Archiv der Kategorie: Zukunft

Auf Augenhöhe!

SO darf es nicht weitergehen: Was erlauben sich Männer, die über Frauen verfügen wie Sach-Eigentum, die selbstherrlich entscheiden, dass ihre Frau oder Freundin oder Ex nicht mehr leben soll? Geht’s noch, Ihr Schwachköpfe?
Beispiele:
Es geht mir als Mensch (männlich) nicht in den Kopf, wie es sein kann, dass ein Mann in Kenia seine Frau umbringt, weil sie im internationalen Sport Erfolg hat (und er nicht).
Oder, geschehen in Deutschland: Ein Mann bringt seine Frau um, die sich von ihm trennen will — weil er sich in seiner Ehre verletzt sieht.
Da frage ich mich: Was ist das für eine Ehre, wenn mann zum Mörder wird? Sind Frauen in den Augen dieser Männer keine Menschen?
Es geht hier keineswegs um exotische Gesellschaften mit fremden Ehrvorstellungen, denn die Spitze eines Eisberges zeigt ja nur das Unübersehbare, das man nicht leugnen kann. Hier geht es vielmehr um die grundsätzliche Respektierung der Frau NEBEN dem Mann (und nicht irgendwo unter ihm)! Gleichwertig und auf Augenhöhe!
Viele haben sich einreden lassen, dass der Mensch in Schubladen verschiedener Wertigkeit sortiert werden könne, sei es nach Geschlecht, nach Herkunft, nach Hautfarbe, nach Einkommen und Besitz. Alles Unfug! Wer so denkt, der höre auf zu faseln von Menschenrechten oder Gleichheit, der höre auch auf, für sich Rechte zu fordern oder in Anspruch zu nehmen, die er Anderen verweigert! Wer Ungleichheit in der Behandlung von Menschen akzeptiert, darf sich nicht beschweren, wenn er selbst Opfer von ungleicher Behandlung wird.
Kommt mir nicht mit religiösen Begründungen! Die Schöpfungs-Erzählungen in „heiligen Büchern“ wurden von Männern aufgeschrieben und interpretiert. Biologisch ist der Mensch, grob gesagt, in zwei „Baumustern“ entstanden, wobei das Muster „weiblich“ und „männlich“ gleichermaßen notwendig wurde zur Fortpflanzung und zur Erhaltung der Art. Wo ist da eine Begründung für ein Patriarchat?
Übrigens: In der Natur zeigen viele Beispiele auch, dass es kein binäres Prinzip „entweder männlich oder weiblich“ gibt. Wer sich nicht auf „die Religion“ beruft, versucht es ja oft mit „der Natur“. Aber da wissen wir schon lange, dass sich dort auch nicht-binäre Lebewesen tummeln, und dass es „in der Natur“ auch gleichgeschlechtliche Liebe gibt. Ja, diese Natur, die Gott geschaffen hat, kennt eben mehr als nur die eng gefassten Begriffe von Menschen, die ihre Regeln, die sie in ihrer Gesellschaft eingeführt haben, unbedingt als unumstößlich etablieren wollen. Deshalb ist alles angeblich gegen Gott und/oder gegen die Natur, was nicht zu diesen menschengemachten Regeln und Gesetzen passt.
Also, Machos, seid vorsichtig mit Euren Argumenten, macht Euch nicht lächerlich. Gott oder die Natur funktionert nicht nach Euren Wünschen, da helfen auch keine Drohungen und keine Gewalt. Für Euch wird es Zeit, umzudenken und in Frauen Menschen auf Augenhöhe und echte Partnerinnen zu erkennen.
Aufruf an alle Menschen: Verbietet und verhindert Femizide (Mord an Frauen durch Macho-Männer)!
Habt Ihr von der Istanbul-Konvention gehört? Informiert Euch!
Hier der Link: Die Istanbul-Konvention – UN Women Deutschland

W. R.

Mehr über diese Thematik und ihre psychologischen Aspekte finden Sie in der Unterseite >Literatur ….. , dort zum Buch Blaubarts Geheimnis von H. Suhrbier.

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Einwurf: Gehirn einschalten!

EINWURF: Man hört, die AfD sei eine Gefahr für unsere Demokratie. Das ist viel zu sanft formuliert, denn die AfD und die gewaltbereiten Islamisten triggern sich gegenseitig und fördern dumme Kurzsichtigkeit bei ihren Anhängern und Sympathisanten. Beide Seiten sägen am Ast, auf dem wir sitzen: Die Islamisten wollen unsere Freiheit zerstören, ebenso die Rechtslastigen, und das sogar aus ähnlichen Motiven.
Die AfD will, dass im AfD-Staat wieder der Blockwart ums Haus patrouilliert und unser Leben überwacht — genau wie im Gottesstaat auch. Außerdem will die AfD unsere Wirtschaft ruinieren.
Putin gefällt das. Wen das nicht stört, der lege endlich seine Scheuklappen ab, im Zweifel kann man hier im Blog nachlesen, wer Putin ist (siehe „Putin verstehen“, u.a. Beiträge). Und kommt mir nicht mit dem BSW! Ähnliche Masche, von der cleveren Sahra Putinknecht eingefädelt, bei Trump viel abgeschaut und von Lafontaine verfeinert.
Ehe mir übel wird, noch dies: Meine letzte Hoffnung setze ich auf die Vernünftigen, die nicht allein aus dem Bauch heraus politische Entscheidungen treffen, sondern dazu auch ihr Gehirn einschalten.
W. R.

Noch eins: Ich habe nichts gegen Russland-Freundlichkeit, im Gegenteil, ich habe auch Sympathie mit den Menschen in Russland. Aber gerade deswegen kann ich diesen blutigen Möchtegern-Zaren Putin nicht gutheißen. Wieviele Zehntausend junge Soldaten mussten schon für seine Machtfantasien sterben? Wieviele gute Leute mit Gewissen hat er schon in Lager gesteckt oder umbringen lassen? Dieser skrupellose Geheimdienst-Mann an der Spitze des Machtapparates bringt Unheil über Russland.

Übrigens, Ihr Algorithmus-Gesteuerten: Was Ihr in den social media als „russlandfreundlich“ wahrnehmt, ist getarnte Putin-Propaganda, und wer es jetzt noch nicht begreift, der kommt aus seiner Blase eh nicht mehr raus. Merke: Russlandfreundlich sein heißt, gegen Putin sein. Punkt.

Und hallo, Ihr Algorithmus-Gesteuerten und Verschwörungsgläubigen: Den „großen Austausch“ der Bevölkerung gibt es tatsächlich — aber ganz woanders, als Ihr glaubt! Den gibt es in Russland und den von Russland besetzten Gebieten der Ukraine, da werden nicht nur Kinder entführt und weit weg in Russland zu Putin-treuen „Patrioten“ erzogen, da werden Menschen aus Russland in größeren Mengen umgesiedelt und in die Häuser von getöteten oder geflohenen Ukrainern eingewiesen. Putin knüpft damit auch an alte, von Zaren und von Stalin verübte Praktiken an. Auf Menschen und ihre Wünsche wird da grundsätzlich keine Rücksicht genommen, da findet in der Tat ein geplanter und von oben verordneter Bevölkerungsaustausch statt.

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Offen rassistisch

NUN ist wissenschaftlich festgestellt: Rechtspopulisten reden die Welt schlecht, insbesondere die Lage im eigenen Land, und verbreiten miese Stimmung — mit der Folge, dass ihre WählerInnen die Lage düsterer beurteilen, als sie objektiv ist, und auch ihre persönliche Situation negativer sehen, als es vernünftig zu begründen wäre.
Das kann man gut bei den Trump-WählerInnen beobachten, aber auch bei denen der AfD. Missmutig blicken sie in die Welt und lassen sich mental herunterziehen. Da geht es gar nicht mehr um sachliche Kritik, da wird in Bausch und Bogen alles schlecht geredet und abgelehnt. Da wird alles verteufelt, was von der Regierung kommt, von „denen da oben“, die vom Volk gewählt wurden, aber angeblich alle nur an sich denken.
Das kann man weiter fortsetzen, aber es zeigt schon: Die Populisten fördern eine kindliche Naivität, die glaubt, man könne eine schöngeredete Vergangenheit wieder herstellen; die glaubt, ein autoritärer Übervater würde einem die Sorgen abnehmen und alles in (strenge) Ordnung bringen, und dann wäre alles gut.

