Archiv der Kategorie: Europa

Das gibt zu denken

Das gibt zu denken: Die Trump-Regierung (vorneweg Trump, Vance und Rubio) wettern gegen die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ durch den Verfassungsschutz.
Und was denken Sie? Ist das „Tyrannei“ und „Zerstörung der Demokratie“, oder das Gegenteil? In den USA dürfen Rechtsradikale die uneingeschränkte Meinungsfreiheit nutzen, dürfen sogar mit Hakenkreuzen in der Öffentlichkeit auftreten. In Deutschland gibt es den Straftatbestand der „Volksverhetzung“ und ein Verbot des Zeigens von Symbolen verfassungfeindlicher Organisationen (dazu gehört das Hakenkreuz).
Soweit mir bekannt, haben deutsche PolitikerInnen bisher nicht öffentlich das amerikanische Verständnis von Meinungfreiheit kritisiert. Vielmehr hat man hier versucht, diese andere Auffassung zu tolerieren.
Das versuchen Trump&Co offenbar gar nicht, weil sie ihre Auffassungen weltweit als die richtigen zu etablieren versuchen. Verständnis für die besondere Geschichte Deutschlands? Ach, was soll das denn, wir erwarten Anpassung an unsere Ausrichtung, und wir helfen auch mit Druck nach.
Da frage ich mich allerdings — gerade beim Gedenken „80 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa“ — wofür denn die Amerikaner im II. Weltkrieg gekämpft haben! Und wozu gab es die Nürnberger Prozesse gegen Nazi-Kriegsverbrecher? Welche Prinzipien wurden denn da als verbindlich und international gültig festgeschrieben — und in der Charta der Vereinten Nationen bestärkt und ausformuliert?
Der Immobilienmakler und TV-Showmaker Donald Trump kennt sich da nicht aus, das könnt Ihr vergessen. Gerade erst zeigte er, dass er noch nicht einmal weiß, was in der Erklärung der Unabhängigkeit und der Menschenrechte von 1776 steht. What?? Im Ernst! Dabei ist dieses Dokument die Gründungsurkunde der USA, die sollte dort eigentlich jedes Schulkind kennen. Darüber hinaus ist sie von weltgeschichtlicher Bedeutung im Hinblick auf Revolutionen in Europa ab 1789.
Kürzlich nannte ein US-Journalist die Trump-Mannschaft einen „bunch of clownesk amateurs“. Was soll denn auch Anderes dabei herauskommen, wenn einer wie Trump eine Regierung zusammmenstellt, bei der es ihm nur auf treue Gefolgschaft ankommt (und nicht auf Sachkompetenz und/oder politische Erfahrung)?
Was auch zu denken gibt: Putin unterstützt schon lange in verschiedener Weise rechtsradikale Gruppierungen in Europa, um die politischen Verhältnisse zu destabilisieren und die ihm verhasste Demokratie zu Fall zu bringen. Nun haben die AfD (und z.B. auch die Brexit-Partei von Nigel Farrage) auch noch Unterstützung von der US-Regierung bekommen.
Ist das nicht geradezu beklemmend? Zumal Trump sich an Putin herangewanzt und die russische Sicht des Ukraine-Krieges übernommen hat. Und obwohl er sich wohl inzwischen von Putin hingehalten und veräppelt fühlt, ist fraglich, ob er daraus Konsequenzen zieht, und wenn ja, welche.
Fazit: Die USA unter dem Möchtegern-König Trump fallen als Anker der westlichen Demokratie aus. Und wenn in Deutschland viele Menschen immer noch nicht begreifen, was für ein Schund von der AfD als „Politik für Deutschland“ propagiert wird, dann muss eben von den Mitteln Gebrauch gemacht werden, die unsere Verfassung vorsieht gegen Gruppen und Parteien, die diese Verfassung zerstören wollen.
Lasst Euch nicht blenden! Die AfD versteckt ihre wahren Ziele hinter schwarz-rot-goldenen Fahnen, sie beruft sich nur dann auf demokratische Prinzipien, wenn ihr jemand entgegentritt und ihren Einfluss begrenzen will. Sie ist längst zu einer Höcke-Partei geworden, und wer das nicht schlimm findet und sie trotzdem wählt, der kennt die deutsche Geschichte nicht. Wer aber aus der Geschichte nicht lernt, könnte dazu verdammt sein, sie zu wiederholen. Der 8. Mai lehrt, dass das idiotisch wäre… Man muss dazu aber seinen Verstand benutzen.
W. R.

… und Europa!

NUN ist der verstorbene Papst Franziskus beigesetzt und der Medienrummel erstmal abgeebbt. Was bleibt? fragen Viele.
Was mir zuerst einfällt, ist sein Besuch gleich nach Amtsantritt — nicht bei einem Großkopferten und mächtigen Staatsmann, sondern — auf der Insel Lampedusa im Flüchtlingslager, wo sich Menschen drängten, die mit kaum seetüchtigen Booten eine gefährliche Fahrt von Afrika über das Mittelmeer nach Europa hinter sich gebracht hatten.
Und ich erinnere mich daran, dass er den Politikern Europas ins Gewissen redete und sie mahnte, Europa als Wertegemeinschaft nicht zu vergessen. Das habe ich schon 2016 auf der Unterseite >Höheres ausgeführt. Franziskus bekam damals sogar den Karlspreis zugesprochen.

Die Nominierung für den Karlspreis befürworteten vor allem Leute, die sich um die europäische Idee Sorgen machten. Denn in der praktischen Politik galten oft die Prinzipien nicht viel, die in Fensterreden gern hochgehalten wurden. Das zeigte sich z.B. in der Flüchtlingspolitik. Aber grundsätzlich war ja Europa ein Friedensprojekt: Nach Jahrhunderten voller kriegerischer Konflikte sollte unser Kontinent endlich die Lektion begriffen haben, dass Kriege immer viel Leid verursachen, dass sie immer mit Zerstörung und wirtschaftlichen Verlusten verbunden sind, und dass sie moralische Verwüstungen anrichten (indem Gewalt als Mittel der Wahl ausgerufen wird), während sie nur Wenigen Nutzen bringen, wenn überhaupt. Und: dass Kriege vermeidbar sind, wenn man vernünftig bleibt und machtlüsternen Kriegstreibern kein Gehör schenkt!

In der gegenwärtigen politischen Weltlage erscheint es besonders dringlich, dass Europa zusammenrückt und gemeinsam als Stimme der Vernunft auftritt, dass Europa sich der vereinten Wirtschaftsmacht mit ihrem möglichen Gewicht bewusst wird — um darauf zu drängen, dass internationale Regeln des Miteinanders, der Kommunikation und des Austausches eingehalten werden.

Gegen die ideologischen Irrläufer, die Nationalismus und nationalen Egoismus wieder als einen quasi-religiösen Glauben etablieren wollen, muss Europa sich auf ein positives Leitbild besinnen und eine positive, zukunftstaugliche Idee voranbringen. Schließlich hat Europa mit seiner konfliktreichen Geschichte weiß Gott genug Lehrgeld bezahlt: Gewalt und Krieg sind untaugliche Mittel, um ein Europa zu schaffen, das allen seinen BürgerInnen ein erträgliches Leben ermöglicht und sich entwickeln kann in Frieden mit anderen Regionen.

Europa hat nur damit eine Chance, sich gegen die großen Player der Weltpolitik zu behaupten. Der überholte Nationalismus führt zur Zersplitterung Europas und zur Bedeutungslosigkeit der Einzelstaaten, die allein nicht bestehen können und sich höchstens an große Player heranwanzen können — und damit zu deren Satelliten werden. Damit müssen sich die Zwerge der Weltpolitik, ob sie wollen oder nicht, in die Abhängigkeit von Riesen begeben. Und die Nationalisten, die immer von neuer nationaler Größe träumen und fantasieren, reden in Wahrheit einer Verzwergung ihres Landes das Wort. Diese selbsternannten Patrioten sind das genaue Gegenteil, sie schaden ihrem Land, wenn sie an die Macht kommen.

Was momentan in der Weltpolitik abläuft, ist ein sichtbarer Beweis: Donald Trump hat unter seiner Parole „Make America great again“ (MAGA) in den ersten 100 Tagen seiner zweiten Amtszeit schon eine Menge Schaden angerichtet. Das sagen alle Fachleute von Wirtschaft und Politik, die eine Krempe am Hut haben und nicht ihren Vorteil als Trumps Speichellecker suchen. Er schadet vor allem den vielen US-BürgerInnen, die keine Milliardäre sind, die aus seinen Zoll-Tollheiten keinen Nutzen ziehen konnten, die nicht zu den Tech-Bonzen gehören, usw. Leider bestätigt sich, was ich schon gleich nach Trumps Amtsantritt erwartet habe: Die WählerInnen, die in Trump Hoffnungen gesetzt haben, werden enttäuscht. Da kommt keine Schadenfreude auf, denn es trifft leider in erster Linie die ärmeren Schichten der US-Bevölkerung.

Wenn die europäischen Staaten, nicht nur die EU-Mitglieder, die gemeinsame Idee Europa stärken und mit realer Politik unterfüttern, dann kann das auch den armen Amerikanern nützen, die sonst die Politik von Trump und seinen Kumpanen erdulden und ausbaden müssen. Trumps Zoll-Wahn ist es nicht allein, wir müssen uns auch wirksam gegen die Internet-Giganten und ihre schädlichen Geschäftsmodelle wehren. Solange die von Hass und Hetze profitieren, wird unsere Gesellschaft (und nicht nur unsere) weiter gespalten und zu Grobheit und Rücksichtslosigkeit erzogen.

Kurzum: Stärkt die europäische Idee, stärkt die internationale Verständigung und Zusammenarbeit, und verweigert Euch den Versuchen, gewalttätige Auseinandersetzungen zu normalisieren, genauso wie den Versuchen, Staaten mit Foltergefängnissen als normale Partner zu sehen.

