in Wahlen, sondern auch durch Gewaltenteilung die staatliche Macht in kontrollierten Grenzen halten und damit die Alleinherrschaft von Personen, Gruppen oder Parteien verhindern oder zumindest erschweren.

Auf ihre unbeschränkte Macht pochende Herrscher oder Gruppen lehnen folgerichtig die Idee der Menschenrechte ab und verabscheuen Demokratie. In China behaupten Machthaber seit Langem, die Menschenrechte seien der eigenen Kultur fremd und passten nicht nach Asien. Russlands Machthaber Putin hasst Demokratie geradezu und fasste daher vor Jahren den Entschluss, die Ukraine als Staat zu vernichten bzw. in ein russisches Imperium zurückzuholen, nachdem dort eine Revolution stattgefunden hatte und eine Mehrheit sich von Russland ab- und der EU zuwandte.

Von Nordkorea ist bekannt, dass die von Stalins Kommunismus geprägte Führung gnadenlos ihre absolute Macht ausübt und im Zweifel die Priorität statt auf ausreichende Ernährung der Bevölkerung lieber auf militärische Hochrüstung und ein Programm zur Entwicklung von Atomwaffen legt.

Wenn wir auf den Iran blicken, dann sehen wir dort Züge eines Regimes, das Ähnlichkeiten mit den vorgenannten aufweist. Als ideologische Stütze dient hier nicht eine geschönte Vergangenheitsidee von wiederzuerrichtender Großmachtstellung, auch nicht eine kommunistisch gefärbte Herrschaftsidee, sondern das Prinzip Gottesstaat. Dort bestimmen die obersten Verwalter der Religionsinhalte, was Gottes Wille sei und was das politisch zu bedeuten habe. Die Bevölkerung wird von „Religionswächtern“ überwacht und mit Verhaltens- und Kleidungsvorschriften drangsaliert, besonders die Frauen.

In Ländern, in denen eine rigide Staatsführung herrscht, will diese ihren Machtbereich möglichst umfassend kontrollieren und daher möglichst uniformieren. Autoritäre Führer haben ein Problem mit Minderheiten, sowohl mit ethnischen Minderheiten in ihrem Staatsgebiet als auch mit Gruppen, die in religiösen Fragen, in der Lebensführung, in der sexuellen Orientierung nicht einem verordneten Einheitsbild entsprechen.

Wir erleben in Deutschland ja auch aktuell, dass es Menschen gibt, die autoritäre Führer gut finden und deshalb auch eine Abneigung gegen alle von einer gedachten Norm abweichenden Lebensentwürfe und Denkweisen entwickeln.

Diese Vorstellung vom gesellschaftlichen Einheitskorsett herrschte bekanntlich besonders im Mittelalter, und daher ist es kein Wunder, dass sich damals auch der Antisemitismus festsetzte, gefördert von der christlichen Kirche. Die Kirche spielt da inzwischen nicht mehr mit, aber weltliche Ideologen kaperten diese Auffassung von der Ausgrenzung und benutzten sie als Hetz- und Ablenkungsmittel für die Menschen, die sich über die politischen Verhältnisse beschweren wollten oder könnten. Diese perfide Strategie gipfelte in dem Spruch „Die Juden sind unser Unglück“, womit man die Menschen für dumm verkaufte und sie von den wirklichen Machtverhältnissen in Politik und Wirtschaft ablenkte.

Im russischen Zarenreich verfiel der Geheimdienst auf die Idee, zur Ablenkung der Kritik an der Zarenherrschaft und den gesellschaftlichen Verhältnissen die Mär von einer jüdischen Weltverschwörung zu erfinden. Um das Phantom einigermaßen glaubhaft in die Welt zu lancieren, setzten sich einige Geheimdienstler hin und schrieben ein Buch, das sie mit dem Titel „Die Protokolle der Weisen von Zion“ in Umlauf brachten — ein angebliches Originaldokument, in Wahrheit eine dreiste Fälschung mit dem Ziel, Juden zu diskreditieren und unter Generalverdacht als Staatsfeinde zu stellen.