Zur strengen Ordnungsvorstellung gehört auch, Menschen zu sortieren — nach Hautfarbe, nach „der gehört zu uns“ und „der nicht“. Da soll eine lebendige Lebenswirklichkeit zerstört werden, indem man grob sortiert wie die Bauklötzchen in einem Holzkasten.

Und während die Fußball-Europameisterschaft der Männer im eigenen Land stattfindet und viele Menschen bewegt, kommen ein paar AfD-Köpfe daher, machen uns die eigene Nationalmannschaft mies und fordern de facto zu einem Boykott der „Regenbogenmannschaft“ auf!

Braucht es einen deutlicheren Beweis dafür, dass Rechtspopulisten, wie oben gesagt, miese Stimmung verbreiten, und dass sie sogar offen rassistisch gegen angeblich nicht zu Deutschland gehörende Menschen hetzen?

W. R.

P.S. Wer meint, Pessimismus sei die einzig angesagte Stimmungslage für die Zukunft, der halte einmal inne und denke an positive Fortschritte, an Menschlichkeit und soziale Taten, die sich auch auf dem Konto des Homo Sapiens finden lassen. Es ist nicht alles mies und schlecht und hoffnungslos, sondern… Dazu gibt es nachdenkliche Beiträge wie diesen: >Pessimismus: Warum wir trotzdem an das Gute glauben sollten – Kolumne – DER SPIEGEL

P.P.S., 01.07.2024 Sieht so aus, als könnte Trump noch einmal zum US-Präsidenten gewählt werden. Wenn Trump die Galeonsfigur der „white supremacy“ sein sollte, dann kann man nur feststellen: Die Wahl eines inkompetenten und zugleich großmäuligen Dödels blamiert die selbsternannte „Herrenrasse“ und offenbart einmal mehr den Schwachsinn aller rassistischen Vorstellungen. Aber da es vielen Menschen offenbar gefällt, sich grundlos für etwas Besseres zu halten, ist Rassismus immer noch verbreitet.

Mehr als nur ein bisschen Frieden

Viele Menschen bewegt die Frage: Was ist in der Welt los, wenn gewaltaffine Machthaber zunehmend die Weltpolitik beeinflussen, wenn ihre Kritiker und Gegner gefangen gehalten, gefoltert, umgebracht werden, wenn Machthaber in Wahnvorstellungen von einer Großmachtstellung oder Weltherrschaft Kriege anzetteln und Nachbarländer überfallen… ?
Seht Euch das Gebaren dieser Machtpolitiker an: Vor Kameras spielen sie den „Starken Mann“, der alles (und noch mehr) im Griff hat und jeden Widerstand platt macht. Diese autoritären Herrscher und Diktatoren haben sich mit Hilfe des Militärs an die Macht geputscht oder nach einer Karriere im Geheimdienst mit allen dort erlernten Mitteln und Tricks sowie Seilschaften alter Kollegen an die Macht gedrängt.
Damit ist nicht hinreichend erklärt, warum es viele solcher Typen gibt und warum Viele ihnen nacheifern und Macht über Menschlichkeit stellen, ja sogar letztere ganz aus den Augen verlieren. Diese Typen glauben, es sei gerade die Rücksichtslosigkeit, die sie nach oben bringe. Und sie bilden sich ein, dafür besondere Bewunderung zu verdienen, weil sie auf ihre speichelleckende Entourage hören. Es wäre besser für unsere Gesellschaft und für die Welt überhaupt, wenn sich viel mehr Leute einig wären, solches Verhalten zu ächten und nicht nur moralisch fragwürdig zu finden.

Wer, um seine Macht zu vergrößern, keine Skrupel kennt und auch nicht danach fragt, was es den betroffenen Menschen bringen soll, an einer Front verheizt zu werden in einem Krieg, der den meisten Menschen im Land der Angreifer rein gar keinen Vorteil bringt, der gehört geächtet und vor ein Gericht gestellt. Und das Land der Angegriffenen sollte jede Unterstützung bekommen, den Angreifer zurückzuschlagen, um den Schaden zu begrenzen und weitere Schäden zu verhindern.

Was bringt es denn dem einzelnen Staatsbürger, sich für aggressive Politik einspannen zu lassen? In Deutschland gibt es wahrlich genug historische Beispiele vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Zweiten Weltkrieg, die uns klar machen: Krieg ist Mist. Und in der Regel brechen Kriege nicht aus, sondern werden mit Absicht riskiert oder sogar angezettelt. Manchmal aus männlicher Ehrenpusselei, mal als Ausflucht vor Kritik im Inneren, mal aus plattem Kalkül der Machtgier und der Aussicht auf reiche Beute, etc.

Krieg ist aber auch für die Mächtigen riskant, die sich daraus Vorteile versprechen. Wie die Geschichte zeigt, werden selten die Vorstellungen erfüllt, die sich Angreifer ausgerechnet oder erhofft haben. Schon Herodot, der erste Historiker der Griechen, berichtet von einem König, der ein Nachbarland angreifen wollte und vorher ein Orakel über seine Erfolgsaussichten befragte. Die Antwort: „Wenn du diesen Krieg beginnst, wirst du ein großes Reich zerstören.“ Das nahm er erfreut als Verheißung auf und griff an. Doch das Resultat war: Er wurde geschlagen, das Reich, das er zerstörte, war sein eigenes.

Denken Sie selbst an Beispiele, Sie finden sicher welche von Kriegen, die für die Angreifer im Desaster endeten. Historische Studien haben festgestellt: Krieg verläuft nie nach Plan.

Auch aktuell sehen wir, dass Putins Plan für seinen Eroberungskrieg gegen die Ukraine nicht aufging. Alle Welt hat gesehen, dass sein „Blitzkrieg“-Vorstoß auf Kiew im Desaster und mit Rückzug endete. Und dass ab März 2022 der Krieg anders verlief, als russische Militärs sich das gedacht hatten. Was den weiteren Kriegsverlauf betrifft, so treten in unseren Medien immer wieder Militärexperten und auch selbsternannte Experten auf, die wissen wollen, was für die Zukunft zu erwarten sei.

Darunter sind Stimmen, die verkünden, dass Russland diesen Krieg gar nicht verlieren könne, weil es ein so großes Land sei. Das klingt in meinen Ohren oberflächlich, wenn nicht naiv. Wer keine Ahnung von militärischen und kriegslogistischen Dingen hat, neigt vielleicht dazu, so etwas für überzeugend zu halten. In diesem Krieg sind aber bisher schon einige Dinge passiert, die manche Pessimisten nicht für möglich hielten, weil sie die Ukraine von vorneherein für hoffnunslos unterlegen hielten.

Manchmal beschleicht mich das Gefühl, die Unterstützung aus westlichen Ländern für die Ukraine kam (aus was für Gründen auch immer) nicht zügig und konsequent, man debattierte (vor allem bei uns) über Waffengattungen und ihre Wirkungsweise, man äußerte Furcht vor Eskalation, man wollte Putin nicht reizen…. Dabei war es doch Putin, der keine Rücksicht auf irgendwen nahm und diesen Krieg vom Zaun brach. Und Putin drohte und droht immer wieder mit Eskalation durch Einsatz von Nuklearwaffen. Warum wohl?

Immer noch fordern Friedensbewegte, unsere Regierungen sollten mehr „die hohe Kunst der Diplomatie“ nutzen und weniger von Waffenlieferungen reden. Dazu fällt mir zuerst immer das Foto aus dem Kreml ein, wo im Februar 2022, einige Tage vor dem russischen Angriff, Kanzler Scholz zum Gespräch mit Putin an einem Tisch sitzt, und Putin hat ihn sich an einem absurd langen Tisch gegenüber gesetzt. Das war schon die symbolische, bildliche Verhöhnung aller diplomatischen Bemühungen. Putin ließ sich nicht vom Krieg abzuhalten. Putin, der Machtmensch, zeigt gern in Bildern, was für ein machtvoller, starker Kerl er sei.