W. R.

Der Tresen über Trump

LEIDER entkommt man dem Thema „Trump“ nicht, auch in meiner Stammkneipe ist er ständig Thema in der Tresen-Stammtischrunde:
„Wat will er denn mit seinen Zöllen erreichen? Der blickt doch gar nicht durch, wat er damit alles kaputt macht!“
„Die Wirtschaft kann er damit auf keinen Fall beglücken, für die ist das Gift. Die Wirtschaft braucht friedliche Handelsbeziehungen, braucht Verlässlichkeit. Und die Produzenten und Investoren brauchen sie vor allem, um Planungssicherheit zu haben. Sonst investiert doch keiner mehr langfristig, es wird fast nur noch auf kurzfristigen Gewinn spekuliert…“
„Genau, Spekulation ist das Stichwort. Wie man hört, haben einige Trump-Vertraute die durch den Zoll-Rundumschlag ausgelösten Börsen-Turbulenzen kommen sehen und schnell abgesahnt. Das ist, glaube ich, überhaupt der Kern der Trump-Politik: die eigene Klientel bereichern, egal auf wessen Kosten.“
„Da ist was dran! Und wer zahlt das an der Kasse? Dreimal dürft ihr raten. Natürlich die Ärmeren, die breite Bevölkerung. Die Zölle treiben die Preise hoch, das können sich viele Arme nicht leisten, die Reicheren schon. Aber die ganz Reichen profitieren, weil Trump ihnen Steuern senkt oder streicht, sodass Reiche noch reicher werden, und Arme noch ärmer. Das ist der ganze Zweck von Trumps Politik: Umverteilung von unten nach oben. Und verschleiert wird das durch nationalistisches Geschwätz, aber das ist nur Show, und von Show versteht Trump mehr als von Wirtschaft.“
„Genau! Und auch das Geschwätz von nur Mann oder Frau und nur Familie Vater-Mutter-Kind und all der Quark, das ist bloß Ablenkung von den wahren Absichten. Die ungebildeten Massen, die nicht durchblicken, lassen sich emotional aufrühren und vom Denken ablenken.“
„Eben. Und darum hassen Trumps Leute die Universitäten, wo Leute selbständig denken, und wollen sie auf Linie bringen. Das ist, man glaubt es kaum, das ist reiner Ostblock!“
„Wenn Trump damit durchkommt, ist die Demokratie in den USA erledigt. Menschenrechte? Gibt’s dann nur noch für weiße, männliche US-Bürger. Für andere werden die Bürgerrechte eingeschränkt. Darauf läuft’s hinaus.“
„Armes Amerika!“
„Ich trinke ja gar keinen Whisky, darum kann ich amerikanischen Whiskey nicht boykottieren. Aber was ist mit den social media? Ich überlege schon, auch noch aus What’sApp auszusteigen. Und die Google-Suchmaschine nutze ich schon lange möglichst gar nicht, wenn’s geht.“
„Ja, unser Europa sollte mal in die Puschen kommen und die BigTech-Konzerne wie Meta ordentlich besteuern. Und sie endlich dazu nötigen, Hass- und Nazi-Sachen zu löschen — besonders dann, wenn sie gemeldet werden. Aber die verstecken sich hinter ihrem seltsamen Verständnis von Meinungsfreiheit.“
„Und unterstützen in Wahrheit durch ihre Algorithmen die extremen, radikalen, heftigsten Beiträge, fördern Beleidigungen und Hass, statt dagegen einzuschreiten.“
„Genau! Das ist ihr eigentliches Geschäftsmodell. Und da sind wir wieder beim Anstacheln von Emotionen, um Leute vom Denken abzuhalten: sie sollen nur spontan ihre Likes setzen.“
„Wenn man genau hinsieht, dann ist das ein Spiel für Doofe, bei dem immer der Betreiber der Plattform gewinnt. Deshalb dürfen wir ja auch nichts über die Programmierung ihrer Algorithmen erfahren.“
„Also, das Mindeste ist, dass wir uns nach Alternativen zu diesen von US-Milliardären gesteuerten Angeboten umsehen.“
„Ja, aber komm mir jetzt nicht mit TikTok, ich will meine Daten nicht an China geben, Ist schon schlimm genug, dass Google etc. schon mehr über mich wissen, als ich mir vorstelle.“
„Nee, TikTok ist keine Alternative. Aber es gibt noch andere. Und hier in Europa basteln sie auch an was, ich weiß im Moment nicht..“
Die Bedienung brachte mein Essen, ich war abgelenkt, hatte aber auch genug gehört, darunter Manches zum Nachdenken.
Das war auf jeden Fall ein Gewinn: Nachdenken bringt’s. Ich bin immer dankbar für „food for thought.“ —

P.S. Warum sind Trump und seine Komplizen, warum sind die Rechtsnationalen und Rechtsradikalen gegen Klimaschutz, warum leugnen viele von ihnen sogar ganz den Klimawandel, warum wollen sie vor allem nicht hören, dass der Klimawandel zum größten Teil menschengemacht ist? Denkt mal nach. —— Na? Es geht im Kern um die Verbrennung fossiler Brennstoffe zur Energiegewinnung. Das Geschäft mit fossiler Energie läuft so gut, das hat schon Viele zu Milliardären gemacht — damit will man doch nicht aufhören, sondern weitermachen wie bisher und Geld scheffeln und scheffeln und scheffeln… Und man hat von den Milliarden ein paar Millionen übrig, um die Meinung von Millionen Menschen zu beeinflussen und sie zu Leugnern des Klimawandels zu machen. Dabei stellt sich überhaupt nicht die Frage, was denn für diese Millionen von Menschen — eigentlich sprechen wir von Milliarden Menschen — wirklich gut wäre, und was sie vor den schlimmer werdenden Folgen des Klimawandels schützen kann. Das Wohl der Menschheit? Pfff— Wir machen so lange wie möglich weiter mit unserem fossilen Geschäftsmodell. Und wenn der Globus unbewohnbar wird, Elon Musk wird uns Superreiche schon evakuieren und uns ein Leben auf dem Mars ermöglichen, schließlich zahlen wir ja dafür. Die armen Schlucker müssen dann leider auf dem brennenden Globus zurückbleiben.

W. R.

Wir sind alle Grönländer

Eigentlich wollen wir zum Thema „Trump“ schon gar nichts mehr hören, weil uns sein Auftreten in den Nachrichten inzwischen nur noch nervt und Manchen total zuwider ist. Aber hier auf fu-frechen. de wollen wir trotzdem immer noch versuchen, die Welt tiefer zu begreifen und da, wo es möglich ist, sinnvoll mitzugestalten. Darum stellen wir hier noch einmal ein paar Dinge klar:

1. Man muss es einmal klar und deutlich benennen: Donald Trumps Verhalten in Sachen Grönland ist eine grobe Unverschämtheit. Es ist nicht damit getan, die Achseln zu zucken und zu sagen: So isser eben, der Trump. Nein, er ist kein Privatmann oder Geschäftsmann, er hat ein Amt zu führen und damit eine immens große Verantwortung. Darum kann er nicht einfach seine persönlichen Vorlieben und Marotten in die große Politik einführen und so tun, als sei das allein seine Privatsache oder „eben sein Stil“. Sein Stil der Falschbehauptungen, der Faust auf dem Tisch, der Dohungen und Erpressungen ist einfach unpassend für dieses Amt. Er gehört da nicht hin, wenn er unfähig ist, die Regeln des internationalen Umgangs und der Diplomatie zu respektieren. Vor allem kann er so nicht ein Land repräsentieren, das als Demokratie gilt.

2. Trumps weltpolitische Grundausrichtung ist, unabhängig von seiner Person, ein Thema der US-Außenpolitik schon seit Jahren: China wird zum globalen Rivalen, die USA wollen sich stärker auf den Großraum Indo-Pazifik konzentrieren. Das ist also nicht neu. Und wir wissen auch, dass schon seit Präsident Obama immer wieder an Europa appelliert wurde, sich verstärkt um die eigene Verteidigung zu kümmern und sich nicht voll auf die USA zu stützen. Daher gab es schon vor Trump die Forderung, Nato-Verbündete in Europa sollten ihre Etats für ihr Militär erhöhen. Doch die Angesprochenen hörten gern weg, die meisten glaubten, sie könnten die „Friedensdividende“ (seit 1990) weiter einstreichen und ihr Militär zusammensparen. Für die atomare Abschreckung sorgten ja ohnehin die USA. Man erwartete weiterhin, dass die westliche Führungsmacht ein starkes Militär unterhalte, Schutzmacht für Europa bleibe und im Zweifel den Weltpolizisten spiele.

Deutsches Militär beteiligte sich zwar an mehreren Auslandseinsätzen, spielte dabei aber keine tragende Rolle (am ehesten vielleicht noch in Mali). In Afghanistan waren die Soldaten der Bundeswehr in vieler Hinsicht von den US-Streitkräften abhängig und galten in Deutschland auch eher als Brunnenbauer für die armen Dörfer denn als wirksame Bekämpfer der Taliban oder terroristischer Splittergruppen. Das beruhigte die weithin pazifistisch gesinnte deutsche Bevölkerung. Noch konnte man bei uns die Abschaffung („Aussetzung“) der Wehrpflicht und die Vernachlässigung der Verteidigungsausgaben begründen.

Damit ist es vorbei, seit klar wurde: Unser Großlieferant für günstiges Gas führt uns hinters Licht, er ist weder ein Freund des bestehenden politischen Sicherheitssystems noch der Selbstbestimmung der Völker. Und er holt sich mit Gewalt, was er will — wenn man ihn lässt. Dabei nimmt er null Rücksicht auf Menschen; seine Kriegführung schont weder Zivilisten noch lebensnotwendige Infrastruktur, ja nicht einmal seine eigenen Soldaten. Gewalt und Folter sind für ihn offenbar ganz normale Mittel der Durchsetzung. So hat er es während seiner Geheimdienstkarriere gelernt, und so wendet er sie an.

In dem Moment, wo Europa und Teile der deutschen Regierung immer noch zögern, die angegriffene Ukraine mit vollem Einsatz zu unterstützen, tritt der worst case ein: Trump wird erneut Präsident der USA. Nun rächt sich, dass man versäumt hat, Putin militärisch konsequenter entgegenzutreten. Trumps sofortige Kehrtwende in der Russland-Politik, seine Anbiederung an Putin in der Annahme, so zu dem von ihm angekündigten schnellen Friedensschluss in der Ukraine zu kommen, wirft strategisch viele Puzzle-Teile durcheinander. So schnell wie nötig können sich die europäischen Regierungen gar nicht auf ein gemeinsames Konzept einigen, geschweige denn, es zeitnah umsetzen.