Heute würde man das Fake News nennen, aber auch heute fallen ja Viele auf erfundene Nachrichten herein, vor allem auf solche, die im Netz kursieren und so tun, als verbreiteten sie wahre Nachrichten, die von den (gewissenhaft berichtenden) Medien bewusst verschwiegen würden. Bekanntlich wird das Netz inzwischen mit Falschmeldungen geradezu überschwemmt, die meist von autoritären Machthabern im Ausland veranlasst sind, um uns zu verwirren, zu verunsichern und gegeneinander aufzuhetzen.

Homo Sapiens macht sich selbst das Leben, vor allem das Zusammenleben mit anderen Menschen, unnötig schwer, indem er/sie oft das Trennende zu sehr in den Blick nimmt und darüber vergisst, dass alle Menschen auf dieser Erde viel mehr Gemeinsames verbindet, als es je an Unterschieden geben könnte.

Um den oben zitierten Spruch zurechtzurücken: Nicht die Juden, auch nicht irgendeine sonstige ethnische oder religiöse Gruppe ist unser Unglück; unglücklich macht sich Homo Sapiens mit den künstlich aufgebauschten Unterschieden, mit den Schubladen, in die Menschen einsortiert und mit denen sie oberflächlich bewertet werden. Unser Ungück sind Ausgrenzung, Diffamierung, Gewalt gegen Menschen, oder anders gesagt: Wir machen uns unglücklich mit einer Welt voller trennender Grenzen, in der wir alle diejenigen ablehnen, die nicht unserem Selbstbild entsprechen. Und, Hand auf’s Herz: Unser Selbstbild ist doch mehr oder weniger geschönt, die Schatten im Bild schieben wir gern von uns weg und projizieren sie auf Andere.

Genauso wie manch ein Mensch ein realistisches Selbstbild nicht ertragen kann, so kann er auch nicht ertragen, dass er an anderen Menschen Züge erkennt, die er bei sich selbst leugnet. Daher neigen Viele dazu, Fremden negative Eigenschaften zuzuschreiben: Sie wollen selbst gut dastehen, einen schlechten Charakter haben nur Andere. Sie machen nie wirklich Fehler, die sehen sie aber umso deutlicher bei Anderen…

W. R. (ein Homo Sapiens, keine KI)

P.S. Aufmerksame BesucherInnen dieser Website fragen sich wohl, was die Überschrift dieses Beitrags meint. Wer ein wenig über den Inhalt nachgedacht hat, kommt von selbst darauf — oder erinnert sich vielleicht an den schon vor Jahren gehörten Witz:

Treffen sich zwei Planeten. Sagt der eine: Oh-oh, ich leide an Homo Sapiens. Sagt der Andere: Das geht vorbei.

Grundsätzliche Bemerkung am 09.10.24:

Man hört und liest Sätze wie: „Der Hass auf Juden ist größer geworden.“ Das, lieber Nachbar-Homo-Sapiens, musst Du mir erklären! Wie kannst du jemanden hassen, wenn der dir nichts getan hat, der nicht gegen deine Interessen handelt, der einfach nur sein Leben als normaler Bürger leben will so wie du? Erklär mir dein Motiv zu hassen!

Ich höre Gestammel und allgemeine Ausflüchte in Aussagen über „die Juden“. Die sind aber an den Haaren herbeigezogen, und wenn ich nachfrage, was ihn persönlich stört, ist er weiter in Erklärungsnot und brabbelt was von „Man weiß doch…“ und „Schon lange…“ Darauf sage ich: „Man weiß doch, dass der ganze rassistische Unfug keine reale Basis hat, dass Juden Menschen wie wir sind — und nicht nur Juden…“ Da wird er verlegen, setzt noch zu einer Erwiderung an, wendet sich aber ab und trollt sich.

Habe ich ihn überzeugt? Ich vermute, eher nicht. Denn Vorurteile hat der Homo Sapiens nur, weil er sie haben will, nicht etwa aus guten Gründen, sondern aus Dünkel und Denkfaulheit. Ja, so ist es leider, Herr Nachbar. Ab und zu sollte man mal seine Einstellungen überprüfen und überlegen, ob sie noch auf der Höhe der Zeit bzw. des allgemeinen Wissens sind. Und ob sie dem eigenen, behaupteten Standard von Menschlichkeit entsprechen.