Unsere Friedenbewegten im Lande greifen ständig unsere Regierung und „den Westen“ wegen „zuwenig diplomatischer Benühungen“ an, reden aber fast gar nicht von der Gegenseite am Verhandlungtisch. Und da kommen wir wieder an den Anfang, an den nicht vorhersehbaren Verlauf von Kriegen. Gegen die historische Erfahrung wird behauptet, die Fortsetzung der Unterstützung für die Ukraine sei sinnlos, man müsse sofort über Waffenstillstand verhandeln. „Jeder Krieg endet am Verhandlungstisch“, riefen sie. Ja, aber soweit sind wir doch noch nicht. Die Frage lautet zuerst: Was muss entscheidend passieren, damit überhaupt verhandelt wird?

Solange Putin sich von der Fortsetzung des Krieges mehr verspricht als von einem Waffenstillstand, wird er nicht ernsthaft in Verhandlungen eintreten wollen. Das liegt auf der Hand. Leider war aber die Unterstützung der Ukraine nicht so konsequent, wie sie hätte sein müssen, damit Putin größere militärische Niederlagen erlitten hätte. Nur das hätte ihn umstimmen können.

Darüber hinaus muss man sich klarmachen: Der Charakter Putins und seines Herrschaftsapparates ändert sich nicht, wenn er irgendwelche Vereinbarungen über Waffenstillstand oder Frieden unterschreibt. Das ist ja nach wie vor Fakt: Putin hat gezeigt, dass er Vereinbarungen und Verträge ignoriert, wenn es ihm Vorteile bringt. Darum ist mit seiner Unterschrift noch nicht viel gewonnen. Einen Frieden bekommen wir erst, wenn er effektiv eingebunden wird in ein Sicherheitssystem, das in Europa wieder stabile Grenzen und deren Respektierung schafft.

Ich halte es für eine Illusion zu glauben, dass Russland seine imperialen Ziele aufgeben wird, nachdem Putin schon die Geschichtsbücher für die Jugend umschreiben ließ und ständig Propaganda für seine Vorstellung der „russischen Welt“ macht. Wenn einer schon Stalin (!) als Vorbild wiederbelebt und seine Soldaten Gräueltaten unter Zivilisten begehen lässt (Die Militär-Einheit, die in Butscha viele zivile Tote auf den Straßen zurückließ, wurde von Putin persönlich vor Fernsehkameras mit Orden belohnt), was soll man da für die Zukunft erwarten?

Zu erwarten ist, dass die Saat des imperialistischen Denkens in Russland auch auf lange Sicht aufgehen wird, dass Putins Werteprinzip der rücksichtslosen Gewalt die russische Gesellschaft nachhaltig prägen wird, dass also Russland nicht als friedensstiftender Faktor in Europa wirken wird (egal, wie der aktuelle Krieg in der Ukraine beendet wird).

Wer jetzt der Ukraine die Unterstützung entziehen will, ist entweder politisch naiv oder von Putins Propaganda eingenommen. Beides läuft auf eine Unterwerfung unter die Herrschaft von Putin hinaus. Dies sollten alle bedenken, die glauben, ein schneller Waffenstillstand und Frieden mit Putin um jeden Preis sei das Gebot der Stunde.

Im Übrigen finde ich es unverschämt, wenn „Friedenstauben“ der Ukraine nahelegen, auf Gebiete zu verzichten, damit Ruhe einkehre. Ruhe für wen? Ihr könnt nicht Putin Gebiete schenken, die Euch gar nicht gehören! Putin hat sich schon widerrechtlich Teile der Ukraine angeeignet und dort „Russifizierung“ mit all ihren hässlichen Konsequenzen begonnen. Das wollt Ihr ihm durchgehen lassen und ihm auch noch eine Belohnung geben? Für ein bisschen (vorläufigen) Frieden? Glaubt Ihr denn, danach könntet Ihr ruhiger schlafen? Das ist in meinen Augen Traumtänzerei.

Offensichtlich geht es um viel mehr als nur um die Frage, wie man den aktuellen Krieg in der Ukraine beendet. Es geht nicht um ein bisschen Frieden, um eine Atempause zu haben, während Putin weitere Ziele auf dem Kartentisch absteckt. Es geht um eine stabile Friedensordnung, in der wirklich Friede in Europa einkehrt — und bleibt.

W. R.

P.S. Mehr zur aktuellen Debatte um Pazifismus und Waffen siehe Essay „Und den Menschen ein Wohlgefallen?“, zu finden in der Unterseite Clio, 6.

Zusatz am 11.08.24: Der Vorstoß ukrainischer Truppen in den Bezirk Kursk beweist, dass die ukrainische Armee bisher daran gehindert wurde, ihre Operationen so zu planen, wie es die russische Seite kann. Der Westen hat stets seine Waffenlieferungen an Bedingungen gebunden — zum Vorteil der russischen Seite: Im Gegensatz zur Ukraine konnte das angreifende Russland vor effektiven Angriffen auf sein Gebiet relativ sicher sein. Putins Propaganda bezeichnet den berechtigten Angriff der Ukraine auf russisches Staatsgebiet denn auch als „Provokation“; wenn er „Provokation“ sagt, versucht er wieder einmal, besonders den Deutschen Angst zu machen. Bei den Ukrainern kann er seinen Terror sowieso nicht mehr steigern. Putin versucht an der mentalen Front, deutsche Friedenstauben weich zu kochen, weil er die deutsche Hilfe für das angegriffene Land sehr gern ausschalten würde. Und weil er mit seinen Trollfabriken die Möglichkeit hat und nutzt, die Tiktok-Generation zu beeinflussen und AfD und BSW weiter Schützenhilfe zu geben. —

