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Kulturkampf? Viel schlimmer!

TRUMP lässt bzw. nötigt oder zwingt in den USA renommierte Museen, ihre Präsentationen und ihr Veranstaltungsprogramm nach seinen Vorgaben zu ändern. Er selbst versteht wohl gar nicht so viel von Kultur im engeren Sinne, seine Vorgaben stammen ja auch im Wesentlichen nicht von ihm, sondern aus der Ecke der religiös-konservativen Nationalisten in der Heritage-Foundation und ihrem Dunstkreis Gleichgesinnter.
Worum geht es diesen Hardcore-Konservativen? Ihr geistiger Horizont ist nationalistisch, rassistisch (im Sinne von „white supremacy“), anti-aufklärerisch und antidemokratisch. Man könnte verniedlichend sagen: Was die Amish-People im Religiösen, das sind diese Retro-Konservativen im gesamten politischen und gesellschaftlichen Bereich: Für sie gelten nur Werte aus der guten alten Zeit mächtiger Könige. Für sie sind Gleichberechtigung der Geschlechter, der Hautfarben, sexueller Orientierungen, und das Recht auf Abtreibung prinzipiell des Teufels. Der Gegensatz von Arm und Reich ist quasi gottgegeben, und die Reichen haben es halt verdient, immer reicher zu werden.
Im Grunde bedeuten diese Wertorientierungen, wenn sie denn zu realer Politik werden, einen Rückschritt in die Zeit der Hexenverbrennungen. So kann man das im Kern zusammenfassen.
Nun glauben wohl Viele in Deutschland noch, das Ganze sei doch nur ein überhitztes US-Phänomen und hätte für uns keine nennenswerte Bedeutung. Vorsicht, liebe Landsleute! Dieses, ich nenne es hier mal: „Unternehmen Teufelsaustreibung“ hat seine Fühler längst in andere Länder ausgestreckt. Über religiös-fundamentalistische Kanäle (an vorderster Linie: radikale Evangelikale), über rechtsgerichtet-antidemokratische Medien und Akteure wird dieses Gift seit einiger Zeit verbreitet, dank Internet eben auch weit außerhalb der Grenzen der USA.
Und hierzulande wird das von gewissen Kreisen und vor allem einer nationalistischen, im Kern antidemokratischen Partei begierig aufgegriffen und verstärkt.
Diese Partei sitzt auch im Bundestag, ihre stellvertretende Fraktionsvorsitzende B. von Storch ist eine der treibenden Kräfte, die die Aktivitäten der „Teufesaustreiber“ im In- und Ausland vernetzt und befeuert. Also, kein US-Phänomen, die Zertörer der Demokratie und des gesellschaftlichen Fortschritts sind schon hier und aktiv.
Ein junges Beispiel für das, was die Antidemokraten hier anzetteln, war die konzertierte Kampagne gegen eine Frau, die vom zuständigen Ausschuss des Bundestages im Konsens der Beteiligten aus verschiedenen Parteien mit zwei anderen Personen zur Wahl für das Bundesverfassungsgericht nominiert wurde und noch vom Bundestag gewählt werden sollte. Die Verteufelungskampagne schreckte vor falschen und verleumderischen Behauptungen nicht zurück (sowas kennen wir schon länger von Trump&Co), und etliche Abgeordnete der Unionsparteien ließen sich davon beeindrucken, ohne eine sachliche Prüfung dieser Behauptungen abzuwarten. Das ist zunächst einmal eine Schande für die Union, deren Abgeordnete (wohlmeinend unterstellt) nicht begreifen, was da gespielt wird — mit der Folge, dass hier nun demokratische Institutionen und Abläufe infrage gestellt wurden.
Die Antidemokraten für Deutschland (AfD) sahen Grund zum Jubeln. Und sie sehen sich ermutigt, mit ähnlichen Kampagnen und Aktionen weiterzumachen. Danke für garnichts, CDU! Aber ideologisch noch näher dran an den Retro-Konservativen (Teufelsaustreibern) scheint mir in Teilen die CSU zu sein, und nicht zu vergessen ihr Koalitionspartner in Bayern, die (sogenannten) Freien Wähler.
Apropos „Freiheit“: Darunter verstehen monarchistisch gestrickte Konservative eben nicht die Bürgerfreiheit, die in unserem Grundgesetz in den Grundrechten definiert ist. Sie sehen vielmehr Freiheit darin verwirklicht, dass ein starker Herrscher das Land regiert und nach außen auftrumpfen kann, während der Bürger (wenn’s denn sein muss, ausnahmsweise auch mal eine Bürgerin) nach Reichtum streben darf und mit immer mehr Reichtum auch immer mehr Freiheit gewinnt. Wer das nicht schafft, hat sich eben nicht genug bemüht, oder Pech gehabt. Selbst schuld.
Die gegenwärtig zu beobachtende Politik von Donald Trump versucht mit Druck und Gewalt, genau diese Ziele zu verwirklichen und die USA, aber auch weite Teile der Welt in das Zeitalter der Hexenverbrennungen zurückzustoßen. Und Vorsicht vor vermeintlichem technischen Fortschritt: Trump & Co. werden auch KI (im Englischen AI) für ihre Absichten einsetzen.
Es ist absurd, was Homo Sapiens sich manchmal vorgaukeln lässt: Für ein paar wohlklingende Worte und altbacken-vertraute Parolen lässt er sich Freiheit abschwatzen, lässt er sich gegen andere Menschen aufhetzen, richtet er seine Abneigung und Aggression gegen die Falschen.
Warum haben die Teufelsaustreiber in den USA so einen Hass auf Universitäten? Weil da nach Fakten und nicht nach Parolen geforscht und gelehrt wird, weil Wissenschaft das Wissen der Menschheit erweitert und nicht zur Verdummung beiträgt, weil an den Universitäten Menschen tätig sind, die das Denken gelernt haben — und auch nicht an der Kasse abgeben wollen (in der Regel).
In den Zeiten der mächtigen Könige und Fürsten wurde auf Bildung wenig Wert gelegt, es bestand nur Bedarf nach ein paar Juristen und sonstigen Fachleuten für bestimmte Bereiche der staatlichen Verwaltung. Bildung für Alle? Bloß nicht! So dachten die Mächtigen. Motto: „Ein Ochse vor und einer hinter dem Pflug.“ Das funktionierte zumindest in vorindustrieller Zeit ganz gut. In den USA trauern viele Konzernherren und Milliardäre diesen Verhältnissen nach, sie behindern Gewerkschaften und Betriebsräte, sie spenden z.B. an die Heritage Foundation, um die Zeit möglichst zurückzudrehen. Das soll nun die Trump-Regierung umsetzen, in der es nicht auf Wissen und Können, sondern nur auf Gefolgschaft ankommt, auf Linientreue.
Was Manchen derzeit nur als Kulturkampf erscheint, ist in Wahrheit viel schlimmer: Es ist Teil eines großangelegten Feldzuges gegen Freiheit, Wahrheit, Menschlichkeit.
Und lassen Sie sich nicht täuschen: Hierzulande wollen sich einige Leute und Gruppierungen diesem Feldzug anschließen. Manche machen das aus Dummheit, Andere aus opportunistischem Kalkül. Davor muss die Menschheit bewahrt werden, sonst gehen wir unter mit Führern, die die Probleme des 21. Jahrhunderts wie Könige des 18. Jahrhunderts „lösen“ wollen.