Aber dazu gehört, dass man überhaupt bereit ist zum Nachdenken… Wenn der Nachbar dazu nicht bereit ist, sucht er sich lieber Gesellschaft, wo er in seinen Vorurteilen bestärkt wird. Damit er sein Denkvermögen nicht anstrengen muss.

Man weiß doch: Auch so isser, der Homo Sapiens.

Narren in der Mehrheit?

Was vielen Menschen auf dieser Erde längst klar ist, muss man einigen doch immer wieder sagen: Gewalt ist keine Lösung, sondern der Schritt zu weiterer Gewalt und Gegengewalt, einer Spirale, die aus der Logik der Gewalttäter heraus niemals enden kann.
Zwei Meldungen der letzten Wochen aus dem Nahen Osten sind Beweise dafür, dass Gewalttätigkeit, und besonders Terrorismus, kein Problem löst, sondern Probleme nur verschärft.
Meldung 1: Die Friedensaktivistin Vivian Silver wurde am 07.10. bei dem Hamas-Gemetzel gegen friedliche Zivilpersonen getötet. Sie war eine Frau, die Versöhnung und tätige Hilfe für die Schwachen auch bei den Palästinensern auf ihre Fahne geschrieben hatte und für Menschlichkeit eintrat. Dazu gehörte für sie auch die Realisierung der Zwei-Staaten-Lösung zur Befriedung des Nahost-Konflikts. Ihre Ermordung führt den Irrsinn der Hamas-Terroristen vor Augen: Sie wollen nichts als Feindschaft und Hass zwischen Israelis und Palästinensern, sie wollen auf keinen Fall Frieden, denn ihr Kernprogramm beinhaltet die Vernichtung Israels.
Meldung 2: Bei den Kämpfen der israelischen Armee gegen die Hamas im Gaza-Streifen erschossen israelische Soldaten gezielt drei von der Hamas entführte Geiseln — aus Versehen. Auch das zeigt symbolisch den Irrsinn eines Krieges, in dem ohnehin nicht nach allgemeinen Kriegsregeln gehandelt wird. Denn die Hamas ist gar keine reguläre Armee, sondern eine Miliz. Und die Hamas versteckt sich mit voller Absicht in und unter zivilen Einrichtungen, die normalerweise in einem Krieg geschont werden (sollen). Um ihren Terror in Israel zu relativieren, provoziert die Hamas bewusst Bilder, die die israelische Seite vor der Welt in ein schlechtes Licht rücken und das Leiden der Bevölkerung allein den Israelis anlasten sollen.
Schon vor vielen Jahren konnte man, wenn man unvoreingenommen dachte, den Wahnsinn der immer wieder versuchten, gewaltsamen Lösungen erkennen. Inzwischen mischt aber aus dem Hintergrund ein Player mit, der ebenfalls seine Bevölkerung aufhetzt und in vom Staat organisierten Demos die Vernichtung Israels fordern lässt. Ihr wisst: Gemeint ist die Führung des Iran, eines sogenannten Gottesstaates, die ernsthaft behauptet, ihre Absichten seien aus der Religion begründet.
Aber was passiert in anderen Teilen der Welt? Autokraten kommen an die Macht, schwadronieren von neuer nationaler Größe (Ein alter Hut, der schon Hitlers Hauptargument war, ihn zu wählen und ihn Diktator werden zu lassen). Man serviert den Massen alte Kamellen als neues Rezept und Allheilmittel, man kehrt unter den Tisch, dass diese Kamellen ausgelutscht sind und sich als unverträglich erwiesen haben, weil die „starken Männer“ die Nation ins Unglück geführt haben.
Aber lernt die Menschheit aus der Geschichte? Anscheinend gilt das nur für eine Minderheit; die Mehrheit fällt auf (Ver-)Führer herein, die den Hoffnungsvollen nach dem Munde reden und sich als Heilsbringer darstellen. „Was man wünscht, das glaubt man gern,“ sagt ein altes Sprichwort. Wie wahr! Da kann man gleich an Superman oder den Weihnachtsmann glauben.
Und so glauben Menschen wider besseres Wissen immer wieder, Gewalt könne helfen und die Welt besser machen. Was für Narren! So wird das nichts mit dem Weltfrieden. Wie denn dann?