3. Mal abgesehen von den laufenden Irritationen durch Trumps sprunghafte, oft unberechenbare Entscheidungen muss man den Blick auch auf die ideologische Ausrichtung Trumps und seiner Regierungsmannschaft richten. Was da im Inneren der USA wie in den Beziehungen zu Nachbarstaaten und Nato-Verbündeten abgeht, hat eine zutiefst verstörende Qualität, mehr noch: eine zerstörerische Zielsetzung. Trump hat nur treue Gefolgsleute an seine Seite geholt, ihre Qualifikation für das Amt und seine Aufgaben war nebensächlich. Die ideologische Ausrichtung wird geprägt von erzkonservativen, teils faschistoiden Vorstellungen von Staat und Gesellschaft. Schon lange haben rechtsgerichtete Leute in den Thinktanks am Konzept gefeilt, das für den Fall erneuter Trump-Amtszeit mit Macht umzusetzen sei. Schon lange betrieben rechtsgerichtete Fortschritts-Feinde in den USA eine Kampagne zur Verteufelung aller modernen Gesellschafts-Ideen, sie bekämpften liberale Abtreibungsgesetze, zogen gegen Gleichstellung der Geschlechter, der Hautfarben, der Menschen überhaupt zu Felde. Sie propagierten die Rückkehr zu überholten Vorstellungen von Geschlechterrollen, sie priesen antiquierte Männlichkeitsideale vom „starken (und gewaltbereiten) Mann“, sie leugneten die naturgegebene Vielfalt der Geschlechter und der sexuellen Orientierungen zugunsten eines rigiden Mann-Frau-Schemas. Dabei mischten auch streng-religiöse Evangelikale mit, die alles in der Bibel Geschriebene wörtlich nehmen und als Gottes Willen verstehen wollen. (An anderer Stelle* war schon zu lesen, dass solches Denken zu autoritär-rückwärtsgewandten Einstellungen führt und modernen Staaten nicht kompatibel ist, schon gar nicht einer Demokratie.)

Diese ideologische Rolle rückwärts wollen Trump und seine Mittäter nicht nur in den USA vollziehen, sondern möglichst überall in der Welt, wo sie Einfluss nehmen können. Beispiel: >Europäische Firmen sollen Trumps Anti-Diversitäts-Linie folgen – DER SPIEGEL Also aufgepasst: Trump und sein Gefolge sind eine Gefahr für die Menschheit — vorausgesetzt, die Menschen wollen sich nicht einer Knute beugen, sondern ihre persönliche Freiheit behalten und verteidigen. Was wir schon in den USA sehen, wollen diese Trump-Follower der ganzen Welt aufdrücken, und wo sie können, aufzwingen. Da sind sie sich übrigens mit dem Putin-Regime ziemlich einig.

Es ist mehr als nachvollziehbar, dass weder Grönländer noch Kanadier unter einem solchen Regime leben wollen! Und daher, liebe Freundinnen und Freunde der Menschenrechte und der Demokratie, sind wir auch Grönländer! Oder Kanadier, oder die Vielen in den USA, die mit der geistigen Verarmung eines Rückschritts ins 19. Jahrhundert nicht einverstanden sind! Denn Viele erkennen: Die wahre Agenda von Trump und seinen Komplizen ist das genaue Gegenteil seines Slogans „Make America great again.“

W. R.

* siehe Unterseite Höheres

Nachtrag am 02.04.2025: Um ihrem Ziel näher zu kommen und alle Andersdenkenden zu verwirren, haben die rechten Verschwörer sich dahin abgesprochen, jede Menge Fake News und Verschwörungsfantasien in die Welt zu setzen. Was wahr ist, soll nicht mehr klar sein, sie säen Zweifel und Misstrauen, ersetzen Fakten durch Falschbehauptungen und wollen ihre eigenen Fakes als geglaubte Wahrheit etablieren. Glaubt Ihr nicht? Habt Ihr noch Bohnen in den Ohren? Oder habt Ihr gedacht, „1984“ von George Orwell sei nur eine harmlose, frei fantasierte Erzählung?

Gerade kündigen mehrere namhafte Historiker, die besonders zum Faschismus forschen, ihre Stellen an renommierten Universitäten und verlassen die USA. Das spricht für sich. Denn die Trump-Bande hat die geistige Elite zu ihrem Feind erklärt. Was sie gar nicht braucht, sind kritische DenkerInnen. Wie schon die Regierungsmannschaft, so soll auch das Land auf Linie gebracht werden.

Neulich las ich in einem Buch über die Kölner Universität in der Nazizeit. Was da ab 1933 vor sich ging… Plötzlich fiel es mir auf: Was Trump und seine Schergen aktuell in den USA versuchen, hat verdammte Ähnlichkeit mit dem Treiben der Nazis, um die Universitäten unter Kontrolle zu bringen.

Zusatz am 03.04.25: Trump nervt weiter und haut der ganzen Welt einen Rundumschlag von Zöllen um die Ohren. Wirtschafts-Fachleute schütteln nur noch den Kopf, sowohl über Trumps Begründungen als auch über die zu erwartenden Folgen auch für die USA. Aber Zölle waren ja schon lange Trumps Lieblingsspielzeug, wohl weil ihm irgendwer vor etlichen Jahren eingeflüstert hat, damit könnte er sich als großer Macher und Weltpolitiker in Szene setzen. Dabei scheint er nicht einmal abschätzen zu können, was er damit anrichtet. Aber ihn interessiert erst einmal die große Show mit seinem Zoll-Paukenschlag. Morgen oder übermorgen haut er wohl schon den nächsten Klops raus, um die Welt zu schocken.

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Macht Euch nichts vor

Alle diskutieren und rätseln und wollen wissen, wie man die aktuelle Regierungsweise von Donald Trump und seinen Komplizen mit einem Begriff beschreiben — oder wenigstens benennen soll.
Kluge Leute beschreiben das Vorgehen Trumps als disruptiv, manche nennen es auch Mafia-Methoden, und wieder andere suchen nach einem passenden Begriff, weil es so etwas in der modernen Geschichte bisher nicht gegeben hat.
Offensichtlich ist die Ära Trump2 (oder, wie ich sie auch nenne: Trump-Musk) von langer Hand geplant und vorbereitet worden. In der politischen Sphäre wurden die letzten „anständigen“ Politiker der Republikanischen Partei überrumpelt oder kaltgestellt, im Bereich Justiz wurden, wo immer es ging, liberale Richter gegen erzkonservative ausgetauscht, was im Supreme Court eine für die Demokratie fatale Folge hatte: Man verfügte auf Antrag, dass ein amtierender Präsident der USA von jeglicher Strafverfolgung ausgenommen sei!
Das war passgenau für Trump gemacht, der sich damit mehrerer gegen ihn laufender Anklagen entziehen konnte. Schlimmer noch: Trump bekam dadurch Narrenfreiheit für seine sich anbahnende zweite Amtszeit. Denn die Mehrheit im Supreme Court entschied auch: Im Amt wie auchdanach kann der Präsident nicht juristisch belangt werden.
Man stelle sich vor: Ein Mann, der vor Jahren einmal in einem Interview sagte, er könne sich viel erlauben, und nicht einmal dann, wenn er in New York auf offener Straße jemanden erschieße, werde er dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Das hörte sich damals flapsig und großmäulig an, man nahm den prahlerischen Trump nicht richtig ernst. Aber nun ist einer seiner größten Träume wahr geworden, er kann praktisch unbegrenzt mit seinen Dekreten schalten und walten — und er hat in den ersten Wochen seinen neuen Amtszeit bereits exzessiv Gebrauch davon gemacht, unterstützt von seinem Komplizen Elon Musk, der auch keine Grenzen akzeptiert. Da nehmen zwei Über-Egomanen die Welt auseinander.
Die Kaskaden von Dekreten, großen Ankündigungen und Drohungen, die Zerstörung von gewohnten, funktionierenden Institutionen und Beziehungen im Lande wie außerhalb der USA halten die Welt in Atem, verbreiten Entsetzen und lähmen die Formierung von Widerstand. Das, wie gesagt, wurde möglich durch eine Planung, die rechtslastige Thinktanks in den USA jahrelang betrieben haben, von Milliardären unterstützt. Und bei Trumps Amtseinführung standen, für alle Welt sichtbar, neben Musk auch andere Tech-Milliardäre in der ersten Reihe seines Hofstaates.
Diese Tech-Milliardäre waren z.T. kurzfristig um ihrer Geschäfte willen umgeschwenkt und führten vor, was man unter Opportunismus versteht.
Davon (macht Euch da nichts vor!) ist praktisch die ganze Welt betroffen, nicht nur die Welt des Internets mit seinen Kommunikationsplattformen.
Was das bedeuten kann, dafür nur ein Beispiel: Musk betreibt das Kommunikationssystem „Starlink“ mit seinen zahlreichen Satelliten. Neben vielen Anderen nutzt auch das Militär der Ukraine diese technische Möglichkeit zur zielgenauen Steuerung von Drohnen und anderen Angriffsmitteln. Als vor einiger Zeit ukrainische Seedrohnen einen Angriff gegen russische Kriegsschiffe im Schwarzen Meer starteten, schaltete Musk sein Starlink ab, und die Drohnen liefen ziellos ins Nichts. Damit griff Musk schon lange vor Trumps Anlauf zur 2. Präsidentschaft direkt zugunsten Russlands in das Kriegsgeschehen ein.
Im Rahmen der jüngsten Diskussionen über Abhängigkeiten Deutschlands bzw. Europas muss ich sagen: Schon solche Vorkommnisse hätten vor allem MIlitärs in Europa wachrütteln müssen. Aber wir haben ja erlebt, wie die öffentlichen Debatten während der letzten drei Jahre liefen…
Jetzt lamentieren Viele, dass wir zu abhängig sind von den Beherrschern des Internets, dass wir keinen Einfluss auf deren Gestaltung von Algorithmen, nicht einmal Einblick haben; dass sie sich nur um ihren Profit kümmern und der Verseuchung der „social media“ durch Fake aller Art und der Verrohung der Debatten keinen Riegel vorschieben. Warum? Das ergibt sich aus ihrem Geschäftsmodell. Wenn es sich finanziell lohnt, sind sie demokratisch gesinnt, aber spätestens als Trump an die Macht kam, schwenkten sie um und unterstützen nun Autokraten und Diktatoren. Beispiel: Wieder mal Musk, der jüngst bei den Protesten gegen Erdogan nach der Verhaftung von dessen Gegenkandidaten eingriff und die Konten der Erdogan-Kritiker auf „X“ sperrte.
Für Musk ist sowas eher Spielerei nach dem Motto: Ich kann es, also mache ich es und mische da mit, wo ich gerade Laune zu habe. In die Politik eingreifen ist für ihn ein Hobby. Und mir ist es schleierhaft, wie die AfD sich einerseits die Hilfe des schwerreichen Musk gern gefallen lässt, andererseits aber eine Volkspartei sein will und gegen „die da oben“ Ressentiments schürt. Aber das hat ja auch bei Wählern in den USA funktioniert, die Trump wegen seines hemdsärmelig-populistischen Auftretens wählten — obwohl er keiner von ihnen ist und sogar mit seinem Vermögen prahlt. Doch bei den Rechten sind Widersprüche kein Problem: Man will ja keine denkenden Wähler, sondern zielt auf ihren Bauch und wünscht sich emotional gelenktes Stimmvieh.