Was Trump, der Putin-Bewunderer, und andere Machthaber auf dem Globus anstreben oder schon erreicht haben, ist die reine Willkürherrschaft: Alles in Reichweite soll auf den Machthaber und seine Wünsche und Ansichten ausgerichtet sein. Was das bedeutet, wird selbst einem wenig informierten Menschen sofort klar, wenn er/sie nur auf Trumps Zoll-Zirkus und seine Auswirkungen auf die Weltwirtschaft schaut.

Alles in Reichweite? Zu den Zielvorstellungen dieser Machthaber gehört auch die Ausdehnung ihres Machtbereiches. Das eigene Land ist nicht mehr genug, sobald sie es im Griff haben. Das Territorium soll vergrößert werden, man will ja schließlich auch in den Geschichtsbüchern groß dastehen, man will etwas Großes geleistet haben. Die Frage, wem das nützt und wer dafür bezahlt, die stellt sich nicht, weil allein die Ausdehnung der Staatsgrenzen schon einen Wert an sich darstellt (glauben sie).

So dachte auch ein Adolf Hitler, bis er den größten Teil der Welt gegen sich hatte und sein „Drittes Reich“ unterging. Bezahlen mussten dafür die vielen Soldaten und zivilen Opfer, er hinterließ ein Land in Trümmern. Das Schärfste daran: Hitler gab die Schuld an der Niederlage dem deutschen Volk, es hatte sich in seiner Vorstellungswelt als zu schwach erwiesen und verdiente nicht zu überleben. Deshalb gab er sogar kurz vor seinem Selbstmord noch den berüchtigten „Nero-Befehl“: Bevor die Sieger den verbliebenen Machtbereich besetzten, sollten dort die Lebensgrundlagen des deutschen Volkes vernichtet werden (also Dinge, die z.B. ein W. Putin derzeit in der Ukraine täglich bombardieren lässt). Daran sieht man: Beiden Diktatoren ist nichts heilig, sie gehen in ihrem Krieg bis zum Äußersten. In ihrer Gedankenwelt kann man Erfolg nur mit noch mehr Gewalt und Brutalität erzwingen.

Was ist da noch viel hinzuzufügen? Die Geschichte des „Dritten Reiches“ ist selbsterklärend. Jedoch versuchen ein paar völkisch denkende Traumtänzer, das alles umzudeuten und zurechtbiegen, die Verbrechen des Nazi-Regimes kleinzureden oder zu leugnen und Anderen irgendwie eine Mitschuld zuzuschieben.

Darum lasst Euch nicht behumsen: Schon das wieder verstärkt propagierte Männlichkeitsbild vom starken, aggressiven und gewaltbereiten, Frauen verachtenden Macho ist ein Schritt hin zum nächsten Gewaltregime. Was glaubt Ihr denn, warum es in manchen Regionen der Erde häufig zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und Kriegen kommt? Da wird „männliche Ehre“ hochgejazzt, und sobald die auch nur vermeintlich ein wenig verletzt wurde, wird nach Vergeltung und Rache gerufen… So kann das nichts werden mit dauerhaftem Frieden, nicht in der Gesellschaft, und nicht zwischen den Clans, Volksgruppen, Nationen. Das testosterongetriebene Imponiergehabe verhindert klares Denken, verhindert eine Bereitschaft zum Dialog und Meinungsaustausch, verhindert Verständigung und friedlichen Interessenausgleich.

Die Vertreter dieses verqueren Männlichkeitskultes wollen uns weismachen, dass die Welt so und nicht anders funktioniert und schon immer funktioniert habe. Ein W. Putin lässt darum z.B. auch die Geschichtsbücher für die Schulen umschreiben, damit die Kinder nur eine „glorreiche“ Geschichte Russlands mit starken Herrschern kennenlernen, die für ein mächtiges und sich ausdehnendes Reich sorgten (für Ruhm und Ehre, weniger für ein gutes Leben der Menschen innerhalb der Grenzen Russlands!).