Erstmal sollten Millionen von Männern weltweit mal innehalten und sich fragen: Das traditionelle Männlichkeits-Verständnis, zu dem Kraftmeierei, Aggressivität, Drohungen und Gewaltbereitschaft gehören — passt das überhaupt zusammen mit Lippenbekenntnissen zu Menschlichkeit, Schutz der Schwachen, Verständigungsbereitschaft? Des Weiteren sollten sich alle Menschen fragen, ob diese Macho-Kultur uns jemals weiter gebracht, oder ob sie immer nur zur Eskalation von Konflikten beigetragen hat. Vielleicht bekommen wir dann mehr Verständige und weniger Narren…

W. R.

Nachtrag am 02.01.2024: Wenn Menschen nichts Vernünftiges aus der Geschichte lernen, dann rennen sie in dieselben Fallen hinein wie schon Viele vor ihnen. Das führt uns dieser Tage auch der Narr Putin vor Augen.

Haben wir nicht im Zweiten Weltkrieg gesehen, dass die Briten vergeblich versuchten, mit ihren Bombardements von Wohnvierteln die Moral der Bevölkerung zu brechen? Diese Bemühungen bewirkten nicht, den Krieg zu verkürzen oder zu beenden. Diese ganze Luftkriegsstrategie fußte auf einer Fehlkalkulation des britischen Oberkommandos, in Person repräsentiert von Luftmarschall Harris.

Und was macht Putin seit Beginn seines Eroberungskrieges gegen die Ukraine? Seine Bomben, Raketen und Drohnen treffen alles Mögliche inklusive Wohnblocks und zivile Einrichtungen, er macht da keinen Unterschied, lässt aber stereotyp immer verlautbaren, man habe nur militärische Ziele getroffen und zerstört. Das sind Lügen, die kein Mensch mit intaktem Verstand glaubt. Denn offensichtlich führt Putin einen rücksichtslosen Vernichtungskrieg gegen das Land. Nicht einmal vor immens hohen Verlusten in den eigenen Reihen macht er halt. Sein heimliches Vorbild Stalin hat auch so Krieg geführt, Menschen waren ihm egal.

Putin, der in Hinterhofschlägereien und dann im Geheimdienst sozialisierte Machtmensch, lernt nichts Vernünftiges aus der Geschichte. Das sieht man an seinen eigenen, offiziellen Reden und Schriften über die russische Geschichte. Er fabuliert von der „russischen Welt“, in der alle Gebiete zusammmengehören, wo (zumindest teilweise) Russisch gesprochen wird. In unguter Tradition geht es dabei nur um Territorium, das Russland vergrößern soll, nicht aber um die Menschen und deren Wohlergehen. Putins „Helden“ sind die Zaren, die ohne Rücksicht auf Menschen „russische Erde“ sammelten und Russland territorial vergrößerten, und in dieser Reihe sieht er auch Stalin.

Wenn Machthaber eine glorreiche Vergangenheit bemühen, ist Misstrauen angebracht. Putins geistig-moralische Rolle rückwärts mit ihren blutigen Folgen sollte dieses Misstrauen schärfen. —

Nachtrag am 06.01.24: Oben war von Wahnsinnigen, aber auch von vielen Narren die Rede. Wenn man den Meldungen Glauben schenkt, die der AfD zurzeit hohe Umfragewerte zusprechen, dann fragt man sich schon: Sind diese Leute der Vernunft überdrüssig? Wollen die nur noch aus dem Bauch entscheiden? Das ist besonders in der Politik gefährlich, und auch sonst nicht immer angebracht. Denn als Mensch mit etwas Reife und Lebenserfahrung müsste Einem klar sein, dass man seinen Verstand nicht an der Kasse abgeben darf, und dass Politik nicht bloß eine Amüsier- und Dampfablass-Veranstaltung ist.

Wir müssen nicht unbedingt in die USA blicken, wo ein pöbelnder Politiker mit Lügen und Hassreden immer noch hohe Zustimmungswerte erzielt und seine Anhänger ihm sogar Spenden zukommen lassen, mit denen er seine teuren Anwälte in zahlreichen Prozessen bezahlt. Da wollen immer noch eine Menge Leute Trump wieder zum Präsidenten machen — was bedeutet, dass sie gegen die Demokratie in ihrem Lande stimmen wollen und Politik lieber den Großmäulern und Rechtsbrechern überlassen.