Und täglich grüßt…

… die Klimakrise. Nein, sie kommt nicht erst, sie ist schon da. Das tägliche „Murmeltier“ sind die Bilder von Naturkatastrophen, von brennenden Waldgebieten, von uns entgegen gurgelnden Wassermassen — nicht irgendwo, sondern hierzulande und gleichzeitig an vielen anderen Orten auf dem Globus. Das kann man nicht verharmlosen, das entspricht exakt dem, was Wissenschaftler seit den 1980er Jahren vorausgesagt haben, sofern nicht gegengesteuert wird.
Und? Wurde gegengesteuert? Hier kommt die Frage nach den Interessen ins Spiel. Diejenigen Konzerne, deren Geschäftsmodelle auf fossilen Brennstoffen basierten, die also Kohle, Öl und Erdgas verkauften und/oder weiter verarbeiteten, wollten weiter daran verdienen und hatten genug Geld, um Wissenschaftler zu kaufen, damit sie Zweifel an der vorhergesagten Klimakrise streuten, und sie bewogen einige Politiker dazu, sich den Zweiflern anzuschließen und diese Ansicht in vielen TV-Talkshows zu vertreten. So wurde das Gros der Bevölkerung verwirrt und daran gehindert, die Warnungen der Wissenschaft ernst zu nehmen. Und weil das so gut klappte, wurden diese Sedierungs-Kampagnen weitergefahren.
In den Nuller-Jahren des 21. Jahrhunderts sprach sich doch langsam herum, dass da was auf uns alle zukommt und man sich Maßnahmen überlegen müsste, z.B. die Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Jene besagten Knilche in den Talkshows brachten dagegen vor, dass es wenig bringe, wenn nur ein Land voranginge und die anderen weitermachten wie bisher. Außerdem wurde bei jeder Gelegenheit vorgebracht, Deutschland erzeuge doch eh nur 2% der weltweiten CO2-Emissionen… (Das klang wenig, bezogen auf die absoluten Zahlen, verschwieg aber, dass wir, pro Kopf der Bevölkerung einen viel höheren Ausstoß haben und in der Spitzengruppe liegen.)
Kurzum, die Vernebelung der tatsächlichen Lage ging weiter, während manche PolitikerInnen clevere PR-Aktionen starteten, z.B. Bundeskanzlerin Merkel, die, begleitet von einem Troß von Kameraleuten und Journalisten, per Schiff vor Grönland aufkreuzte, denn die Öffentlichkeit hatte zuvor über die Medien erfahren, dass auch dort das beschleunigte Abschmelzen des Gletscher-Eises zu beobachten war. In den Medien wurde sie darauf schon als „Klima-Kanzlerin“ tiituliert.
Was aber unternahm „die Politik“, Bundes- und Landesregierungen, wirklich, um Klimaschutz zu betreiben? Während z.B. in Paris ein internationales Klimaschutz-Abkommen unterzeichnet wurde, das die globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen soll, geschah in Deutschland wenig, gemessen am vereinbarten Ziel. Die Regierung Merkel wurde vom Bundesverfassungsgericht dazu verpflichtet, ein Klimaschutz-Gesetz nachzubessern.
Doch was passierte in Sachen „Energiewende“? Bundes- und Landesregierungen fielen nicht durch Engagement auf, wenn es um den Ausbau alternativer Energien ging: Der Windkraft wurden jede Menge Steine in den Weg gelegt, und die Produktion der Solarstromtechnik wurde dermaßen stiefmütterlich behandelt, dass China die Chance ergriff und mit staatlichen Subventionen alternativlos billige Solaranlagen anbot, die die deutsche Produktion abwürgten.
Die Merkel-Regierung ließ sich von der Industrie auch dazu überreden, den Energiebedarf in großem Stil mit billigem Gas aus Russland zu decken. Wir erinnern uns ja alle noch an den Streit um die Gas-Pipeline „Nord Stream 2“. Im Nachhinein war es peinlich, dass niemand die Warnungen aus der Ukraine und den baltischen Staaten hören wollte. Deutsche Regierungen dachten, Putin sei in der Wirtschaft ein verlässlicher Partner wie früher die Sowjetregierungen.
Aber zurück zur Klimapolitik: Unter Merkel, man muss es so sagen, tat der Wirtschaftsminister alles, um die Energiewende zu torpedieren oder zu verzögern. Toll trieb es auch die bayrische Staatsregierung in Sachen Verhinderung. Noch heute muss man beispielsweise Windräder in Bayern mit der Lupe suchen. Aber ganz vorn dabei sind sie in Bayern, wenn es um die Bekämpfung und Kriminalisierung der Letzten Generation geht, die sich aus Verzweiflung über die lahme Klimapolitik öfter mal auf Straßen festklebt und den Verkehr zum Stillstand bringt. Dabei werden Ursache und Wirkung vertauscht: Die „Klimakleber“ werden kriminalisiert und verteufelt, aber wer redet davon, dass eine lahme oder ganz unterbleibende Klimapolitik in einem moralischen Sinne kriminell ist?
Der aktuelle Finanzminister Lindner und ein Teil seiner FDP fahren eine ähnliche Strategie: Schon die (noch zahmen) Demonstrationen der Bewegung Fridays for Future wollte man inhaltlich nicht ernst nehmen, argumentierte formaljuristisch (mit Verweis auf die Schulpflicht), Lindner selbst sprach ihnen sogar die Sachkompetenz ab. Das fand ich ignorant, denn Lindner schien keine Ahnung davon zu haben, was heutzutage in höheren Klassen auf dem Lehrplan steht. Wer mal einen Schulatlas durchblättert, der um 2015 erschienen ist, der stellt erstaunt fest: Hier geht es nicht mehr wie vor Jahrzehnten um Geografie und ein bisschen Wirtschaft, eher scheint es um viel Wirtschaft, viel Ökologie und ein bisschen Geografie zu gehen. Mein Fazit: Lindner hat sich da als jemand gezeigt, der auch mal forsch was behauptet, ohne Bescheid zu wissen.
Auf jeden Fall sind die (nicht nur jungen) Leute, die sich in Umwelt-Initiativen und politischen Bewegungen engagieren, nicht bloß emotional betroffen, sie haben außerdem Sachkenntnis und wissen meist, wovon sie reden. Solche Leute wünschen sich viele Parteien als Mitglieder, doch die meisten bleiben lieber außen vor, vielleicht weil sie als Parteimitglied Vieles nach außen vertreten müssten, was sie womöglich weniger gut finden.
In den TV-Nachrichten: schon wieder kleine Flüsse, die zu reißenden Strömen wurden, wieder brennen große Waldflächen an verschiedenen Orten des Globus… Hört das denn nicht auf? Wenn Ihr die Wahrheit vertragen könnt: Nein, es wird nicht aufhören, es kann höchstens noch schlimmer werden. Die Wissenschaft hat Euch das längst gesagt. Aber Manche wollen es nicht glauben, sind Meister im Verdrängen, auch wenn täglich das Murmeltier grüßt…
W. R.

Ein freies Land?

ES wird von staatlichen Stellen inklusive Geheimdiensten seit einiger Zeit davor gewarnt, dass aus dem Ausland — besonders aus Putins Russland und Xis China — Desinformation in die Köpfe unserer BürgerInnen gespült wird. Inzwischen dürfte Jede/r mal davon gehört haben, dass sich besonders in den „social media“ eine Menge Informationsmüll herumtreibt. Da reden wir noch gar nicht von den gezielten Hass- und Rufmordkampagnen.

Dieses unser Land ist also nicht frei — nicht frei von massiven Versuchen, seine BürgerInnen zu beeinflussen und auf falsche Fährten zu locken. Während aber Viele inzwischen ein wenig kritischer auf bestimmte Erzählungen und Verschwörungmythen schauen (was grundsätzlich zu begrüßen ist), fallen etliche Menschen immer noch gern auf Stimmen herein, die den Klimawandel verharmlosen oder leugnen.

Und obwohl es in den Medien Berichte darüber gab, dass einige interessierte Konzerne große Summen ausgeben, um den Klimawandel zu leugnen und eindeutige Ergebnisse der Wissenschaft in Frage zu stellen oder gar zu „widerlegen“, lassen sich davon immer noch viele Leute verunsichern oder behumsen und sagen sich: Och, das ist ja eh nicht klar, also rase ich weiter mit 190 km/h über die Autobahn, wo immer es geht.

Und dann haben wir da noch eine Partei in der derzeitigen Bundesregierung, die alles torpediert, was die Klimakatastrophe aufhalten könnte. Und besonders in Bayern wird die „Letzte Generation“ kriminalisiert, weil sie aus Verzweiflung über soviel Ignoranz in der Politik zu ungewöhnlichen Mitteln greift. Da sagen nun viele Leute: So nicht, sie sollten andere Mittel wählen. Ja, aber welche? Da ist Schweigen im Walde der KritikerInnen, denn die gewöhnlichen Mittel scheinen zu wenig zu bewirken, wie man sieht.

Woran liegt es, dass in der Politik trotz einer mitregierenden Grünen Partei nicht mehr für Klimaschutz getan wird? Das, was real beschlossen und getan wird, ist offensichtlich zu wenig.

Hier greifen wir nun auf eine Verschwörungstheorie zurück. Und ich muss gestehen: Im Gegensatz zu vielem Mist in den social media ist dies leider keine Fantasie und kein Mythos, keine bloße Theorie: Die ständige Infragestellung und Verwirrung ist beabsichtigt und Folge einer gezielten Strategie, die schon verfolgt wird, seit Wissenschaftler vor dem Klimawandel, wohlgemerkt: dem von Menschen verursachten (!) Klimawandel, warnen und ein Umsteuern empfehlen, fordern, inzwischen für dringend notwendig halten. Es geht darum, eine Klimakatastrophe zu verhindern, ehe die negative Spirale soweit gedreht ist, dass Kipppunkte erreicht sind und der Lauf der Dinge nicht mehr zu verlangsamen, geschweige denn aufzuhalten ist.

Eine Verschwörung von Leuten, die das Weiter-wie-bisher propagieren und jede Steuerung des Staates ablehnen, die von Freiheit reden und die Grünen ständig als „Verbotspartei“ diffamieren, an dieser Verschwörung sind eine Menge Leute beteiligt, weil ihr Geschäftsmodell auf ungehemmtem Verbrauch von fossilen Brennstoffen und anderen Rohstoffen basiert, weil also viel Geld mit dem Weiter-So verdient wird; und damit das so bleibt, pumpen sie Geld in die Medien- und die politische Landschaft, damit ihre dem Profit dienende Meinung verbreitet und in der Politik beachtet wird.

Es geht hier nicht um Behauptungen, sondern leider um erschreckende Tatsachen. Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich etwas Zeit und Ruhe zu nehmen und diesen Artikel zur Kenntnis zu nehmen: Klimaschutz: Die heimlichen Einflüsterer der FDP – Kolumne – DER SPIEGEL

Also: Wie frei ist dieses Land, wie frei können sich die Gedanken unserer BürgerInnen entfalten? Wie frei sind Sie, sich Ihre Meinung zu bilden?