Das ist überhaupt eine wichtige Frage: Was leisten Herrscher, was leisten Regierungen zum Wohl ihrer StaatsbürgerInnen? Werden nur einzelne Interessen bedient, für die alle Anderen zahlen müssen? Greift eine egoistische Machtelite in die Kasse, in die Alle ihre Steuern eingezahlt haben? Wird Macht zur persönlichen Bereicherung missbraucht? Wird Kritik an den Herrschenden auf Minderheiten und/oder ausländische „Feinde“ abgelenkt? Das sind Fragen. Und lasst Euch nicht von pompösen Militärparaden und wehenden Fahnen blenden, das alles muss auch bezahlt werden! Fragt nach den Gründen, warum Euer Geld so ausgegeben wird.

Aber ja, auch Landesverteidigung ist in dieser real existierenden Welt nötig. Wer zugehört hat, wenn über die russischen Besatzer in der Ostukraine berichtet wurde, der muss sich fragen: Möchte ich achselzuckend hinnehmen, dass mir, meiner Familie, meinen Freundinnen und Freunden solche Leiden drohen, wie sie offensichtlich von russischem Militär den Menschen in besetzten Gebieten angetan werden? Möchte ich nicht doch helfen zu verhindern, dass weitere Menschen unter solchen Übergriffen und Grausamkeiten leiden?

W. R.



Deutlich genug

MAN könnte darüber lachen, wenn es nicht einen ernsten oder sogar dramatischen Hintergrund hätte: Elon Musk zankt sich mit Donald Trump und kritisiert einen Teil von Trumps Politik, im Zuge dessen sieht er die USA auf dem Weg in einen Ein-Parteien-Staat, wobei er diese Partei „Porky-Pig-Party“ nennt (ohne den richtigen Namen zu nennen, aber jeder weiß, was gemeint ist).
Es geht aktuell um einen Gesetzentwurf, den „Porky Pig“ durch die beiden Häuser des Kongresses absegnen lässt (mit den Mehrheiten der Republikaner). Er nennt es in seiner gewohnt simplen (wenn nicht manchmal kindischen) Sprache die „Big Beautiful Bill“ — das könnte genauso gut Titel einer billigen TV-Unterhaltungsshow sein.
Klartext: Trump will weitere Steuererleichterungen für Reiche, vor allem Superreiche. Die fehlenden Staatseinnahmen will er kompensieren durch Kürzungen und Streichungen im Sozialbereich. Die Mehrheiten dafür waren sehr knapp, aber jetzt ist das „Big-Beautiful“-Unheil in Kraft getreten.

Das ist deutlich!
Trump zeigt damit wieder ganz unverfroren, worum es bei seiner politischen Agenda geht: 1. um das große Geld, und 2. um eine Umverteilung für die Reichen zu Lasten der Ärmeren. Außerdem zeigt er damit allen den Stinkefinger, die glauben, man könne ihn mit moralischen Appellen oder Gerichtsurteilen stoppen.
Das hat er sich nicht alles selbst ausgedacht, dafür scheint auch sein Durchblick und sein Verständnis von Wirtschaft nicht zu reichen (Beweis: sein Radau mit den Zöllen; es widerstrebt mir, das „Politik“ zu nennen). Auch die aktuellen Razzien gegen Migranten ohne offizielle Papiere, die aus der Wirtschaft zunehmend kritisiert werden, dienen nur einem Ziel: Trumps Macht demonstrieren und seine Wähler bei Laune halten.
Im Hintergrund haben Leute, die lange an dieser Agenda gearbeitet und gefeilt haben, nur darauf gewartet, sie nun mit der Galionsfigur Trump voll umzusetzen. Der Figur Trump fiel dabei die Aufgabe zu, die Leute mit populistischen Parolen und täglich neuen Ausfällen zu beeindrucken, zu begeistern, für sich einzunehmen, dabei die Gegner zu überfordern mit den Versuchen, seine schnell getakteten Behauptungen und Lügen richtigzustellen oder zu widerlegen. Er gewann zuletzt viele Wählerstimmen mit Versprechen von billigeren Lebensmitteln usw., doch in der Realität ist davon bisher nichts zu sehen.
Da musste zur Ablenkung etwas anderes her, um die einfachen Leute zu beeindrucken: Ein Auftritt als starker Mann in der Außenpolitik. Mit den „Strafzöllen“ gegen alle möglichen Staaten (außer Russland) verschärfte er eher den Preisanstieg für einzelne Waren und musste nachbessern bzw. verschiedenen Händlern (mit den bei ihm üblichen Drohungen) untersagen, als Grund für Preiserhöhungen die gestiegenen Zölle zu nennen. Das sollten seine AnhängerInnen nicht mitbekommen, war es doch das Gegenteil seines Wahlversprechens.
Und entgegen früheren Versprechungen, die USA nicht in neue militärische Auslands-Missionen zu führen, ließ er im Juni iranische Atomanlagen bombardieren. Diese kriegerische Aktion war laut Trump ein voller Erfolg, Experten zweifeln dies an. Na, das wissen Sie ja noch, verehrte BesucherInnen dieser Website, Ihr Gedächtnis ist hoffentlich nicht überfordert mit all den Brandherden der Weltpolitik.
Also, momentan versuchen Trump und seine Unterstützer, die Agenda „Den Armen nehmen, den Reichen geben“ durchzudrücken. Und Elon Musk regt sich über republikanische Abgeordnete auf, die Trumps Gesetzesvorlage zustimmen und so das gigantische Staatsdefizit der USA noch weiter in die Höhe treiben: weil nicht alles von den Armen genommen werden kann, müssen die Kosten von Trumps Gesetzespaket allen Steuerzahlern aufgehalst werden. Aber die Wohlhabenderen werden, wie gesagt, weitgehend geschont.
Manch ein aufmerksamer Mensch mag sich wundern: Auch in diesem unserem Lande hört man Stimmen in der Politik, die staatliche Sozialausgaben reduzieren wollen, während an anderer Stelle Steuererleichterungen und andere Vergünstigungen „die Wirtschaft ankurbeln“ sollen. Da wird populistisch immer wieder gern vom angeblich häufigen Missbrauch des Bürgergelds erzählt, der abgestellt werden müsse (dabei geben die offiziellen Zahlen das gar nicht her). Da versuchen offenbar ein paar Leute, die sich für clever halten, die Armen, Geringverdiener, Minijobber usw. gegeneinander auszuspielen… Ein typisches und altbekanntes Ablenkungsmanöver!
Was mich aber noch unangenehmer berührt, ist der eine oder andere Ton in der deutschen Politik, der mich sehr an einige Trump-Verlautbarungen erinnert. Da glauben Manche offenbar, man könne auf dem Rücken von Flüchtlingen und Zuwanderern populistisch kraftmeiern und damit vermeintlich der AfD das Wasser abgraben. Und aus Furcht vor weiterem Rechtsruck werden sogar staatliche Versprechen an afghanische Hilfskräfte gebrochen bzw. nur teilweise eingelöst.
Hört endlich auf mit dem Unfug, nach rechts zu schielen! In Deutschland ist eine große Mehrheit für Demokratie und Freiheit. Sprecht die Leute positiv darauf an, macht ihnen klar, was sie Gutes genießen können, und macht deutlich, was sie zu verlieren haben, wenn sie rechts wählen! Ist Trump noch nicht Abschreckung genug, dann denkt doch mal an die grausigen Zerstörungen, die das NS-Regime bis 1945 angerichtet hat. Waren das nicht genug Opfer? Wer bitte möchte denn wieder in einer Diktatur leben, wer möchte sich denn allen Ernstes für Unmenschlichkeit, ein Gewaltregime, Krieg und Massenmord aussprechen? Und wie kommt Ihr verträumten Friedensseligen bloß darauf, dass Putin etwas anderes praktiziert als moralfreie, kein Mittel scheuende, erbarmungslose Machtpolitik?
Man könnte auf den Gedanken kommen, dass von Zeit zu Zeit viele Menschen die Geschichte verklären und dabei ihre Lehren vergessen. „Die Erinnerung malt mit goldenem Pinsel“ ist ein alter Spruch. (Der gilt leider nicht für die Opfer.)
Geschichte? Ein Trump kann sich nicht daran erinnern, dass die USA mit einer weltweit beachteten Erklärung der Menschenrechte gegründet wurden. Nun ist Trump ein alter Mann, er redet manchmal offensichtlichen Unsinn, und Manche sehen bei ihm Anzeichen von Demenz oder ähnliche mentale Ausfälle. Wenn sein jüngerer Vize übernehmen sollte, wird vermutlich die Politik noch schlimmer und rechtsradikaler.