Und bei uns breitet sich anscheinend auch so eine Trumpisten-Mentalität aus, die verächtlich auf Demokratie und Rechtsstaat blickt und die Herrschaft eines „starken Mannes“ gut findet (weil man da nicht mehr denken muss und der Führer sagt, wo’s lang geht). Bertolt Brecht schrieb dazu einmal den Satz: „Die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber.“ Die Vorhut dieser Kälber taucht in der Öffentlichkeit auf, wenn hochrangige Politiker zu Besuch kommen: Da tritt eine Abordnung von Brüllaffen auf, die „Haut ab, haut ab!“ und „Volksverräter“ rufen.

Da geht es offenbar nicht um Argumente, sondern um Störung und Chaos. Sowas kennen die sehr Alten unter uns noch aus Anfang der 1930er Jahre, die Jüngeren aus historischen Dokumentationen, in denen auch Auftritte der SA gezeigt werden. Fragt sich nur, ob genug Leute das Richtige aus der Geschichte gelernt haben und wissen, was dagegen zu tun ist — bevor es zu spät ist. Leider sehen manche Politiker noch immer nicht klar: Sie befürworten harte Strafen gegen „Klimakleber“, wollen den Rechtsstaat aber nicht gegen andere Verkehrsblockaden und Übergriffe in Stellung bringen…

Da fragt man sich wie in der Überschrift dieses Blog-Beitrags: Sind auch dort die Narren in der Mehrheit? —

Nachtrag vom 08.03.24 zu Meldung 1 (oben): Inzwischen haben uns etliche Nachrichten über weitere Details des Gemetzels vom 7. Oktober erreicht. Daraus ergibt sich zwingend ein Bild, das das Vorgehen der Hamas-Beteiligten als gezielt frauenfeindlich zeigt. Nicht nur im oben erwähnten Fall, sondern in dem ganzen Überfall haben sie sich besonders brutal gegen Frauen gezeigt. Und das hatte System, es war nicht Auswuchs eines spontanen Ausbruchs.

Angesichts dieser extremen Frauenfeindlichkeit sehe ich die Bilder von Demonstrantinnen in Europa mit Befremden, die nach dem Hamas-Überfall Schilder hochhalten mit der Parole „From the river to the sea“, womit das Hamas-Ziel artikuliert wird, Israel auszulöschen und das ganze Gebiet den Palästinensern zu geben. Wenn diese Frauen nicht weiter fanatisch der einseitigen Hamas-Doktrin folgen, sondern auch andere Informationen an sich heranlassen, müssen sie nachdenklich werden, und das nicht nur am Weltfrauentag.

Und die männlichen Demonstranten? Wollen sie rückhaltlos die frauenfeindliche Mörderbande unterstützen? Finden sie das okay, würden sie ähnlich handeln? Wollen sie die Gräueltaten entschuldigen mit Verweis auf Unrecht und Gewalt auf israelischer Seite? Dann wäre da wohl auch eine große Portion unkritischer Fanatismus festzustellen.

Es spricht schon Bände, wenn die laute Kritik an Israel mit keiner Silbe die Gräueltaten der Hamas erwähnt. Damit erwecken die Israel-feindlichen Aktivisten den Eindruck, es ginge ihnen gar nicht um Menschen und Menschlichkeit, sondern allein um politischen Aktionismus. Und für außenstehende Beobachter entsteht der Eindruck: Diese radikalen Israel-Feinde reden im selben, unversöhnlichen Geist wie Netanjahu und seine rechten Spießgesellen. Anders gesagt: Man gibt sich keine Mühe, wenigstens so zu erscheinen, als ginge es einem auch um Menschlichkeit, Empathie, und Vermeidung von Leid. Und um die Menschen. die die Hamas verschleppt hat, scheint sich kein Akteur wirklich kümmern zu wollen…

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Iran, Afghanistan, Pakistan… besonders in diesen Ländern unterdrücken Machthaber und ihre Gehilfen die Frauen, angeblich im Namen der Religion, angeblich im Namen religiöser Prinzipien. Dabei folgen diese Islamisten nicht dem Beispiel des Propheten (mehr dazu siehe >Höheres), sie verwechseln Männerherrschaft mit Gottes Willen. Religion wird zum Machtinstrument, der Iran zeigt es deutlich. Wie alle autoritären Machthaber machen sie ausländische Mächte für die Proteste verantwortlich und kriminalisieren die Kritik an ihrem Regime. Dabei mischen ihre Trolls im Internet mit und verbreiten Diffamierungen und Fake News gegen ihre Kritiker, auch wenn sie ins Ausland geflohen sind.