Falls Sie glauben, das Geld der Weiter-So-Profiteure käme schon irgendwie allen zugute: Sicher ist nur, dass wir alle die steigenden Kosten bezahlen, die durch ungebremsten Klimawandel entstehen. Alle wissen, dass heftige Wetterereignisse sich häufen und obendrein noch heftiger werden. Auch da, wo wir nicht hinschauen, braut sich was zusammen: In fernen Eisregionen, in Permafrost-Regionen, in den Ozeanen… Wer nicht bewusst wegsieht und das alles ignoriert, dem muss längst mulmig geworden sein.

W. R.

Dies ist ein freies Land

Gestern gehört in meiner Stammkneipe am Tresen (vgl. 28.1.23, Einwurf am Tresen):


Jupp, erstmal ein Kölsch, und zapp mir gleich auch das nächste. Danke!

Sagt mal, liebe Bierfreunde, leben wir eigentlich schon im 21. Jahrhundert? Ich höre die Köpfe von Politikern im Fernsehen ihre Sprüche ablassen und komme mir vor wie in einer Vorstellung im Volkstheater des vorigen Jahrhunderts. Soviel Populismus von Leuten, die ihre Intelligenz dazu einsetzen, die Menschen im Lande dumm zu schwätzen! Leute wie Söder, Merz, Lindner und Konsorten haben in Hinterzimmern abgesprochen, mit welchen Vokabeln und Floskeln sie die Menschen verwirren, ablenken und für dumm verkaufen könnten. Beispiel: Atomkraftwerke brauchen wir angeblich weiterhin, sie liefern angeblich auch billigen Strom, sind auch gar nicht gefährlich, und mit viel Technologieoffenheit machen wir einfach weiter so, weil uns irgendwann neue Erfindungen von lästigen Problemen wie Atommüll-Endlagersuche und anderen befreien werden. Ja, Ihr müsst nur daran glauben!

„Technologie-Offenheit“ ist so eine nichtssagende Worthülse, mit der man Leute beruhigen und auf blühende Landschaften der Zukunft vertrösten will. Ich kann’s nicht mehr hören. Apropos Hören: Unsere PolitikerInnen von CDU/CSU, FDP und AfD wollen es auch nicht hören, dass das Weiter-So in der Politik uns auf einen Abgrund zufahren lässt. Sie hören einfach weg, wollen kein „Klima-Blabla“ hören, wie es Bundesverkehrsminister Wissing (FDP) neulich in einer Wahlkampfrede in Hessen sagte. Wenn das kein Skandal ist — aber stattdessen wird ein Trauzeuge zur Staatsaffäre, der sich nichts hat zu schulden kommen lassen… Dem Staat ist dabei kein Schaden entstanden, wohl eher im Gegenteil. Aber man darf eine Maut in den Sand setzen und Steuergelder zum Fenster hinaus werfen, alles nicht schlimm, wenn man von den Unionsparteien gedeckt wird. Wenn sie aber die Grünen attackieren, ist alles recht, was in den Medien aufgeblasen werden kann.

Jupp, schnell das nächste, ich muss mir dringend die Politik schön trinken!

Und wer wundert sich noch, dass die bundesweite Polizeiaktion mit Razzien gegen die „Letzte Generation“ ausgerechnet von einer Staatsanwaltschaft in Bayern ausging? Da ist rein zufällig Wahlkampf, Söder will ein Law-and-Order-Profil zeigen. Was hat der nicht schon alles für Profile gezeigt, wenn es um Wahlkampf und Kampagnen ging! Der macht einen Wind, davon könnten zig Windräder rund um die Uhr laufen — wenn es sie denn in Bayern gäbe!

Echt, Leute, ich find’s nicht mehr zum Lachen! Diese gezielte Dummschwätzerei verfängt bei zu vielen Leuten, wie man an diversen Wahlergebnissen sieht. Von Umfragen will ich gar nicht reden, die werden auch am liebsten dann zitiert, wenn man den Grünen schwindenden Rückhalt in der Bevölkerung nachsagen kann.

Ist doch kein Wunder: Wir sind alle für Klimaschutz, tönen sie. Aber wie macht man das in der Praxis? Ha, schon zerreden die Bedenkenträger alles, was Sinn machen könnte, und im Zweifel wollen sie schon im Voraus wissen: Das lehnt die Mehrheit der Bevölkerung ab. So kommen wir nicht weiter — und genau das ist ja beabsichtigt.

Da ist es doch kein Wunder, dass besonders die junge Generation (soweit sie nicht vor lauter Daddeln am Handy nichts mehr mitkriegt) die Geduld verliert, denn es geht ja gerade um ihre Zukunft! Jetzt zeigt der Staat auf einmal Härte, will sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Das, liebe Leute, hätte ich mir schon viel früher an ganz anderer Stelle gewünscht.

Ach, Jupp, noch eins.

Ja Prost, Hannes, auch wennste neulich FDP jewählt hast. Kannste machen, dies ist ein freies Land. Und dir persönlich nehme ich das nicht übel, jeder hat eben seine Meinung. Trotzdem stoße ich mit dir an, du bist ja sonst ein netter Kumpel. Ja, soweit käme es noch, dass wir uns wegen der Politik anfeinden und aus dem Weg gehen. Außerdem sind wir hier in Köln, da heißt das Motto: „Drink doch ene met, stell dich net esu aan…“

(Während er singend das Glas hob und die anderen Gäste ansah, fielen sie nacheinander ein und sangen mit.) —

[Das Gespräch wurde sinngemäß wiedergegeben, aufgezeichnet aus dem Gedächtnis von W. R.] — Dazu empfehle ich die Lektüre dieses Kommentars: >Razzia gegen die »Letzte Generation«: Wie der Staat Radikalisierung befördert – Kolumne – DER SPIEGEL

Nachtrag am 29.05.2023: Was man kriminell nennt, und was nicht — das ist oft eine Frage der Deutungshoheit. Bei all dem Hickhack beschleicht mich die Frage: Wieviele Ahr-Flutkatastrophen, wieviele Dürren und Waldbrände braucht Deutschland noch, um zu begreifen, dass nur ein bisschen Klimaschutz nicht reicht? Und dass wir nicht endlos Zeit haben? Schauen wir nach Südeuropa, da wird deutlich, was Unterlassungen anrichten, die man schon kriminell nennen könnte: >Italien und Spanien: Warum die Extremwetter in Südeuropa ein Lehrbeispiel für für Politikversagen sind – DER SPIEGEL — Wenn nun jemand kommt und das Festhalten an fossilen Energieträgern als kriminell bezeichnet, fällt es mir schwer zu widersprechen… zumal wir mit dem Öl- und Gas- Verbrauch derzeit auch Putins Kriegsverbrechen indirekt mit finanzieren. Was, echt jetzt? Denkt mal drüber nach.

Hier noch eine aktuelle Ergänzung vom 11.06.2023: >Klimakrise: Die »Oh Shit«-Momente häufen sich – Kolumne – DER SPIEGEL