Das musste mal so deutlich gesagt werden. Im Moment ist der „mächtigste Mann der Welt“ ein egomaner Selbstinszenierer ohne Anstand, Feingefühl und Takt, ein denkbar schlechtes Vorbild als Politiker, dazu noch Leugner des Klimawandels und Förderer der ungebremsten Ausbeutung fossiler Rohstoffe, in Summe also nicht nur eine Bremse für Fortschritt und internationale Zusammenarbeit, sondern schlimmer noch, ein Geisterfahrer zurück in eine Welt selbstverliebter Machthaber mit Tendenz zu Größenwahn.

Trumps Selbstbespiegelung als großer „Dealmaker“ soll seine mangelnde Kompetenz im Bereich Politik und Diplomatie überdecken. Ein Mann an der Spitze eines bis dahin als demokratisch geltenden Landes, der immer nur versucht, mit Druck und Drohungen Andere zu „Deals“ zu nötigen, die oft einer mafiösen Erpressung nahekommen — das ist das Gegenteil von der Lehre, die die Welt damals aus dem Zweiten Weltkrieg zog: die Gründung der Vereinten Nationen und die ausführliche Erklärung der Menschenrechte.

Wenn Ihr nicht wollt, dass in dieser Welt wieder die uralten Machtspiele gewaltbereiter Egoisten zur anerkannten Regel werden, dann müsst Ihr jetzt gegensteuern! Andernfalls rutschen wir in einen Rückschritt der menschlichen Zivilisation, der uns in neue bzw. alte Katastrophen reißt. Schaut nicht nur entsetzt, wenn in den Nachrichten wieder von Gewaltexzessen berichtet wird. Verkriecht Euch nicht in die Kissen, sondern nutzt Eure Möglichkeiten zu handeln! Ihr sagt, da kann man nichts machen? Wer will Euch das denn einreden? Na, wer wohl: diejenigen, die von Eurer Passivität profitieren wollen.

W. R.

P.S. Was ist mit „alte Katastrophen“ gemeint? Das sind die Kriege der Vergangenheit, die vor allem in Europa aus Machtkalkül beinahe ständig geführt wurden (und in der Gegenwart auch anderswo toben, z.B. im Sudan, im Nahen und Mittleren Osten).

Und „neue Katastrophen“? Das sind die Klimaveränderungen, die in erdgeschichtlich nie dagewesenem Tempo auftreten und keineswegs übliche Schwankungen, sondern eher rasant kommende und sich beschleunigende Veränderungen sind. Da sie messbar mit dem Zeitalter der Industrialisierung zusammenfallen, ist auch nicht zu leugnen, dass die Menschen mit der Wirtschaftsweise der letzten 150 Jahre erheblichen Anteil daran haben. Während Wissenschaftler seit den 1980er Jahren davor warnen, sind die Profiteure dieser Wirtschaftsweise und ihre Sachwalter in der Politik eifrig dabei, Zweifel an der Wissenschaft zu säen und weiterhin ihr Geschäftsmodell zu propagieren (Motto: Alles nicht so schlimm, geht vorbei, kein Grund zum Umsteuern, kein Anlass zu Verzicht auf irgendwas!).