Was können Beiträge wie dieser hier, oder beispielsweise demonstrative Auftritte prominenter Frauen, die sich Haar abschneiden, bewirken? Direkte Wirkungen auf das Regime haben sie nicht, aber sie halten das Thema bei uns in der öffentlichen Diskussion und stärken moralisch die Protestierenden im Iran. —

Nachtrag am 22.10.2022 Die zentrale Frage ist doch: In was für einer Welt wollen wir leben? Wollen wir in dieser Welt, in der real 8 Milliarden Menschen leben (und überleben wollen), immer weiter mit Urgroßvaters Rezepten aus der Steinzeit wirtschaften und ständig gegeneinander um Nahrung, Gebiete, Besitz kämpfen, immer mal wieder auf gut klingende Parolen hereinfallen und Führern blind hinterherlaufen, an Waffen und Gewalt als geeignete Mittel der Durchsetzung glauben, uns egoistisch gegen andere Menschen abschotten, und uns in die Tasche lügen, dass das eben nicht anders ginge? Wollen wir weiter die Verlogenheit mittragen, die behauptet, dass wir in Europa christliche Werte vertreten, dass wir die Menschenrechte ganz hoch achten, dass wir für den Frieden in der Welt eintreten, dass wir Vorreiter von Klima- und Umweltschutz sind?

Wir leben in einem Land, das mit Waffenexporten Geld verdient, das seinen Plastikmüll zum großen Teil in andere Lander transportiert, das … ach, Ihr wisst schon, wieviel Mist vor und hinter den Kulissen läuft. Ihr wisst auch, wieviel über die Regierung gemeckert wird. Die Regierung kann aber nicht besser sein als die, die sie wählen. Wenn z.B. die gegenwärtige Bundesregierung mehr Moral in die Außenpolitik und in die Energiepolitik zu bringen versucht, hat sie automatisch mit starkem Gegenwind zu rechnen — nein, nicht so sehr aus der Bevölkerung, sondern mehr von den Lobbyisten der Wirtschaft und diversen anderen Verbänden, die weiter wie bisher auf Teufel-komm-raus Geld verdienen oder einfach nur störrisch ihre Pfründe verteidigen wollen.

Ich persönlich halte manchmal den Dauer-Meckerern entgegen: Mit den Politikern in Verantwortung möchte ich derzeit nicht tauschen. Die haben kein leichtes Leben, die müssen ständig von irgendwoher Kritik einstecken, in diesen Zeiten auch die Drohungen von diversen Knallköpfen. Dabei kritisiere ich auch Vieles, versuche aber, sachlich zu bleiben und meine Meinung mit Sachargumenten zu begründen.

In was für einer Welt wollen wir denn leben? Wo Einer dem Anderen an die Gurgel geht, wenn ihm dessen Meinung nicht passt? Wo Einer der Anderen Gewalt antut und sie erniedrigt, um vermeintlich seine Männlichkeit zu beweisen? Kann man auf so ein Verhalten stolz sein? Für wie blöde halten uns manche Dummschwätzer? Entweder habe ich Verstand und respektiere die Mitmenschen gleich welchen Geschlechts, gleich welcher Herkunft und gleich welcher Hautfarbe als prinzipiell gleichberechtigt, oder ich habe kein Recht, mich selbst auf verfassungsmäßige Rechte zu berufen oder von Menschenrechten zu faseln.

Und was da gerade im Iran vor sich geht, zeigt: Man kann mit Gewalt die Menschen eine Zeitlang knechten und unterdrücken, aber man kann sie nicht auf Dauer für blöde verkaufen.

Übrigens: Letzteres sage ich auch im Hinblick auf die populistischen Rechtaußen, die in manchen Ländern an die Macht gelangen, nachdem sie den Leuten fremdenfeindliche Parolen und falsche Träume verkauft – oder sich an die Macht geputscht haben.

W. R.