… nicht mehr tolerierbar

A LLE reden von Kolonialismus und meinen damit meist die Zeit, in der europäische Mächte nach Übersee ausgriffen und sich Gebiete auf anderen Kontinenten aneigneten, wobei sie deren Bevölkerung unterwarfen und bei Widerstand brutal dezimierten. Am Pranger dieses allgemeinen Geschichtsverständnisses stehen die „üblichen Verdächtigen“ wie Spanien, Portugal, Niederlande, England, Frankreich, Belgien, Italien und Deutschland, also in etwa die Mehrheit der west- und mitteleuropäischen Länder. Weniger oft werden in diesen Blick die USA einbezogen, die nicht nur einen großen Teil Nordamerikas unterwarfen, sondern auch in den Pazifik ausgriffen und sich in Lateinamerika in die Politik der unabhängig gewordenen Staaten einmischten, die US-Politiker als „unseren Hinterhof“ bezeichneten.
Bei alldem hatte bei uns fast niemand die Expansion Russlands nach Asien im Blick, die Unterwerfung der Völker Sibiriens und des heutigen Südrusslands.* Wie schon bei den Alten Römern wurde und wird in Russland die Erzählung verbreitet, man habe damit Kultur und Zivilisation in weniger entwickelte Gebiete gebracht.
Dieselbe Erzählung übernahmen auch die Briten, als sie von „the white man’s burden“ sprachen: Weiße bringen den Völkern anderer Hautfarbe die hochentwickelte Zivilisation der Europäer und heben diese so auf eine höhere Kulturstufe.
Wir alle wissen aber längst, dass es bei den „Entdeckungen“ und der darauf folgenden Aneignung von Kolonien nur um wirtschaftliche und machtpolitische Interessen ging. Widerstand von aufständischen „Eingeborenen“ dieser Länder wurde mit brutaler Gewalt gebrochen, auch das hatte schon Vorbilder im Römischen Reich.
Was wir derzeit an Putins Russland sehen, ist die Fortsetzung dieser imperialen Denkweise. Man konstruiert sich einen Anspruch auf Territorien benachbarter Länder: Man handelt zum Schutz angeblich unterdrückter russischer Minderheiten, und/oder man stellt historisch begründet frühere Grenzen wieder her — ungeachtet der längst veränderten Verhältnisse, und ungeachtet des Völkerrechts. Solche Gründe zog z.B. auch Hitler heran, um die Expansion des deutschen Reiches zu rechtfertigen und seiner Machtpolitik einen legitimen Anstrich zu geben.
Wir wissen auch: Solange Machtpolitik und territoriale Expansionwünsche die Köpfe von Regierenden beherrschen, kommt die Welt nicht zur Ruhe. Und solange es genügend einfältige Menschen gibt, die sich dafür und im Zweifel auch für Krieg motivieren und einspannen lassen, gibt es immer wieder bewaffnete Konflikte.
Ein Grundübel ist, dass immer wieder Menschen das Trennende betonen und dabei das Gemeinsame in Abrede stellen, sich also lieber abgrenzen als sich mit Anderen zusammenfinden. Da wird die Identität einer Gruppe, eines Volkes. einer Nation über das Trennende definiert, da wird ab- und ausgegrenzt, werden Unterschiede betont. Dabei wird bewusst vergessen: Unsere hauptsächliche Identität ist, dass wir MENSCHEN sind. Menschen sind soziale Wesen, die Gemeinschaft brauchen, die in Not menschliche Solidarität brauchen, die anderen Menschen zu helfen bereit sind. Diese Gemeinschaft betrifft die Menschheit insgesamt. Wer aber künstlich Grenzen zieht, Barrieren und Mauern errichtet, Menschen Hilfe verweigert, der zeigt sich selbst von einer unmenschlichen Seite. Wenn dann noch eine faschistische Grundhaltung hinzukommt, ist die nächste gewaltsame Auseinandersetzung nicht fern. Im Blog-Beitrag „Gibt es liebe Faschisten?“ vom 02.10.2020 können Sie Näheres dazu lesen.
Leider passiert so etwas oft schneller als gedacht. Ein Männlichkeits-Gewaltkult ist meist der Treiber, der zur Gewalt-Eskalation führt. Staaten, in denen ein nationalistischer Militarismus propagiert wird, befinden sich auch bald im Krieg mit Nachbarstaaten. China führt das derzeit vor mit mlitärischen Drohgebärden gegen Taiwan. China begründet sein Verhalten mit einem Wunsch nach „Wiedervereinigung“ mit einer „abtrünnigen Provinz“ (was historisch schräg ist, denn Taiwan war nie Teil des kommunistischen China), China missachtet auch den Willen der Bevölkerung Taiwans, die weiterhin lieber in einer Demokratie leben wollen, und China missachtet (wie Russland gegenüber der Ukraine) das Völkerrecht, das gewaltsame Verschiebung von Staatsgrenzen nicht zulässt.

Man muss Nationalismus heutzutage kritisch sehen, gerade nach den europäischen Erfahrungen des 19. und 20. Jahrhunderts, wo in vielen Fällen Nationalismus zu Kriegen geführt hat. Eine starre Vorstellung von Nationalstaat, in dessen Grenzen es nur ein Volk geben soll, führt automatisch zu Konflikten. Die Bevölkerung des Staates wird dann oft von Machthabern in ein Korsett eines erzwungen homogenen Staatsvolkes gepresst, Minderheiten passen nicht ins Bild und werden unterdrückt, benachteiligt, ignoriert, zur Assimilation an die Mehrheit genötigt. Doch ein Staatsgebiet ist normalerweise nie ein Gebiet, das nur von einem Volk mit einer gemeinsamen Sprache bewohnt wird. Insofern ist die Idee vom völkischen Nationalstaat weltfremd.

Außerdem: Künstlich auf der Landkarte gezogene Staatsgrenzen kann man nicht quasi abdichten, im Gegenteil: Ein Staatsgebiet ist an seinen Grenzen immer osmotisch, also offen für Austausch. Und Austausch von Waren und Ideen nützt meist den Menschen auf beiden Seiten der Grenze. (Darum ist die EU eine gute Sache. Und am Brexit sieht man, wie sich GB selbst ins Bein schießt. Trotzdem will uns die „patriotische“ AfD weismachen, wir sollten die EU verlassen…)

Man kann den Natonalismus begrifflich trennen vom Begriff Nation. Eine Nation ist in erster Linie eine große Menschengruppe, die sich einer Gruppe zugehörig sieht, sei es aufgrund einer gemeinsamen Sprache, Kultur, Geschichte, usw. Eine solche Nation ist historisch gewachsen und kann nicht plötzlich verordnet werden. Meist lässt sie sich an den Rändern aber auch nicht scharf abgrenzen, es gibt Überschneidungen zu Nachbar-Nationen, mit denen man einige Gemeinsamkeiten hat. Und genau darauf fußt z.B. die Idee eines Europa mit einer kulturellen und historischen, gemeinsamen Identität. Denn es ist leicht, das Trennende zu betonen, doch viel leichter ist es, Gemeinsamkeiten zu sehen und in Begegnungen festzustellen, wie wenig uns von den Nachbarn anderer Länder trennt.

Dagegen versuchen Nationalisten, das Trennende zu anderen Nationen als identitätsstiftend herauszustellen. Und sie konstruieren oft auch eine Erzählung oder einen Gründungsmythos, der sie von anderen Nationen als etwas Besonderes, Einzigartiges abheben soll.

Nationalisten in Europa wollen ein sogenanntes „Europa der Vaterländer“, d.h. alles beim Alten lassen, und ein politisches Zusammenwachsen Europas möglichst verhindern. Das war schon in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht mehr zeitgemäß, aber im 21. Jahrhundert sind solche Retro-Vorstellungen erst recht kontraproduktiv. Denn Europa kann in der Weltwirtschaft und Weltpolitik keine gestaltende Rolle spielen, wenn einzelne Staaten immer wieder aus gemeinsamer Politik ausscheren und ihr eigenes Süppchen kochen. Dabei verlieren diese Einzelstaaten ebenso wie Europa insgesamt.

Deshalb, wie gesagt, muss man Nationalismus heute kritisch sehen, in meiner Sicht sogar sehr kritisch. Denn neben den oben genannten Gründen muss man gegen Nationalismus auch anführen, dass Mächte wie China oder Russland ihn ganz gezielt einsetzen, um ein heterogenes Vielvölkerreich auf Einheit zu trimmen, Minderheiten zu drangsalieren und territoriale Ansprüche auf Nachbarstaaten zu stellen, wobei sie aufrüsten und ein militärisches Drohpotential aufbauen. All das dient nicht dem Frieden in der Welt, sondern dem egoistischen Machtstreben von Machthabern und ihren Regimen, die auch Gewalt und Krieg durchaus als legitime Mittel ihrer Politik sehen. Und all das, die ganze Aggressivität, dient angeblich dem Wohle dieser Nation — dafür wird unablässig Propaganda gemacht. Und wenn es doch Kritik im Lande gibt, werden Spannungen zu Nachbarstaaten erzeugt und im Inneren nationale Solidarität gegen den äußeren Feind gefordert — ein sehr altes Muster autoritärer Politik.