Das geht einher mit einem Retro-Trend in der Politik: Mit rechtslastiger, nationalistischer Gefühlsduselei lassen sich viele Menschen behumsen, vom klaren Denken abbringen und auf falsche Feindbilder lenken. Davon hatten wir wirklich genug in der Vergangenheit. Das versperrt den Weg in eine lebenswerte Zukunft.


Nachtrag am 13.07.2025: Wieder einmal beschlich mich das Gefühl, dass unser Kanzler Merz insgeheim in die USA schielt und sich beim Trumpismus ein paar Dinge abschauen möchte, mit denen Trump beim „Volk“ zu punkten scheint. Mit dabei ist offensichtlich sein Innenminister Dobrindt (CSU), der mit verschärften Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylsuchenden eine AfD-light-Politik aufführt. Der selbsterklärte Europäer Merz verärgert damit aber einige Nachbarländer und vermittelt den Eindruck, dass nationaler Egoismus nun doch wichtiger sei als europäischer Konsens, u.a. wichtiger als das Schengen-Abkommen über offene EU-Binnengrenzen. Auf einem anderen Gebiet, der Klimapolitik, setzt sich Merz auch den Strohhut auf und meint ernsthaft, Deutschland habe wenig Mitverantwortung an der globalen Klimakrise. Er wiederholt einfach alte, widerlegte Argumente der Nutznießer fossiler Brennstoffe. Näheres: Friedrich Merz‘ Bundestagsrede: Ein Zechpreller als Bundeskanzler – Kolumne – DER SPIEGEL Merz ist nicht doof, und man kann unterstellen, dass er es besser weiß, als er vorgibt. Aber er kommt aus der Wirtschaft, und das dort übliche Denken hat er weitgehend mitgebracht. —

Macht Euch nichts vor

Alle diskutieren und rätseln und wollen wissen, wie man die aktuelle Regierungsweise von Donald Trump und seinen Komplizen mit einem Begriff beschreiben — oder wenigstens benennen soll.
Kluge Leute beschreiben das Vorgehen Trumps als disruptiv, manche nennen es auch Mafia-Methoden, und wieder andere suchen nach einem passenden Begriff, weil es so etwas in der modernen Geschichte bisher nicht gegeben hat.
Offensichtlich ist die Ära Trump2 (oder, wie ich sie auch nenne: Trump-Musk) von langer Hand geplant und vorbereitet worden. In der politischen Sphäre wurden die letzten „anständigen“ Politiker der Republikanischen Partei überrumpelt oder kaltgestellt, im Bereich Justiz wurden, wo immer es ging, liberale Richter gegen erzkonservative ausgetauscht, was im Supreme Court eine für die Demokratie fatale Folge hatte: Man verfügte auf Antrag, dass ein amtierender Präsident der USA von jeglicher Strafverfolgung ausgenommen sei!
Das war passgenau für Trump gemacht, der sich damit mehrerer gegen ihn laufender Anklagen entziehen konnte. Schlimmer noch: Trump bekam dadurch Narrenfreiheit für seine sich anbahnende zweite Amtszeit. Denn die Mehrheit im Supreme Court entschied auch: Im Amt wie auch danach kann der Präsident nicht juristisch belangt werden.
Man stelle sich vor: Ein Mann, der vor Jahren einmal in einem Interview sagte, er könne sich viel erlauben, und nicht einmal dann, wenn er in New York auf offener Straße jemanden erschieße, werde er dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Das hörte sich damals flapsig und großmäulig an, man nahm den prahlerischen Trump nicht richtig ernst. Aber nun ist einer seiner größten Träume wahr geworden, er kann praktisch unbegrenzt mit seinen Dekreten schalten und walten — und er hat in den ersten Wochen seinen neuen Amtszeit bereits exzessiv Gebrauch davon gemacht, unterstützt von seinem Komplizen Elon Musk, der auch keine Grenzen akzeptiert. Da nehmen zwei Über-Egomanen die Welt auseinander.
Die Kaskaden von Dekreten, großen Ankündigungen und Drohungen, die Zerstörung von gewohnten, funktionierenden Institutionen und Beziehungen im Lande wie außerhalb der USA halten die Welt in Atem, verbreiten Entsetzen und lähmen die Formierung von Widerstand. Das, wie gesagt, wurde möglich durch eine Planung, die besonders ein rechtslastiger Thinktank in den USA jahrelang betrieben hat, von Milliardären unterstützt. Und bei Trumps Amtseinführung standen, für alle Welt sichtbar, neben Musk auch andere Tech-Milliardäre in der ersten Reihe seines „Hofstaates“, so muss man das schon nennen.
Diese Tech-Milliardäre waren z.T. kurzfristig um ihrer Geschäfte willen umgeschwenkt und führten vor, was man unter Opportunismus versteht.
Davon (macht Euch da nichts vor!) ist praktisch die ganze Welt betroffen, nicht nur die Welt des Internets mit seinen Kommunikationsplattformen.
Was das bedeuten kann, dafür nur ein Beispiel: Musk betreibt das Kommunikationssystem „Starlink“ mit seinen zahlreichen Satelliten. Neben vielen Anderen nutzt auch das Militär der Ukraine diese technische Möglichkeit zur zielgenauen Steuerung von Drohnen und anderen Angriffsmitteln. Als vor einiger Zeit ukrainische Seedrohnen einen Angriff gegen russische Kriegsschiffe im Schwarzen Meer starteten, schaltete Musk sein Starlink ab, und die Drohnen liefen ziellos ins Nichts. Damit griff Musk schon lange vor Trumps Anlauf zur 2. Präsidentschaft direkt zugunsten Russlands in das Kriegsgeschehen ein.
Im Rahmen der jüngsten Diskussionen über Abhängigkeiten Deutschlands bzw. Europas muss ich sagen: Schon solche Vorkommnisse hätten vor allem MIlitärs in Europa wachrütteln müssen. Aber wir haben ja erlebt, wie die öffentlichen Debatten während der letzten drei Jahre liefen…
Jetzt lamentieren Viele, dass wir zu abhängig sind von den Beherrschern des Internets, dass wir keinen Einfluss auf deren Gestaltung von Algorithmen, nicht einmal Einblick haben; dass sie sich nur um ihren Profit kümmern und der Verseuchung der „social media“ durch Fake aller Art und der Verrohung der Debatten keinen Riegel vorschieben. Warum? Das ergibt sich aus ihrem Geschäftsmodell. Wenn es sich finanziell lohnt, sind sie demokratisch gesinnt, aber spätestens als Trump an die Macht kam, schwenkten sie um und unterstützen nun Autokraten und Diktatoren. Beispiel: Wieder mal Musk, der jüngst bei den Protesten gegen Erdogan nach der Verhaftung von dessen Gegenkandidaten eingriff und die Konten der Erdogan-Kritiker auf „X“ sperrte.
Für Musk ist sowas eher Spielerei nach dem Motto: Ich kann es, also mache ich es und mische da mit, wo ich gerade Laune zu habe. In die Politik eingreifen ist für ihn ein Hobby. Und mir ist es schleierhaft, wie die AfD sich einerseits die Hilfe des schwerreichen Musk gern gefallen lässt, andererseits aber eine Volkspartei sein will und gegen „die da oben“ Ressentiments schürt. Aber das hat ja auch bei Wählern in den USA funktioniert, die Trump wegen seines hemdsärmelig-populistischen Auftretens wählten — obwohl er keiner von ihnen ist und sogar mit seinem Vermögen prahlt. Doch…