Macht Euch nichts vor! Das ist ein Feldzug gegen Demokratie, Menschenrechte, friedlichen Interessenausgleich und Rücksichtnahme auch auf Schwächere, gegen Umweltschutz, gegen ein Menschenbild der Verschiedenheit, Gleichberechtigung und Freiheit — ein Feldzug, von langer Hand vorbereitet und mit überfallartiger Geschwindigkeit umgesetzt. (Beim Militär nennt man diese Taktik „shock and awe“.) Man hätte das schon lange kommen sehen und sich vorbereiten können — doch zu Viele konnten sich nicht vorstellen, dass die Tiraden, Ausfälle und Lügen eines Trump nicht nur ernst gemeint waren, sondern auch seine praktische Politik bestimmen würden. Jetzt stehen wir da, werden täglich mit Grenzüberschreitungen überrumpelt und haben kaum Mittel dagegen — so scheint es zumindest. Selbst das inkompetente Handeln in der US-Regierung (siehe „Signalgate“) hat zumindest vorläufig keine negativen Folgen für sie selbst. Auch Trumps Amok-artige Zolldiktate (eins seiner liebsten Spielzeuge) haben zunächst keine spürbaren Nachteile für ihn und die US-Wirtschaft.

Aber: Lasst Euch nicht bluffen und blenden, diese Agenten des Bösen sind weder allmächtig noch superklug. Sie sind Menschen mit Fehlern, und sie haben solche Angst vor Bedeutungslosigkeit, Tod und Vergessen, dass sie ihre Energie darauf konzentrieren, in die Geschichtsbücher zu kommen und als „wichtig“ zu gelten, koste es, was es wolle. Bestes Beispiel ist der Wichtigtuer Trump, dem einige Leute unglücklicherweise den Gefallen taten, ihn zum offiziell mächtigsten Mann der Welt zu machen. Soviel zum Thema „Homo Sapiens“. Wir irren vorwärts, aber wohin? Rolle rückwärts in die Gedankenwelt des 18. Jahrhunderts — wenn es nach Putin und Konsorten geht: Liebe Untertanen, lasst Euch massenhaft massakrieren, damit Euer Führer auf der Landkarte eine Grenze verschieben und Ruhm für die Geschichtsbücher ernten kann. Wir glaubten einen Moment lang, so etwas sei Vergangenheit, und die Welt sei klüger geworden. Denkste!

Was bleibt als Schlusswort? „Es gibt nichts Gutes, außer, man tut es.“

W. R.

Nachtrag zum o.a. Supreme-Court-Entscheid: Wie sich schon bald zeigte, war (bei einem Narziss und Selbstüberschätzer zu erwarten) Donald Trump diese Freikarte so zu Kopf gestiegen, dass er auf Richterentscheidungen überhaupt keine Rücksicht mehr nahm. Er ignorierte Richter, die Verfügungen als rechtswidrig zurückwiesen, und inszenierte z.B. willkürliche Verhaftungen und Abschiebungen, bevor jemand dagegen juristisch vorgehen konnte. De facto setzt Trump also die Justiz außer Kraft, wenn es ihm passt. Jetzt zeigt sich, warum er Putin bewundert. Er will auch absoluter Herrscher werden.

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Der Dealmaker — ein Versager?

WER wundert sich über Donald Trump und seine Reden und Dekrete seit der 2. Amtseinführung? Im Grunde macht er konsequenter als zuvor weiter, wo er in seiner 1. Amtszeit nicht weiter gekommen war.
Ich persönlich machte mir schon vor seiner ersten Amtseinführung keine Illusionen über seinen Charakter, und wer will, kann frühere Blog-Beiträge aus jener Zeit nachlesen. Besonders aktuell ist: „Putins Freund…“ vom 3. März 2022, nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine (24.02.2022).

Als Symptome für Trumps Wesen und seine Absichten nenne ich hier nur zwei Dinge: 1. Beim Einzug ins Weiße Haus im Januar 2017 ließ er die Vorhänge im Oval Office, dem offiziellen Arbeitszimmer des Präsidenten, austauschen: statt in eher gedeckten Tönen nun goldfarben. Sofort assoziierte ich damit den goldenen Prunk absolutistischer Herrscher der Vergangenheit.
In der Gegenwart fand und findet man viel Gold-Prunk allerdings auch im Kreml. Inzwischen schwant mir, dass auch das kein Zufall ist. Trump hat schon seit Jahren (1987ff.) eine besondere Beziehung zu herrschenden Kreisen Russlands, und er bewundert W. Putin (nach eigenen Worten).
Wer von Trumps jüngsten Auslassungen über Putin, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und Präsident Selensky überrascht ist, der hat vergessen oder ignoriert, dass Trump zu Beginn des russischen Angriffs (24. Februar 2022) Putin als „Genie“ bezeichnete. Alles klar, oder?
Trump ist entweder vom KGB und Putin fasziniert oder — wer weiß? — bei irgendwas während eines Besuchs in Moskau gefilmt worden und damit erpressbar. Oder hat jemand eine andere Erklärung für sein Verhalten, das weder politisch klug noch mit der bisherigen Außenpolitik der USA in Einklang zu bringen ist?

Außerdem straft Trump sein Selbstlob als großer Dealmaker Lügen, wenn er Putin die Erfüllung von dessen Wünschen verheißt, schon bevor Verhandlungen über das Ende des Krieges gegen die Ukraine überhaupt begonnen haben. Trump verhält sich (man traut sich kaum, es laut zu sagen:) wie ein Agent Moskaus. Und schon bei seinem sehr deutlichen Wahlsieg im November letzten Jahres fragte ich mich, ob da außer dem Stimmenkauf von E. Musk noch andere unlautere Mittel von unbekannter Seite nachgeholfen haben könnten.

Ich hätte Trump als guten Dealmaker akzeptiert, wenn sich herausgestellt hätte: Trump wollte mit Lockangeboten Putin an den Verhandlungstisch bringen, um ihn dann zu einem Teil-Rückzug zu bewegen und mit der Drohung zu konfrontieren, andernfalls die Ukraine weiter zu unterstützen und Russland mit weiteren Sanktionen zu strafen. Doch danach sieht es nicht aus. Man kann deshalb aus westlicher Sicht nur feststellen: Trump als Verhandlungsführer ist ein Versager.
Trump agiert auch in seiner 2. Präsidentschaft ungeniert wie ein Lügenbaron, wie seine jüngsten Äußerungen über den Ukrainekrieg und Präsident Selensky deutlich machen. Die Wahrheit interessiert Trump überhaupt nicht — es sei denn, sie könnte seinen Geschäften nutzen.

Gerade Letzteres muss man auch seinen WählerInnen in den USA anlasten, denn die wussten genau, wen sie wählten. Wenn sie demnächst enttäuscht von „ihrem“ Präsidenten sind, müssen sie sich an die eigenen Nase fassen. Aber für Einsicht ist es dann zu spät, Trump schafft rigoros Fakten und mischt die internationale Politik wie auch das politische System der USA auf. Wer profitiert davon? Die Ölmilliardäre, die seit Jahrzehnten die Klimaleugner-Kampagnen finanzieren und die Pläne für Trumps 2. Amtszeit ausgearbeitet haben, weil sie weiter wie bisher unsere Erde verheizen wollen (genau wie Putin). Und, ach ja, natürlich Elon Musk, der sich da hineingedrängt hat und als angeblicher Kämpfer für die Meinungsfreiheit rechtsradikale Parteien und Gruppen in aller Welt fördert (wie Putin). Man hat schon Kostproben seines radikalen, aber teils inkompetenten Wirkens auf die US-Bundesbehörden sehen können.

Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass die Wahlempfehlung von E. Musk für die AfD unserem Land nützen könnte? Uns rettet nur eins: eine starke demokratisch geprägte Regierung und ein Europa, dass sich ganz schnell zusammenrauft und durch Geschlossenheit sein schwächelndes Gewicht in der Weltpolitik stärkt. Make Europe great again! Und vergesst den Blödsinn vom „Europa der Vaterländer“ — das ist 19. Jahrhundert! Opas Nationalismus ist total out.

Heute gilt für alle Staaten Europas: Allein machen sie Dich ein! Jetzt, wo sich mit China, Russland und den USA drei große Mächte gegen die Demokratie stellen und die internationale Zusammenarbeit zerstören, kann man nur noch durch Zusammenhalt gegensteuern und sich behaupten.