Wir sehen spätestens beim Blick auf die weltumspannenden Probleme wie die drohende Klimakatastrophe:

Diese Welt braucht nicht mehr Abgrenzung und Egoismus, sondern mehr Verständigung und Zusammenarbeit über alle Grenzen hinweg. Das gebietet nicht nur die Vernunft, das entspricht auch der Menschlichkeit und dem Wunsch der allermeisten ErdenbürgerInnen, friedlich zusammenzuleben.

Damit wir der Erfüllung dieses Wunsches näher kommen, muss in den Köpfen Vieler noch ein Wandel eintreten: Schluss mit dem Unfug von männlichen Machtfantasien, Schluss mit dem Aufhetzen von Menschen gegen Minderheiten, Schluss mit dem Unfug der unbegrenzten Ausbeutung von Menschen, Tieren und natürlichen Ressoucen, Schluss mit den falschen Rechtfertigungen von Ausbeutung und Unterdrückung durch religiöse oder rassistische Irrlehren.

Wenn in Afghanistan die Taliban-Machthaber Frauen unterdrücken und zu ungebildeten Sklavinnen degradieren wollen, wenn im Iran die Machthaber Religion als Hilfsmittel der Unterdrückung missbrauchen, wenn im Sudan zwei bewaffnete Machtgruppen aufeinander schlagen und dabei Land und Leute kaputt schießen, wenn in den USA der Schusswaffengebrauch die häufigste Todesursache von Kindern ist — in diesen und (leider) vielen weiteren Fällen müssen Menschen sich schämen, wenn sie das tolerieren und für „normal“ halten wollen.

Denn das ist der (angeblichen) Krone der Schöpfung nicht würdig, es ist unter Niveau des (selbsternannten) Homo Sapiens. Und das ist in unserer Zeit überhaupt nicht mehr tolerierbar.

W. R.

* Mehr dazu > Ausstellung in NGbK Berlin zu jahrzehntelangem Kolonialismus in Russland und seiner Verarbeitung in der Kunst


Atomkraft?

Es ist vollbracht! Nach dem Kreuzestod Jesu ist — angesichts des Gedöns in deutschen Medien — wohl das Abschalten der drei letzten Atomkraftwerke im Staate D. das bewegendste Ereignis der Geschichte, oder? Kaum zu glauben, was interessierte Akteure für ein Aufhebens machen, um Stimmung gegen den Atomausstieg zu schüren.
Dabei ist Allen, ja wirklich: Allen in diesem Lande seit geraumer Zeit klar, dass das Ende der Atomkraft in Deutschland seinen gesetzlich geregelten Gang nimmt. Und dass die kurzfristige Verlängerung der Laufzeit von drei AKWs für wenige Monate als Notmaßnahme beschlossen wurde, um einen vielleicht möglichen Strom-Engpass im Winter zu vermeiden.
Wenige Atomkraft-Befürworter machen einen großen Lärm darüber, dass es unvernünftig sei, die deutschen AKWs ganz abzuschalten, und schüren die Angst vor möglichen zukünftigen Blackouts. Hört man die unaufgeregten Experten, dann ist diese Angst nicht begründet.
Aber zum Thema „Angst“ fällt mir ein: Europas größtes AKW bei Saporischschija in der Ukraine ist von russischen Truppen besetzt, immer wieder kommt es dort zu krisenhaften Situationen. Man fürchtet, in diesem AKW könnte es durch Beschuss oder infolge der von Kriegseinwirkungen mangelhaften technischen Kontrolle zu einem GAU kommen. Dieser wäre eine Katastrophe, die die von Tschernobyl (1986) noch toppen würde.
Wer hier gar neue AKWs fordert, muss erklären, wie gerade jetzt sichergestellt werden könnte, dass es einem Putin nicht einfällt, ein paar Hyperschall-Raketen auf die deutsche Infrastruktur zu schießen und dabei gezielt AKWs zu Atombomben umzufunktionieren.
Über einen solchen (zum Glück noch theoretischen) Fall hört man hierzulande nichts. (Vielleicht, weil noch immer viele Leute Putins Charakter und Ziele verkennen.)
Davon abgesehen, bleibt es bei der sachlichen Feststellung: AKWs sind die mit Abstand teuerste Form der Energiegewinnung, und im Unglücksfall auch die gefährlichste.
Wer mit dem (Schein-) Argument kommt, weltweit würden doch immer mehr AKWs gebaut, und der „deutsche Sonderweg“ führe unnötig ins Abseits, der unterschlägt, dass einige Länder auch schon den Atomausstieg planen, andere verbissen an Bauvorhaben festhalten, die sich sehr in die Länge ziehen und viel teurer werden als vorab geplant (Wir reden hier von Milliarden-Beträgen).
Inzwischen ist vielen Leuten auch klar geworden: In diesen Zeiten ist es nicht verantwortbar, die eigene Energieversorgung zu einem bedeutenden Teil von auswärtigen Mächten abhängig zu machen, sprich: Brennstäbe für AKWs aus Ländern wie Russland zu beziehen, die womöglich einmal die Lieferung verweigern und politische Bedingungen stellen.
Wer weiß, ob nicht bald Erdogan oder Orban dafür gescholten werden, dass sie ihren Ländern diesen Bärendienst erwiesen haben…
Ganz durchsichtig und schon fast eine Kabarett-Nummer ist die Einlassung einiger deutscher Politiker, unsere AKWs seien doch aktiver Umwelt- und Klimaschutz, während die in der Energie-Krise wieder hochgefahrenen Braunkohle-Werke sehr klimaschädlich sind. Söder und andere mutieren plötzlich zu Umwelt-Aktivisten, die die Grünen überholen?? Das glaubt den Windrad-Verhinderern doch kein Mensch, der eine Krempe am Hut hat!
Fazit: An der Bewertung der Atomkraft hat sich seit Langem nichts geändert: teuer, riskant. Wer hier stur für eine andere Bewertung trommelt, hat entweder viel Geld in dieser Sache stecken oder wird von der Lobby dieser Leute mit Worten und evtl. Geld gedrängt. (Ich wünschte, sie hätten vor Jahren nur halb so viel dafür getrommelt, die Produktion von Solaranlagen im Lande zu halten!)
Ich möchte jedenfalls nicht, dass die Leute, die uns erst in die Gazprom-Abhängigkeit getrieben haben, uns nun aus Eigennutz in neue Abhängigkeiten manövrieren. Darum: Atomkraft? Nein, danke!
W.R.

Ein Update vom 10.07.2023: Wer bisher dachte, Desinformations-Kampagnen würden nur aus dem Ausland (Russland, China, Nordkorea) initiiert und gelenkt, der darf jetzt zur Kenntnis nehmen, dass auch hier in Deutschland einflussreiche Akteure solche Kampagnen lostreten: Die „Bild“-Zeitung gab den Ton vor, und nach ihr stießen eine Reihe von PolitikerInnen der Oppositionsparteien kräftig ins selbe Horn. Bis in die Fernseh-Talkshows tragen sie die Falschbehauptungen von „Bild“.

Worum geht es dabei? Um die Energiepolitik, und um deutsche Atomkraftwerke, denen einige PolitikerInnen immer noch nachweinen. Sie betätigen bei jeder Gelegenheit die Drehleier vom angeblich „dringend benötigten Atomstrom“ — wohl wider besseres Wissen, bzw. infolge einseitiger Information, die bei „Bild“ teils auf handfesten Lügen basiert.

Von „Bild“ ist die Nation ja so manche schräge oder einseitig CDU-lastige Berichterstattung gewöhnt. Aber was da gerade in Sachen Energiepolitik abging, das hat schon das Etikett „Fake-News“ verdient. mehr >Energieversorgung: »Bild«, Union und AfD, vereint in Prepperfantasien – Kolumne – DER SPIEGEL

Update von Februar 2024: Energiepolitik: Atomkraft ist ein totes Pferd – warum steigt Merz nicht ab? Kolumne – DER SPIEGEL

Fortschritt auf Deutsch

Was läuft schief in Deutschland? Mein Eindruck: eine ganze Menge!
Wo soll ich anfangen, wo aufhören mit der Aufzählung? Ich kann nur ein paar Dinge herausgreifen, ehe ich atemlos pausieren muss.