... bei den Rechten sind Widersprüche kein Problem: Man will ja keine denkenden Wähler, sondern zielt auf ihren Bauch und wünscht sich emotional gelenktes Stimmvieh.

Macht Euch nichts vor! Das ist ein Feldzug gegen Demokratie, Menschenrechte, friedlichen Interessenausgleich und Rücksichtnahme auch auf Schwächere, gegen Umweltschutz, gegen ein Menschenbild der Verschiedenheit, Gleichberechtigung und Freiheit — ein Feldzug, von langer Hand vorbereitet und mit überfallartiger Geschwindigkeit umgesetzt. (Beim Militär nennt man diese Taktik „shock and awe“.) Man hätte das schon lange kommen sehen und sich vorbereiten können — doch zu Viele konnten sich nicht vorstellen, dass die Tiraden, Ausfälle und Lügen eines Trump nicht nur ernst gemeint waren, sondern auch seine praktische Politik bestimmen würden. Jetzt stehen wir da, werden täglich mit Grenzüberschreitungen überrumpelt und haben kaum Mittel dagegen — so scheint es zumindest. Selbst das inkompetente Handeln in der US-Regierung (siehe „Signalgate“) hat zumindest vorläufig keine negativen Folgen für sie selbst. Auch Trumps Amok-artige Zolldiktate (eins seiner liebsten Spielzeuge) haben zunächst (!) keine spürbaren Nachteile für ihn und die US-Wirtschaft.

Aber: Lasst Euch nicht bluffen und blenden, diese Agenten des Bösen sind weder allmächtig noch superklug. Sie sind Menschen mit Fehlern, und sie haben solche Angst vor Bedeutungslosigkeit, Tod und Vergessen, dass sie ihre Energie darauf konzentrieren, in die Geschichtsbücher zu kommen und als „wichtig“ zu gelten, koste es, was es wolle. Bestes Beispiel ist der Wichtigtuer Trump, dem einige Leute unglücklicherweise den Gefallen taten, ihn zum offiziell mächtigsten Mann der Welt zu machen.

Soviel zum Thema „Homo Sapiens“. Wir irren vorwärts, aber wohin? Rolle rückwärts in die Gedankenwelt des 18. Jahrhunderts — wenn es nach Putin und Konsorten geht: Liebe Untertanen, lasst Euch massenhaft massakrieren, damit Euer Führer auf der Landkarte eine Grenze verschieben und Ruhm für die Geschichtsbücher ernten kann. Was habt Ihr davon? Wenn Ihr überlebt, dürft Ihr großartigen Paraden mit wehenden Fahnen zuschauen.

Wir glaubten einen Moment lang, so etwas sei Vergangenheit, und die Welt sei klüger geworden. Denkste! Man sollte eben nicht vorschnell von sich auf Andere schließen.

Was bleibt als Schlusswort? „Es gibt nichts Gutes, außer, man tut es.“

W. R.

Nachtrag zum o.a. Supreme-Court-Entscheid: Wie sich schon bald zeigte, war (bei einem Narziss und Selbstüberschätzer zu erwarten) Donald Trump diese Freikarte so zu Kopf gestiegen, dass er auf Richterentscheidungen überhaupt keine Rücksicht mehr nahm. Er ignorierte Richter, die Verfügungen als rechtswidrig zurückwiesen, und inszenierte z.B. willkürliche Verhaftungen und Abschiebungen, bevor jemand dagegen juristisch vorgehen konnte. De facto setzt Trump also die Justiz außer Kraft, wenn es ihm passt. Jetzt zeigt sich, warum er Putin bewundert. Er will auch absoluter Herrscher werden.

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Auf Augenhöhe!