W. R.

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24.02.25Neues zu Trump 2 (oder vielleicht sollte man sagen: Trump-Musk): Donald Trump und die Wissenschaft: Drehen wir den Brain Drain doch um! – DER SPIEGEL Neu ist daran nicht Trumps feindliche Haltung gegenüber der Wissenschaft, sondern sein Frontalangriff auf alles, was sich der Wahrheit verpflichtet fühlt und Fakten benennt. Der Schaden für das Land wird bald sichtbar werden. —

16.03.25 Während Trump Putin hofiert, schadet er massiv (und das heißt, auch mit vermehrten Todesopfern) der Ukraine: Er ließ vorübergehend den Zugang der Ukraine zu US-Geheimdienst-Informationen abschalten — mit der Folge, dass Putins Großangriff auf Städte und Infrastruktur nur teilweise abgewehrt werden konnte, und dass das russische Militär in die Lage versetzt wurde, einen Teil des Kursker Gebietes zurückzuerobern, das die Ukraine im vorigen Jahr eingenommen hatte. Und das ist längst nicht alles: >ChatGPT und Perplexity AI: Russland manipuliert westliche Chatbots für seine Propaganda – DER SPIEGEL Wer da noch Trump-Fan bleibt, muss sich winden, um dieses Verhalten noch zu rechtfertigen!

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Mehr als nur ein bisschen Frieden

Viele Menschen bewegt die Frage: Was ist in der Welt los, wenn gewaltaffine Machthaber zunehmend die Weltpolitik beeinflussen, wenn ihre Kritiker und Gegner gefangen gehalten, gefoltert, umgebracht werden, wenn Machthaber in Wahnvorstellungen von einer Großmachtstellung oder Weltherrschaft Kriege anzetteln und Nachbarländer überfallen… ?
Seht Euch das Gebaren dieser Machtpolitiker an: Vor Kameras spielen sie den „Starken Mann“, der alles (und noch mehr) im Griff hat und jeden Widerstand platt macht. Diese autoritären Herrscher und Diktatoren haben sich mit Hilfe des Militärs an die Macht geputscht oder nach einer Karriere im Geheimdienst mit allen dort erlernten Mitteln und Tricks sowie Seilschaften alter Kollegen an die Macht gedrängt.
Damit ist nicht hinreichend erklärt, warum es viele solcher Typen gibt und warum Viele ihnen nacheifern und Macht über Menschlichkeit stellen, ja sogar letztere ganz aus den Augen verlieren. Diese Typen glauben, es sei gerade die Rücksichtslosigkeit, die sie nach oben bringe. Und sie bilden sich ein, dafür besondere Bewunderung zu verdienen, weil sie auf ihre speichelleckende Entourage hören. Es wäre besser für unsere Gesellschaft und für die Welt überhaupt, wenn sich viel mehr Leute einig wären, solches Verhalten zu ächten und nicht nur moralisch fragwürdig zu finden.

Wer, um seine Macht zu vergrößern, keine Skrupel kennt und auch nicht danach fragt, was es den betroffenen Menschen bringen soll, an einer Front verheizt zu werden in einem Krieg, der den meisten Menschen im Land der Angreifer rein gar keinen Vorteil bringt, der gehört geächtet und vor ein Gericht gestellt. Und das Land der Angegriffenen sollte jede Unterstützung bekommen, den Angreifer zurückzuschlagen, um den Schaden zu begrenzen und weitere Schäden zu verhindern.

Was bringt es denn dem einzelnen Staatsbürger, sich für aggressive Politik einspannen zu lassen? In Deutschland gibt es wahrlich genug historische Beispiele vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Zweiten Weltkrieg, die uns klar machen: Krieg ist Mist. Und in der Regel brechen Kriege nicht aus, sondern werden mit Absicht riskiert oder sogar angezettelt. Manchmal aus männlicher Ehrenpusselei, mal als Ausflucht vor Kritik im Inneren, mal aus plattem Kalkül der Machtgier und der Aussicht auf reiche Beute, etc.

Krieg ist aber auch für die Mächtigen riskant, die sich daraus Vorteile versprechen. Wie die Geschichte zeigt, werden selten die Vorstellungen erfüllt, die sich Angreifer ausgerechnet oder erhofft haben. Schon Herodot, der erste Historiker der Griechen, berichtet von einem König, der ein Nachbarland angreifen wollte und vorher ein Orakel über seine Erfolgsaussichten befragte. Die Antwort: „Wenn du diesen Krieg beginnst, wirst du ein großes Reich zerstören.“ Das nahm er erfreut als Verheißung auf und griff an. Doch das Resultat war: Er wurde geschlagen, das Reich, das er zerstörte, war sein eigenes.

Denken Sie selbst an Beispiele, Sie finden sicher welche von Kriegen, die für die Angreifer im Desaster endeten. Historische Studien haben festgestellt: Krieg verläuft nie nach Plan.

Auch aktuell sehen wir, dass Putins Plan für seinen Eroberungskrieg gegen die Ukraine nicht aufging. Alle Welt hat gesehen, dass sein „Blitzkrieg“-Vorstoß auf Kiew im Desaster und mit Rückzug endete. Und dass ab März 2022 der Krieg anders verlief, als russische Militärs sich das gedacht hatten. Was den weiteren Kriegsverlauf betrifft, so treten in unseren Medien immer wieder Militärexperten und auch selbsternannte Experten auf, die wissen wollen, was für die Zukunft zu erwarten sei.

Darunter sind Stimmen, die verkünden, dass Russland diesen Krieg gar nicht verlieren könne, weil es ein so großes Land sei. Das klingt in meinen Ohren oberflächlich, wenn nicht naiv. Wer keine Ahnung von militärischen und kriegslogistischen Dingen hat, neigt vielleicht dazu, so etwas für überzeugend zu halten. In diesem Krieg sind aber bisher schon einige Dinge passiert, die manche Pessimisten nicht für möglich hielten, weil sie die Ukraine von vorneherein für hoffnunslos unterlegen hielten.

Manchmal beschleicht mich das Gefühl, die Unterstützung aus westlichen Ländern für die Ukraine kam (aus was für Gründen auch immer) nicht zügig und konsequent, man debattierte (vor allem bei uns) über Waffengattungen und ihre Wirkungsweise, man äußerte Furcht vor Eskalation, man wollte Putin nicht reizen…. Dabei war es doch Putin, der keine Rücksicht auf irgendwen nahm und diesen Krieg vom Zaun brach. Und Putin drohte und droht immer wieder mit Eskalation durch Einsatz von Nuklearwaffen. Warum wohl?

Immer noch fordern Friedensbewegte, unsere Regierungen sollten mehr „die hohe Kunst der Diplomatie“ nutzen und weniger von Waffenlieferungen reden. Dazu fällt mir zuerst immer das Foto aus dem Kreml ein, wo im Februar 2022, einige Tage vor dem russischen Angriff, Kanzler Scholz zum Gespräch mit Putin an einem Tisch sitzt, und Putin hat ihn sich an einem absurd langen Tisch gegenüber gesetzt. Das war schon die symbolische, bildliche Verhöhnung aller diplomatischen Bemühungen. Putin ließ sich nicht vom Krieg abhalten. Putin, der Machtmensch, zeigt gern in Bildern, was für ein machtvoller, starker Kerl er sei.

Unsere Friedenbewegten im Lande greifen ständig unsere Regierung und „den Westen“ wegen „zuwenig diplomatischer Benühungen“ an, reden aber fast gar nicht von der Gegenseite am Verhandlungtisch. Und da kommen wir wieder an den Anfang, an den nicht vorhersehbaren Verlauf von Kriegen. Gegen die historische Erfahrung wird behauptet, die Fortsetzung der Unterstützung für die Ukraine sei sinnlos, man müsse sofort über Waffenstillstand verhandeln. „Jeder Krieg endet am Verhandlungstisch“, riefen sie. Ja, aber soweit sind wir doch noch nicht. Die Frage lautet zuerst: Was muss entscheidend passieren, damit überhaupt verhandelt wird?

Solange Putin sich von der Fortsetzung des Krieges mehr verspricht als von einem Waffenstillstand, wird er nicht ernsthaft in Verhandlungen eintreten wollen. Das liegt auf der Hand. Leider war aber die Unterstützung der Ukraine nicht so konsequent, wie sie hätte sein müssen, damit Putin größere militärische Niederlagen erlitten hätte. Nur das hätte ihn umstimmen können.

Darüber hinaus muss man sich klarmachen: Der Charakter Putins und seines Herrschaftsapparates ändert sich nicht, wenn er irgendwelche Vereinbarungen über Waffenstillstand oder Frieden unterschreibt. Das ist ja nach wie vor Fakt: Putin hat gezeigt, dass er Vereinbarungen und Verträge ignoriert, wenn es ihm Vorteile bringt. Darum ist mit seiner Unterschrift noch nicht viel gewonnen. Einen Frieden bekommen wir erst, wenn er effektiv eingebunden wird in ein Sicherheitssystem, das in Europa wieder stabile Grenzen und deren Respektierung schafft.

Ich halte es für eine Illusion zu glauben, dass Russland seine imperialen Ziele aufgeben wird, nachdem Putin schon die Geschichtsbücher für die Jugend umschreiben ließ und ständig Propaganda für seine Vorstellung der „russischen Welt“ macht. Wenn einer schon Stalin (!) als Vorbild wiederbelebt und seine Soldaten Gräueltaten unter Zivilisten begehen lässt (Die Militär-Einheit, die in Butscha viele zivile Tote auf den Straßen zurückließ, wurde von Putin persönlich vor Fernsehkameras mit Orden belohnt), was soll man da für die Zukunft erwarten?

Zu erwarten ist, dass die Saat des imperialistischen Denkens in Russland auch auf lange Sicht aufgehen wird, dass Putins Werteprinzip der rücksichtslosen Gewalt die russische Gesellschaft nachhaltig prägen wird, dass also Russland nicht als friedensstiftender Faktor in Europa wirken wird (egal, wie der aktuelle Krieg in der Ukraine beendet wird).

Wer jetzt der Ukraine die Unterstützung entziehen will, ist entweder politisch naiv oder von Putins Propaganda eingenommen. Beides läuft auf eine Unterwerfung unter die Herrschaft von Putin hinaus. Dies sollten alle bedenken, die glauben, ein schneller Waffenstillstand und Frieden mit Putin um jeden Preis sei das Gebot der Stunde.