1. Energiepolitik: Inzwischen ist es schon ein Gemeinplatz, dass unser Land viele Jahre lang sehenden Auges in die Abhängigkeit von russischen Gas gesteuert wurde. Die Leute am Steuer sind in der Bundesregierung seit Ende 2021 abgelöst. Das heißt aber nicht, dass jetzt eine große Kurskorrektur stattgefunden hätte, vielmehr sind die Widerstände enorm. Das zeigte sich jüngst (gegen Ende März ’23) bei der Krisensitzung der Ampel-Regierung: Retro-Anliegen wurden von FDP und SPD begünstigt, obwohl sich diese Koalition zu Beginn „Fortschritts-Koalition“ nannte. Die Grünen bekamen nicht mehr als ein Trostpflaster dafür. Ist das überhaupt eine Regierung, die dem Klimaschutz Priorität einräumt? Oder was will sie mit diesem Gewurschtel erreichen, vielleicht ein Weiter So und dabei fortschrittlich reden?
Und was ist mit der Opposition, welche Perspektiven bietet die CDU? Mir schrillen noch die Ohren von einer Aussage des sächsichen Ministerpräsidenten Kretschmer (CDU) in einer Talkshow vor wenigen Tagen, als er forderte, man müsse die Gas-Pipeline Nord Stream 1 als Option bestehen lassen — für evtl. zukünftige Geschäfte mit Russland. Wann denn? Nach Putin? Wer kann sagen, dass dann die Lage eine wesentlich andere wird? Der russische Staatshaushalt wird jedenfalls bisher hauptsächlich von Einnahmen aus dem Export fossiler Energieträger gespeist.
2. Schulpolitik: Da ist, ähnlich wie in der Energiepolitik, seit vielen Jahren trotz mancher Absichtserklärungen wenig unternommen worden, um die offensichtlichen Mängel zu beheben oder wenigstens zu reduzieren. Da Bildung bei uns Ländersache ist, haben wir ein zusätzliches Problem durch einen Flickenteppich schulpolitischer Maßnahmen. Ich erinnere nur an das Kind, das nach einem Umzug in ein anderes Bundesland meist neue Schulbücher braucht und z.T. andere Vorausssetzungen für den Schulabschluss erfüllen muss. Dann die Misere mit vielen maroden Schulgebäuden! Zuständig sind dafür die Schulträger, das sind meist Städte und Gemeinden. Da werden ganz verschiedene Prioritäten gesetzt, meist je nach Finanzlage. Unter dem Strich schaut man auf die Gesamtsituation und fragt sich: Wieviel sind uns unsere Kinder wirklich wert? In Deutschland liegen die Ausgaben für Bildung — man glaubt es kaum — unter dem Durchschnitt der EU-Länder. Was läuft da grundsätzlich schief? In Fensterreden wird dieses Land immer als eins der Techniker und Ingenieure, des technologischen Erfindergeistes etc. gelobt. Doch der Nachwuchs wird nicht in der Breite gefördert. Das hatten wir schon mal in den 1960er Jahren, als man erkannte, dass das bestehende Schulsystem die Begabungsreserven in der Bevölkerung nicht ausschöpfte und nur den Nachwuchs der eh schon Gebildeten oder Bessergestellten förderte. Mit anderen Worten: Unser Bildungssystem hemmt den Nachwuchs, benachteiligt Kinder aus bildungsfernen Milieus und lässt Deutschland international langfristig zurückfallen.
3. Verkehrspolitik: Seit wievielen Jahrzehnten ist die Eisenbahn Stiefkind der Politik, wird dem Auto und dem Straßenbau gegenüber der Schiene Priorität gegeben! Der Automobilwirtschaft zuliebe wurden — und werden — immer neue Autobahnen gebaut, die angeblich das Volk will. Das Volk will aber neben Mobilität auch eine intakte Natur und Wälder, keine Flut- und Dürrekatastrophen, und eine erträgliche Lebenswelt für Kinder und Enkel. Also, liebe PolitikerInnen, denkt nicht nur in Wahlperioden, bedient nicht nur eure StammwählerInnen, übernehmt Verantwortung für das ganze Land und seine Zukunft — nicht immer nur in Fensterreden, sondern in konkreten Maßnahmen mit sichtbaren Ergebnissen.
So, diese drei Bereiche müssen hier genügen, sonst werde ich depressiv. Zum Eigenschutz sehe ich mir schon kaum noch eine Talkshow mit Politikern im Fernsehen an. Ich kriege schon fast das Kotzen, wenn Einer von der FDP wieder einen Wortbrei von sich gibt, in dem die Zutaten „Freiheit“, „keine Verbote“, „Technologie-Offenheit“, „technischer Fortschritt“, „Vernunft“ u.a. nicht fehlen dürfen. Das ist Wortgeklingel, das sich gut anhören soll, aber die wahren Absichten verschleiert. (Mehr dazu auch im voraufgegangenen Beitrag „Keine Angst!(?)“ )

Ich kann den Satz „Wir sind ein reiches Land“ nicht mehr hören, wenn ich in unseren Städten immer mehr Obdachlose sehe, und wenn ich sehe, wie unser Land mit der Bildung und den Bildungschancen für Kinder umgeht. Eigentlich, dachte ich, stellt den Kanzler derzeit eine Partei, die das Soziale als ihren Markenkern bezeichnet. Müsste da nicht mehr passieren? Von der SPD hört man in Sachen Umwelt- und Klimaschutz auch nicht mehr viel. Gibt die FDP als kleinster Koalitionspartner hier die Richtung vor? Bleibt alle Sorge um Klimaschutz und sozialen Fortschritt bei den Grünen, die dann von FDP und SPD ausgebremst werden? Diesen Eindruck könnte man gewinnen. Ich hoffe sehr, dass sich dies nicht bestätigen wird!

(4.) Und lasst mich nicht noch ein weiteres Fass aufmachen und von der deutschen Bürokratie anfangen! Schon vor Jahren forderten einige Politiker in Wahlkämpfen gern „Bürokratie-Abbau.“ Man hört aber wenig davon, eher von Bürokratie, die die Wirtschaft hemmt oder in sturer Vorschriftenhuberei dafür sorgt, dass im Zweifel (aus formalen Gründen) die Falschen aus Deutschland abgeschoben werden (nämlich gut integrierte Fachkräfte, die unser Land dringend braucht).

Diese Eindrücke lassen mich bedrückt resümieren: Dieses Land steht sich mit alten Gewohnheiten z.T. selbst auf den Füßen.

(5.) Zu den alten Gewohnheiten zähle ich derzeit auch die für Viele scheinbar selbstverständlichen Denkweisen über Friedenspolitik und Militär, die aus einer Zeit stammen, in der man in Westdeutschland gefahrlos „Frieden schaffen ohne Waffen!“ fordern konnte, denn man durfte sich unter dem atomaren Schutzschirm der USA ausgeprägten Pazifismus leisten; den konnte man zusätzlich begründen mit militaristischen, unheilvollen Phasen der jüngeren deutschen Geschichte. Und die allgemeine Wehrpflicht schien im 21. Jahrhundert auch entbehrlich.

Seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine erleben wir, wie schwer sich viele Menschen tun, ihr Weltbild wie auch konkret ihre Sicht auf das Militärische der veränderten Realität anzupassen. Das ist auch nicht so einfach, es erfordert eine differenzierte Betrachtung von Fragen der Gewalt, der militärischen Rüstung, der internationalen Politik. Und Kanzler Scholz (SPD) scheint da sehr viel Rücksicht auf Friedensbewegte in seiner Partei zu nehmen. Das wäre ja nicht schlecht, wenn wir nicht den 24.2.2022 erlebt hätten und die brutalstmögliche Kriegführung durch Russland. Aber nun…!

W. R.

Nachtrag am 30.04.2023 zur Energiepolitik: Über die zahlreichen Versuche interessierter Leute, uns, die Bevölkerung (nicht nur in Sachen Atomkraft) dumm zu schwätzen, lässt sich ausführlich dieser Artikel aus: Klima-Verzögerungstaktik: Was Springer, Schäffler, Spahn und Wagenknecht gemeinsam haben – DER SPIEGEL

Man kann nach diesen Überlegungen verstehen, dass manche Menschen hierzulande von Lobbykratie statt Demokratie sprechen, wenn sie auf das parlamentarische System schauen. (Das heißt nicht, dass es anderswo nicht noch schlimmer ist, z.B. in Großbritannien).