SO darf es nicht weitergehen: Was erlauben sich Männer, die über Frauen verfügen wie Sach-Eigentum, die selbstherrlich entscheiden, dass ihre Frau oder Freundin oder Ex nicht mehr leben soll? Geht’s noch, Ihr Schwachköpfe?
Beispiele:
Es geht mir als Mensch (männlich) nicht in den Kopf, wie es sein kann, dass ein Mann in Kenia seine Frau umbringt, weil sie im internationalen Sport Erfolg hat (und er nicht).
Oder, geschehen in Deutschland: Ein Mann bringt seine Frau um, die sich von ihm trennen will — weil er sich in seiner Ehre verletzt sieht.
Da frage ich mich: Was ist das für eine Ehre, wenn mann zum Mörder wird? Sind Frauen in den Augen dieser Männer keine Menschen?
Es geht hier keineswegs um exotische Gesellschaften mit fremden Ehrvorstellungen, denn die Spitze eines Eisberges zeigt ja nur das Unübersehbare, das man nicht leugnen kann. Hier geht es vielmehr um die grundsätzliche Respektierung der Frau NEBEN dem Mann (und nicht irgendwo unter ihm)! Gleichwertig und auf Augenhöhe!
Viele haben sich einreden lassen, dass der Mensch in Schubladen verschiedener Wertigkeit sortiert werden könne, sei es nach Geschlecht, nach Herkunft, nach Hautfarbe, nach Einkommen und Besitz. Alles Unfug! Wer so denkt, der höre auf zu faseln von Menschenrechten oder Gleichheit, der höre auch auf, für sich Rechte zu fordern oder in Anspruch zu nehmen, die er Anderen verweigert! Wer Ungleichheit in der Behandlung von Menschen akzeptiert, darf sich nicht beschweren, wenn er selbst Opfer von ungleicher Behandlung wird.
Kommt mir nicht mit religiösen Begründungen! Die Schöpfungs-Erzählungen in „heiligen Büchern“ wurden von Männern aufgeschrieben und interpretiert. Biologisch ist der Mensch, grob gesagt, in zwei „Baumustern“ entstanden, wobei das Muster „weiblich“ und „männlich“ gleichermaßen notwendig wurde zur Fortpflanzung und zur Erhaltung der Art. Wo ist da eine Begründung für ein Patriarchat?
Übrigens: In der Natur zeigen viele Beispiele auch, dass es kein binäres Prinzip „entweder männlich oder weiblich“ gibt. Wer sich nicht auf „die Religion“ beruft, versucht es ja oft mit „der Natur“. Aber da wissen wir schon lange, dass sich dort auch nicht-binäre Lebewesen tummeln, und dass es „in der Natur“ auch gleichgeschlechtliche Liebe gibt. Ja, diese Natur, die Gott geschaffen hat, kennt eben mehr als nur die eng gefassten Begriffe von Menschen, die ihre Regeln, die sie in ihrer Gesellschaft eingeführt haben, unbedingt als unumstößlich etablieren wollen. Deshalb ist alles angeblich gegen Gott und/oder gegen die Natur, was nicht zu diesen menschengemachten Regeln und Gesetzen passt.
Also, Machos, seid vorsichtig mit Euren Argumenten, macht Euch nicht lächerlich. Gott oder die Natur funktionert nicht nach Euren Wünschen, da helfen auch keine Drohungen und keine Gewalt. Für Euch wird es Zeit, umzudenken und in Frauen Menschen auf Augenhöhe und echte Partnerinnen zu erkennen.
Aufruf an alle Menschen: Verbietet und verhindert Femizide (Mord an Frauen durch Macho-Männer)!
Habt Ihr von der Istanbul-Konvention gehört? Informiert Euch!
Hier der Link: Die Istanbul-Konvention – UN Women Deutschland

W. R.

Mehr über diese Thematik und ihre psychologischen Aspekte finden Sie in der Unterseite >Literatur ….. , dort zum Buch Blaubarts Geheimnis von H. Suhrbier.

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Leiden am Homo Sapiens

Was der Homo Sapiens sich derzeit auf dem Globus leistet, spottet mal wieder jeder Beschreibung. Nein, ich meine jetzt nicht die Leute, die immer noch den Klimawandel leugnen und beharrlich gesicherte Erkenntnisse der Wissenschaft als Lüge ablehnen, weil ihnen die Entlastungslügen der Profiteure an der Verbrennung fossiler Energie besser gefallen. Da können ganze Landstriche absaufen oder ausdörren, da können zu stark erwärmte Meere immer mehr katastrophale Wettereignisse auslösen, Gletscher in nie gesehenem Tempo abschmelzen… Nein, nein, das ist kein extremer Klimawandel, nur normale Schwankung, und schon gar nicht von Menschen gemacht… Parole: Augen zu und an den Weihnachtsmann glauben!

Wenn ich davon rede, was sich Homo Sapiens derzeit leistet, meine ich im Besonderen das, was in den letzten Wochen unsere Nachrichtensendungen beherrscht: die Gewaltausbrüche und Kriegshandlungen des Homo Sapiens, sowohl von Einzelpersonen wie von staatlichen Akteuren. Man kann sich nur noch die Haare raufen, wenn der angeblich vernunftbegabte Homo Sapiens (wie er sich stolz nennt) Amok läuft, Hass und Hetze verbreitet und diese als Ansporn zu Gräueltaten konsumiert, wie er mit Anderen Hassparolen schreit und sich einem gewalttätigen Mob anschließt, wie er auf Gewalttaten gegnerischer Horden mit noch mehr Gewalt reagiert und ständig nur noch nach Rache und Vergeltung ruft…

Die Menschheit hat mit solchem Verhalten schon so viele Erfahrungen gemacht, dass Beobachter von außen, sagen wir mal: außerirdische Besucher, annehmen könnten, diese Erfahrungen müssten gerade den Homo Sapiens mit seinem geistigen Anspruch endlich dazu bringen, dieses ganze Gewalt-Theater zu hinterfragen und dessen entsetzliche Sinnleere zu erkennen.