Im Übrigen finde ich es unverschämt, wenn „Friedenstauben“ der Ukraine nahelegen, auf Gebiete zu verzichten, damit Ruhe einkehre. Ruhe für wen? Ihr könnt nicht Putin Gebiete schenken, die Euch gar nicht gehören! Putin hat sich schon widerrechtlich Teile der Ukraine angeeignet und dort „Russifizierung“ mit all ihren hässlichen Konsequenzen begonnen. Das wollt Ihr ihm durchgehen lassen und ihm auch noch eine Belohnung geben? Für ein bisschen (vorläufigen) Frieden? Glaubt Ihr denn, danach könntet Ihr ruhiger schlafen? Das ist in meinen Augen Traumtänzerei.

Offensichtlich geht es um viel mehr als nur um die Frage, wie man den aktuellen Krieg in der Ukraine beendet. Es geht nicht um ein bisschen Frieden, um eine Atempause zu haben, während Putin weitere Ziele auf dem Kartentisch absteckt. Es geht um eine stabile Friedensordnung, in der wirklich Friede in Europa einkehrt — und bleibt.

W. R.

P.S. Mehr zur aktuellen Debatte um Pazifismus und Waffen siehe Essay „Und den Menschen ein Wohlgefallen?“, zu finden in der Unterseite Clio, 6.

Zusatz am 11.08.24: Der Vorstoß ukrainischer Truppen in den Bezirk Kursk beweist, dass die ukrainische Armee bisher daran gehindert wurde, ihre Operationen so zu planen, wie es die russische Seite kann. Der Westen hat stets seine Waffenlieferungen an Bedingungen gebunden — zum Vorteil der russischen Seite: Im Gegensatz zur Ukraine konnte das angreifende Russland vor effektiven Angriffen auf sein Gebiet relativ sicher sein. Putins Propaganda bezeichnet den berechtigten Angriff der Ukraine auf russisches Staatsgebiet denn auch als „Provokation“; wenn er „Provokation“ sagt, versucht er wieder einmal, besonders den Deutschen Angst zu machen. Bei den Ukrainern kann er seinen Terror sowieso nicht mehr steigern. Putin versucht an der mentalen Front, deutsche Friedenstauben weich zu kochen, weil er die deutsche Hilfe für das angegriffene Land sehr gern ausschalten würde. Und weil er mit seinen Trollfabriken die Möglichkeit hat und nutzt, die Tiktok-Generation zu beeinflussen und AfD und BSW weiter Schützenhilfe zu geben. —

Glaubwürdig bleiben

ES ist ermüdend. Ein pazifistisches Mantra soll bewirken, dass die Realität es sich anders überlegt und sich an den Glaubenssätzen von Pazifisten orientiert.

Da wäre z.B. das Mantra: „Diplomatie statt Waffenlieferungen.“ Die Vorsitzende der neugegründeten Partei BSW hatte ein Schild mit diesem Slogan neulich vor ihr Rednerpult geklebt. Sie und andere kritisieren, dass beim Krieg in der Ukraine nur vom Militärischen, aber fast nie von Diplomatie und Verhandlungen die Rede sei. Dabei wird zunächst allen weniger Informierten vorgespiegelt, es gäbe keine diplomatischen Bemühungen um Waffenstillstand und Friedensverhandlungen; des weiteren wird ignoriert, dass Diplomatie sich oft hinter den Kulissen bewegt und sich daher gerade nicht für alle sichtbar im öffentlichen Raum abspielt.

Die pazifistische Argumentation lässt auch einen wichtigen Grundsatz außer Acht: Man kann einen Krieg nur verhindern, bevor er begonnen hat. (Ich vermeide das Wort „ausbricht“, weil Krieg im Unterschied zu einem Vulkanausbruch immer von Menschen herbeigeführt wird und kein unvermeidliches Naturereignis ist.) Ist ein Krieg erst in Gang gekommen, stoppt ihn so schnell keine Diplomatie, weil sich mindestens eine der Konfliktparteien Chancen ausrechnet, militärisch Vorteile zu erlangen, wenn nicht gar den Krieg zu gewinnen.

Kriegsherr Putin setzt derzeit darauf, dass die Zeit für ihn arbeitet, weil a) der Westen der Ukraine nicht genug Munition und Waffen liefert, b) die von Trump gelenkten Republikaner im US-Kongress weiter die Hilfen für die Ukraine blockieren, c) die kommenden Wahlen in den USA Trump direkt an die Macht bringen könnten. (Man unterschätzt dabei weithin die Wirkung der Wühlarbeit von Putis Trolls im Netz, besonders in den social media.)

Wohlgemerkt: Pazifismus ist eine moralisch ehrenwerte Haltung. Es kann aber schwierig werden, diese Haltung in der Wirklichkeit durchzuhalten, wenn die Zeichen auf Konflikt stehen und gewalttätige Auseinandersetzungen drohen. Der S.R. selbst nahm 1981-83 an Demonstrationen gegen die Nato-Nachrüstung teil, seit damals hat sich die Welt ein deutliches Stück weiter gedreht. Das bedeutet, dass er längst nicht mehr ungeprüft an früheren Glaubenssätzen und politischen Einschätzungen festhält, sondern Manches überdacht hat und seinen Blick nicht Ideologien unterordnet, die vor 40 Jahren im Kalten Krieg Bedeutung hatten.

Es scheint angebracht, klar und deutlich zu sagen: Es tobt ein globaler politischer und kultureller Kampf zwischen Autoritarismus und freiheitlicher Gesellschaft. Manche sagen auch einfach: zwischen Diktatur und Demokratie. Putin steht für Diktatur, für seine persönliche Herrschaft über Russland, und diese Herrschaft will er nicht nur durch Niederschlagung jeglicher Opposition, sondern auch durch Konflikte und Kriege stabilisieren, weil er damit die Bevölkerung nötigt, ein nationales Interesse mit seiner Position als Machthaber zu verknüpfen. Putins Mantra: Die Nato, der Westen bedroht uns, wir müssen zusammenstehen und uns wehren.

Was Putin in seiner jüngsten Rede zur Lage der Nation sagte, enthielt nichts Neues. Seine Propaganda sagt Dinge über „den Westen“, die man größtenteils durch „das russische Regime“ ersetzen kann, damit sie stimmen. Er hat kein Problem damit, Fakten auf den Kopf zu stellen und russische Kriegsverbrechen zu leugnen. Er bemüht sich in mehrfacher Hinsicht, Stalin nachzueifern, am liebsten wäre ihm der Name „Wladimir der Schreckliche“ in den Geschichtsbüchern (die er ohnehin schon umschreiben lässt.)

Wo ist der reale Ansatz der pazifistisch Gesinnten, mit Putin ins Gespräch oder gar in Verhandlungen zu kommen? Wer fordert, wir sollten bedingungslos die Waffenlieferungen an die Ukraine einstellen, der meint Kapitulation auf Kosten der Ukraine. Muss man dazu mehr sagen?

Aber es käme ja noch viel schlimmer: Die Ukraine ginge unter, Putin würde maßlos triumphieren und im Hochgefühl seiner Popularität die nächsten „Spezialoperationen“ in Angriff nehmen. Das glaubt Ihr nicht? Ja, könnt Ihr denn nicht weiterdenken? Und China würde sich ermutigt fühlen, schnell Taiwan militärisch einzunehmen, das wäre ein Riesenerfolg für Diktator Xi.

„Der Westen“ würde weltweit als Verlierer betrachtet, seine Werte von Menschenrechten und Demokratie würden von keinem Land mehr ernst genommen. Das Verhältnis von Diktaturen zu Demokratien würde vollends zu ersteren kippen. Folge: Die Welt würde noch mehr zersplittert in zahlreiche gewaltbereite, nationalistische Regime, die mit anderen Ländern nur noch Zweckbündnisse auf Zeit eingehen.

Ideologisch würden diese Verhältnisse fußen auf dem Prinzip „Kampf jeder gegen jeden“, die Nationalismen würden Feindschaften wachsen lassen, überall würde man die Unterschiede und das Trennende thematisieren und Gemeinsamkeiten beiseite wischen. Faschismus würde sich in der Welt ausbreiten.

Nun meinen sicher Einige: Das ist doch übertrieben, das geht viel zu weit. Ich aber sage: Wer weiterdenkt und Kenntnisse aus der Geschichte einbezieht, wer sich wenigstens erinnert, dass sich vor dem 24.02.2022 niemand bei uns den Überfall Russlands auf die Ukraine vorstellen konnte oder wollte, der müsste vorsichtiger sein mit optimistischen Prognosen.

Darum stimme ich der These zu: Die Ükraine verteidigt nicht nur ihr Land, sie kämpft und blutet auch für uns, indem sie Putins Eroberungskrieg zu stoppen versucht und das Europa der freiheitlichen Lebensweise verteidigt. Putin darf nicht gewinnen, und mehr noch: Putin muss eine Niederlage einstecken, die Ukraine muss siegen. Und das gerade auch aufgrund unserer Hilfe — damit wir in der Welt glaubwürdig bleiben.

S. R.

Dazu noch ergänzende Beiträge auf diesen Links:

Republikaner stoppen Ukraine-Hilfe: Wladimir Putins Saat geht auf – Kolumne – DER SPIEGEL

Ukraine-Krieg Der deutsche Mittelweg ist gescheitert – Gastbeitrag – DER SPIEGEL

zu Putis speziellen Geschichtsverweisen: Wladimir Putin: Früherer mongolischer Präsident Tsakhiagiin Elbegdorj trollt Kremlchef mit Landkarte – DER SPIEGEL

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Trump, Putin und die wahre Wahrheit

WER wusste noch nicht, was „Populismus“ ist? Gerade hat Donald Trump nochmal als Beispiel eine Äußerung rausgehauen, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Bei einem Wahlkampfauftritt behauptete er, einem europäischen Präsidenten gesagt zu haben: Wenn Ihr Eure Rechnungen nicht bezahlt (d.h. mindestens 2% des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgebt), dann verteidigen wir euch auch nicht, und „dann ermutige ich einen Angreifer zu tun, was immer er tun möchte.“
Dieser Kraftspruch, der vorgibt, Trump könne von jetzt auf gleich den Nato-Vertrag außer Kraft setzen, zeigt:
1. Trump ist keine Ungeheuerlichkeit zu schrill, um von sich reden zu machen, Aufruhr hervorzurufen und Tabus der Politik in Frage zu stellen; das zeigt
2. Trump ist vielleicht ein „dealmaker“, der in der Wirtschaft einigermaßen (d.h. mit Tricksereien) klarkommt, aber er ist kein Politiker, und er ist ganz gewiss kein Außenpolitiker. Schon in seiner Amtszeit als Präsident hat er das bewiesen. Einer seiner schlimmsten Fehler war seine vermeintliche Kumpanei mit Wladimir Putin, der dreimal gerissener als Trump ist und ihn in die Tasche steckt.

Apropos Putin: Immer deutlicher schält sich das Bild heraus, dass Putin im ganzen Westen — und nicht nur dort — seine Fäden zieht, die er, als alter Geheimdienst-Mann gewieft, schon lange gesponnen hat, sei es im Internet und da besonders in den social media, sei es in anderen Medien. Seine Trolls stützen weltweit rechtsradikale Strömungen und Organisationen, da fließt auch Geld, damit seine Propaganda-Erzählungen verbreitet werden. Sein Ziel ist die Destabilisierung demokratisch regierter Staaten sowie von Regierungen, die seine Politik kritisieren.
Man kann sich nur noch wundern, wieviel davon in den Köpfen z.B. von Deutschen hängenbleibt, wie unbedarft sie sich in Kanälen im Internet „informieren“, die ihnen vorgaukeln, die wahre Wahrheit zu verkünden, welche angeblich in anderen Medien unterdrückt wird.
Wer kein solides Grundwissen in Politik und Geschichte besitzt, lässt sich leicht von Behauptungen einfangen und irreführen, die auf dubiosen Kanälen und in den social media gestreut werden. In seriösen Medien werden Behauptungen normalerweise überprüft, da wird nichts ungeprüft sofort online gestellt.
Aber die dubiosen Kanäle stellen diese Verhältnisse auf den Kopf, streuen Zweifel an den geprüften und sicheren Fakten in den Nachrichten und fabulieren von Verschwörungen… So erschleichen sie das Vertrauen verwirrter und wenig informierter Leute, die im Internet unterwegs sind.
Trump hat 2016 in seinem Wahlkampf kräftige Unterstützung von Putins Trolls bekommen, und 2024 wird Putin sicher alles tun, um den Nato-Schreck Trump wieder ins Weiße Haus zu puschen.
Was glaubt Ihr, was Putins Trolls und seine Influencer alles versuchen, um die Ukraine-Hilfe im Kongress zu Fall zu bringen? Er hat die Partei der Republikaner im Zusammenwirken mit Trump so auf seine Linie gebracht, dass diese Partei sich nur noch als Befehlsempfänger für Trump zeigt.
Jetzt fragen Manche (durchaus zu Recht, natürlich): Wo sind die Beweise? Ich meine: Es ist mit Händen zu greifen, was hinter der Fassade vor sich geht. Und wenn mehr Leute nach Beweisen fragen würden, wäre Trump wohl nicht in der Lage gewesen, seine Behauptung von der „gestohlenen Wahl“ bis heute zu verbreiten und dafür Unterstützung in seiner Partei zu finden.
Trump wollte nach der knapp verlorenen Wahl nicht einsehen, dass auch er, der große Zampano, einmal eine Wahl verlieren könnte. Sein narzistisches Ego kann mit einer Niederlage nicht umgehen. Daher inspirierte er seine radikalen Anhänger dazu, am 06.01.2021 das Capitol zu stürmen. Das allein ist ein so ungeheuerlicher und antidemokratischer Vorgang, dass Trump dafür längst hätte im Gefängnis sitzen können, ja müssen.

Wie gesagt, Trump ist kein Außenpolitiker. Sein ganzes Reden und Tun zielt darauf, im Inneren der USA zu punkten und seinen WählerInnen nach dem Mund zu reden. Sowas nennt man Populismus: dem Volk nach dem Munde reden, egal, was man wirklich vorhat. So kann er nach Belieben sogar die Nato in Frage stellen, weil seine Gefolgschaft gar nicht versteht, dass die USA mit ihren Bündnissen auch eigene Interessen in der Welt verteidigen.

Leider ist in den USA die Außenpolitik kein Themenbereich, mit dem jemand Wahlen gewinnen könnte. Das verschafft Trump eine gewisse Narrenfreiheit, denn seine Gefolgschaft interessiert sich nicht für ferne Länder; sie will z.B. die Einwanderung nicht-weißer Menschen in die USA blockieren. Trumps Vorhaben einer Mauer an der mexikanischen Grenze kommt besonders bei weißen Rassisten gut an.

Nochmal zu Putin: Für ihn geht es um viel! Wenn die Unterstützung der USA für die Ukraine eingestellt würde, wäre das schon das schnelle Ende des militärischen Widerstands der Ukraine.

Für den Westen geht es aber auch um viel: Wenn Putin mit seinem Eroberungskrieg durchkäme, wäre das ein schlimmes Signal an alle Machthungrigen in der Welt, nämlich die Botschaft: Gewalt und Krieg lohnen sich, im Zweifel ist der Westen uneinig und weicht zurück, statt die Werte von Menschenrechten und Demokratie zu verteidigen.

Daher kann uns Deutschen nicht egal sein, wie der Krieg Putins gegen die Ukraine endet. Hier geht es auch um die Glaubwürdigkeit des Westens, der EU. Und nach dem Afghanistan-Debakel (August 2021) wäre es gut, wenn hier der Westen standhaft bliebe und die Ukraine konsequent mitverteidigte. Die Hauptlast des Krieges trägt ohnehin die Ukraine — aber, nicht zu vergessen: auch die vielen russischen Opfer. Und die Russen werden von Putin kusch gehalten, Protest darf es nicht geben: Russland ist inzwischen eine lupenreine Diktatur.

Aber auch Trump zeigt offen seine Gedankenspiele um Machtergreifung und (zumindest kurzfristige) Diktatur. Und sein Respekt für die Wahrheit ist längst hinter dem Horizont verschwunden. Seriöse Medien hat er vor Jahren schon beschimpft: „You are fake news!“ (Das entspricht der deutschen Beschimpfung „Lügenpresse“.) Und er schreckt nicht einmal davor zurück, Artikel aus seriösen Medien zu manipulieren und sie zu Trump-Lob umzufunktionieren: Donald Trump verbreitet manipulierte Newsweek-Artikel als »Originalversionen« – DER SPIEGEL

Worüber soll man eigentlich mit solchen Figuren reden, wenn Fakten mal Fakten und dann wieder Fake sind, wie es halt gerade passt? Das gilt leider auch für diejenigen unserer Landsleute, die sich aus solch dubiosen Quellen „informieren“ und glauben, sie seien informiert.

Im Grunde kann man mit einem Putin nicht über Fakten diskutieren, sondern — wie er es tut — Fakten schaffen. Das bedeutet: Putin muss militärisch zurückgedrängt werden. Man muss ihn in eine Lage bringen, in der er die Reißleine zieht und Verhandlungen anbietet, um einer Blamage vor seinem Volk vorzubeugen. Und das geht vor allem mit Lieferung von Kriegsmaterial an die Ukraine — nicht irgendwann, sondern subito! Es geht nicht, dass manche europäischen Politiker sich zurücklehnen und meinen, die tapferen Ukrainer würden sich schon zu wehren wissen. Das ist fahrlässig, dumm, kurzsichtig, und es ist unterlassene Hilfeleistung. —

Update 26.06.2024:

Was Trump kann, können wir schon lange, dachte man vor Kurzem wieder einmal in der CSU-Führung. Für die größten Klopper schickte man wie so oft den Scharfmacher Dobrindt an die Medienfront, wo er die Forderung in die Welt setzte: Die Flüchtlinge aus der Ukraine, die hier Bürgergeld beziehen, aber nicht arbeiten, sollten entweder zur Arbeit aufgefordert oder zurück in ihr Heimatland geschickt werden. In der West-Ukraine sei es ja sicher, da tobe kein Krieg.

Populistisch war daran die verfälschende Vereinfachung der Realität, um weiniger informierte Leute mit scheinbarer Logik zu täuschen. Dobrindt verschwieg 1. die Wahrheit, dass viele der ukrainischen Flüchtlinge Mütter mit Kindern sind (die mangels Kita-Plätzen ihre Kinder selbst betreuen müssen und nicht arbeiten können, obwohl sie gerne würden). Er verschwieg 2., dass die deutschen Bürokratie-Hürden es qualifiziertem Fachpersonal erschweren, hierzulande einen Job anzunehmen, für den sie (im Ausland) ausgebildet sind und wo sie hier auch gebraucht werden. Und 3. tat er so, als würde er nicht wissen, dass Putins Drohnen und Raketen überall in der Ukraine einschlagen und dabei den Westen des Landes keineswegs verschonen.

Dobrindt wollte auch gar nicht sachlich argumentieren, sondern nur auf billige Weise Sozialneid schüren und „deutsche Normalbürger“ gegen die Flüchtlinge aufbringen. Was ist der Zweck dieser haarsträubenden Spalterei? Die CSU (und auch ihre Schwesterpartei CDU) fürchten die Konkurrenz der AfD, von der sie rechts überholt werden. Da wollen sie (auf dem Rücken von Flüchtlingen und Ausländern) Stimmen zurückgewinnen. Das ist reinster Populismus: Gefühle aufputschen ohne sachliche Grundlage. Dobrindt hat ein perfektes Beispiel geliefert.

… nicht mehr tolerierbar

A LLE reden von Kolonialismus und meinen damit meist die Zeit, in der europäische Mächte nach Übersee ausgriffen und sich Gebiete auf anderen Kontinenten aneigneten, wobei sie deren Bevölkerung unterwarfen und bei Widerstand brutal dezimierten. Am Pranger dieses allgemeinen Geschichtsverständnisses stehen die „üblichen Verdächtigen“ wie Spanien, Portugal, Niederlande, England, Frankreich, Belgien, Italien und Deutschland, also in etwa die Mehrheit der west- und mitteleuropäischen Länder. Weniger oft werden in diesen Blick die USA einbezogen, die nicht nur einen großen Teil Nordamerikas unterwarfen, sondern auch in den Pazifik ausgriffen und sich in Lateinamerika in die Politik der unabhängig gewordenen Staaten einmischten, die US-Politiker als „unseren Hinterhof“ bezeichneten.
Bei alldem hatte bei uns fast niemand die Expansion Russlands nach Asien im Blick, die Unterwerfung der Völker Sibiriens und des heutigen Südrusslands.* Wie schon bei den Alten Römern wurde und wird in Russland die Erzählung verbreitet, man habe damit Kultur und Zivilisation in weniger entwickelte Gebiete gebracht.
Dieselbe Erzählung übernahmen auch die Briten, als sie von „the white man’s burden“ sprachen: Weiße bringen den Völkern anderer Hautfarbe die hochentwickelte Zivilisation der Europäer und heben diese so auf eine höhere Kulturstufe.
Wir alle wissen aber längst, dass es bei den „Entdeckungen“ und der darauf folgenden Aneignung von Kolonien nur um wirtschaftliche und machtpolitische Interessen ging. Widerstand von aufständischen „Eingeborenen“ dieser Länder wurde mit brutaler Gewalt gebrochen, auch das hatte schon Vorbilder im Römischen Reich.
Was wir derzeit an Putins Russland sehen, ist die Fortsetzung dieser imperialen Denkweise. Man konstruiert sich einen Anspruch auf Territorien benachbarter Länder: Man handelt zum Schutz angeblich unterdrückter russischer Minderheiten, und/oder man stellt historisch begründet frühere Grenzen wieder her — ungeachtet der längst veränderten Verhältnisse, und ungeachtet des Völkerrechts. Solche Gründe zog z.B. auch Hitler heran, um die Expansion des deutschen Reiches zu rechtfertigen und seiner Machtpolitik einen legitimen Anstrich zu geben.
Wir wissen auch: Solange Machtpolitik und territoriale Expansionwünsche die Köpfe von Regierenden beherrschen, kommt die Welt nicht zur Ruhe. Und solange es genügend einfältige Menschen gibt, die sich dafür und im Zweifel auch für Krieg motivieren und einspannen lassen, gibt es immer wieder bewaffnete Konflikte.
Ein Grundübel ist, dass immer wieder Menschen das Trennende betonen und dabei das Gemeinsame in Abrede stellen, sich also lieber abgrenzen als sich mit Anderen zusammenfinden. Da wird die Identität einer Gruppe, eines Volkes. einer Nation über das Trennende definiert, da wird ab- und ausgegrenzt, werden Unterschiede betont. Dabei wird bewusst vergessen: Unsere hauptsächliche Identität ist, dass wir MENSCHEN sind. Menschen sind soziale Wesen, die Gemeinschaft brauchen, die in Not menschliche Solidarität brauchen, die anderen Menschen zu helfen bereit sind. Diese Gemeinschaft betrifft die Menschheit insgesamt. Wer aber künstlich Grenzen zieht, Barrieren und Mauern errichtet, Menschen Hilfe verweigert, der zeigt sich selbst von einer unmenschlichen Seite. Wenn dann noch eine faschistische Grundhaltung hinzukommt, ist die nächste gewaltsame Auseinandersetzung nicht fern. Im Blog-Beitrag „Gibt es liebe Faschisten?“ vom 02.10.2020 können Sie Näheres dazu lesen.
Leider passiert so etwas oft schneller als gedacht. Ein Männlichkeits-Gewaltkult ist meist der Treiber, der zur Gewalt-Eskalation führt. Staaten, in denen ein nationalistischer Militarismus propagiert wird, befinden sich auch bald im Krieg mit Nachbarstaaten. China führt das derzeit vor mit mlitärischen Drohgebärden gegen Taiwan. China begründet sein Verhalten mit einem Wunsch nach „Wiedervereinigung“ mit einer „abtrünnigen Provinz“ (was historisch schräg ist, denn Taiwan war nie Teil des kommunistischen China), China missachtet auch den Willen der Bevölkerung Taiwans, die weiterhin lieber in einer Demokratie leben wollen, und China missachtet (wie Russland gegenüber der Ukraine) das Völkerrecht, das gewaltsame Verschiebung von Staatsgrenzen nicht zulässt.

Man muss Nationalismus heutzutage kritisch sehen, gerade nach den europäischen Erfahrungen des 19. und 20. Jahrhunderts, wo in vielen Fällen Nationalismus zu Kriegen geführt hat. Eine starre Vorstellung von Nationalstaat, in dessen Grenzen es nur ein Volk geben soll, führt automatisch zu Konflikten. Die Bevölkerung des Staates wird dann oft von Machthabern in ein Korsett eines erzwungen homogenen Staatsvolkes gepresst, Minderheiten passen nicht ins Bild und werden unterdrückt, benachteiligt, ignoriert, zur Assimilation an die Mehrheit genötigt. Doch ein Staatsgebiet ist normalerweise nie ein Gebiet, das nur von einem Volk mit einer gemeinsamen Sprache bewohnt wird. Insofern ist die Idee vom völkischen Nationalstaat weltfremd.

Außerdem: Künstlich auf der Landkarte gezogene Staatsgrenzen kann man nicht quasi abdichten, im Gegenteil: Ein Staatsgebiet ist an seinen Grenzen immer osmotisch, also offen für Austausch. Und Austausch von Waren und Ideen nützt meist den Menschen auf beiden Seiten der Grenze. (Darum ist die EU eine gute Sache. Und am Brexit sieht man, wie sich GB selbst ins Bein schießt. Trotzdem will uns die „patriotische“ AfD weismachen, wir sollten die EU verlassen…)

Man kann den Natonalismus begrifflich trennen vom Begriff Nation. Eine Nation ist in erster Linie eine große Menschengruppe, die sich einer Gruppe zugehörig sieht, sei es aufgrund einer gemeinsamen Sprache, Kultur, Geschichte, usw. Eine solche Nation ist historisch gewachsen und kann nicht plötzlich verordnet werden. Meist lässt sie sich an den Rändern aber auch nicht scharf abgrenzen, es gibt Überschneidungen zu Nachbar-Nationen, mit denen man einige Gemeinsamkeiten hat. Und genau darauf fußt z.B. die Idee eines Europa mit einer kulturellen und historischen, gemeinsamen Identität. Denn es ist leicht, das Trennende zu betonen, doch viel leichter ist es, Gemeinsamkeiten zu sehen und in Begegnungen festzustellen, wie wenig uns von den Nachbarn anderer Länder trennt.

Dagegen versuchen Nationalisten, das Trennende zu anderen Nationen als identitätsstiftend herauszustellen. Und sie konstruieren oft auch eine Erzählung oder einen Gründungsmythos, der sie von anderen Nationen als etwas Besonderes, Einzigartiges abheben soll.

Nationalisten in Europa wollen ein sogenanntes „Europa der Vaterländer“, d.h. alles beim Alten lassen, und ein politisches Zusammenwachsen Europas möglichst verhindern. Das war schon in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht mehr zeitgemäß, aber im 21. Jahrhundert sind solche Retro-Vorstellungen erst recht kontraproduktiv. Denn Europa kann in der Weltwirtschaft und Weltpolitik keine gestaltende Rolle spielen, wenn einzelne Staaten immer wieder aus gemeinsamer Politik ausscheren und ihr eigenes Süppchen kochen. Dabei verlieren diese Einzelstaaten ebenso wie Europa insgesamt.

Deshalb, wie gesagt, muss man Nationalismus heute kritisch sehen, in meiner Sicht sogar sehr kritisch. Denn neben den oben genannten Gründen muss man gegen Nationalismus auch anführen, dass Mächte wie China oder Russland ihn ganz gezielt einsetzen, um ein heterogenes Vielvölkerreich auf Einheit zu trimmen, Minderheiten zu drangsalieren und territoriale Ansprüche auf Nachbarstaaten zu stellen, wobei sie aufrüsten und ein militärisches Drohpotential aufbauen. All das dient nicht dem Frieden in der Welt, sondern dem egoistischen Machtstreben von Machthabern und ihren Regimen, die auch Gewalt und Krieg durchaus als legitime Mittel ihrer Politik sehen. Und all das, die ganze Aggressivität, dient angeblich dem Wohle dieser Nation — dafür wird unablässig Propaganda gemacht. Und wenn es doch Kritik im Lande gibt, werden Spannungen zu Nachbarstaaten erzeugt und im Inneren nationale Solidarität gegen den äußeren Feind gefordert — ein sehr altes Muster autoritärer Politik.

Wir sehen spätestens beim Blick auf die weltumspannenden Probleme wie die drohende Klimakatastrophe:

Diese Welt braucht nicht mehr Abgrenzung und Egoismus, sondern mehr Verständigung und Zusammenarbeit über alle Grenzen hinweg. Das gebietet nicht nur die Vernunft, das entspricht auch der Menschlichkeit und dem Wunsch der allermeisten ErdenbürgerInnen, friedlich zusammenzuleben.

Damit wir der Erfüllung dieses Wunsches näher kommen, muss in den Köpfen Vieler noch ein Wandel eintreten: Schluss mit dem Unfug von männlichen Machtfantasien, Schluss mit dem Aufhetzen von Menschen gegen Minderheiten, Schluss mit dem Unfug der unbegrenzten Ausbeutung von Menschen, Tieren und natürlichen Ressoucen, Schluss mit den falschen Rechtfertigungen von Ausbeutung und Unterdrückung durch religiöse oder rassistische Irrlehren.

Wenn in Afghanistan die Taliban-Machthaber Frauen unterdrücken und zu ungebildeten Sklavinnen degradieren wollen, wenn im Iran die Machthaber Religion als Hilfsmittel der Unterdrückung missbrauchen, wenn im Sudan zwei bewaffnete Machtgruppen aufeinander schlagen und dabei Land und Leute kaputt schießen, wenn in den USA der Schusswaffengebrauch die häufigste Todesursache von Kindern ist — in diesen und (leider) vielen weiteren Fällen müssen Menschen sich schämen, wenn sie das tolerieren und für „normal“ halten wollen.

Denn das ist der (angeblichen) Krone der Schöpfung nicht würdig, es ist unter Niveau des (selbsternannten) Homo Sapiens. Und das ist in unserer Zeit überhaupt nicht mehr tolerierbar.

W. R.

* Mehr dazu > Ausstellung in NGbK Berlin zu jahrzehntelangem Kolonialismus in Russland und seiner Verarbeitung in der Kunst