Die Geschichte lehrt uns, dass diese Erkenntnis schon lange gereift ist, aber leider nur bei einzelnen, nachdenklichen Menschen, zeitweise sogar bei einer größeren Zahl von Einsichtigen. Doch diese waren nie zahlreich genug, waren nie in einer überwältigenden Mehrheit. Und obwohl es Zeiten gab, in denen die allermeisten Menschen sich nur nach dauerhaftem Frieden sehnten, wurden doch immer wieder Konflikte vom Zaun gebrochen und angeheizt, wurde kalkuliert Hass gesät, wurden Feindbilder aufgebaut, wurde zu Gewalt aufgerufen…

Das Schauspiel, das zurzeit etwa der Nahe Osten bietet, ist jenseits aller Phantasie von Romanautoren. Aber auch die brutal realisierten Großmachtphantasien der russischen Führung tragen Züge des menschenfeindlichen Wahnsinns, und wenn man auf Putins engste Verbündete schaut, dann sieht man ähnliche Gesinnungen von Machtbesessenheit und Rücksichtslosigkeit gegenüber Menschen und Menschenleben.

Wladimir Putin, Xi jin Ping, Kim Jon Un reichen sich nicht nur bei persönlichen Treffen die Hand für die Kameras, sie sind sich auch in der Gesinnung einig, Machtziele über das Leben von tausenden von Menschen zu stellen. Das haben Autokraten und Diktatoren leider so an sich. Wenn sie erst einmal an der Macht sind, geben sie sie nicht mehr her, im Zweifel werden noch mehr Gefängnisse für Kritiker gebaut, werden Gegner umgebracht, wird die Bevölkerung überwacht und mit ständiger Propaganda zum Glauben an die Stärke und Weisheit der Führer „erzogen“.

Die Idee der Menschenrechte, in Europa vor Jahrhunderten gereift und in vielen Aufständen und Revolutionen politisch wirksam geworden, hat sich in den sogenannten westlichen Ländern weitgehend durchgesetzt und zur Bildung von Regierungssystemen geführt, die mehr oder weniger demokratisch sind und nicht nur durch Beteiligung der Bevölkerung in Wahlen, sondern auch durch Gewaltenteilung die staatliche Macht in kontrollierten Grenzen halten und damit die Alleinherrschaft von Personen, Gruppen oder Parteien verhindern oder zumindest erschweren.

Auf ihre unbeschränkte Macht pochende Herrscher oder Gruppen lehnen folgerichtig die Idee der Menschenrechte ab und verabscheuen Demokratie. In China behaupten Machthaber seit Langem, die Menschenrechte seien der eigenen Kultur fremd und passten nicht nach Asien. Russlands Machthaber Putin hasst Demokratie geradezu und fasste daher vor Jahren den Entschluss, die Ukraine als Staat zu vernichten bzw. in ein russisches Imperium zurückzuholen, nachdem dort eine Revolution stattgefunden hatte und eine Mehrheit sich von Russland ab- und der EU zuwandte.

Von Nordkorea ist bekannt, dass die von Stalins Kommunismus geprägte Führung gnadenlos ihre absolute Macht ausübt und im Zweifel die Priorität statt auf ausreichende Ernährung der Bevölkerung lieber auf militärische Hochrüstung und ein Programm zur Entwicklung von Atomwaffen legt.

Wenn wir auf den Iran blicken, dann sehen wir dort Züge eines Regimes, das Ähnlichkeiten mit den vorgenannten aufweist. Als ideologische Stütze dient hier nicht eine geschönte Vergangenheitsidee von wiederzuerrichtender Großmachtstellung, auch nicht eine kommunistisch gefärbte Herrschaftsidee, sondern das Prinzip Gottesstaat. Dort bestimmen die obersten Verwalter der Religionsinhalte, was Gottes Wille sei und was das politisch zu bedeuten habe. Die Bevölkerung wird von „Religionswächtern“ überwacht und mit Verhaltens- und Kleidungsvorschriften drangsaliert, besonders die Frauen.

In Ländern, in denen eine rigide Staatsführung herrscht, will diese ihren Machtbereich möglichst umfassend kontrollieren und daher möglichst uniformieren. Autoritäre Führer haben ein Problem mit Minderheiten, sowohl mit ethnischen Minderheiten in ihrem Staatsgebiet als auch mit Gruppen, die in religiösen Fragen, in der Lebensführung, in der sexuellen Orientierung nicht einem verordneten Einheitsbild entsprechen.

Wir erleben in Deutschland ja auch aktuell, dass es Menschen gibt, die autoritäre Führer gut finden und deshalb auch eine Abneigung gegen alle von einer gedachten Norm abweichenden Lebensentwürfe und Denkweisen entwickeln.

Diese Vorstellung vom gesellschaftlichen Einheitskorsett herrschte bekanntlich besonders im Mittelalter, und daher ist es kein Wunder, dass sich damals auch der Antisemitismus festsetzte, gefördert von der christlichen Kirche. Die Kirche spielt da inzwischen nicht mehr mit, aber weltliche Ideologen kaperten diese Auffassung von der Ausgrenzung und benutzten sie als Hetz- und Ablenkungsmittel für die Menschen, die sich über die politischen Verhältnisse beschweren wollten oder könnten. Diese perfide Strategie gipfelte in dem Spruch „Die Juden sind unser Unglück“, womit man die Menschen für dumm verkaufte und sie von den wirklichen Machtverhältnissen in Politik und Wirtschaft ablenkte.

Im russischen Zarenreich verfiel der Geheimdienst auf die Idee, zur Ablenkung der Kritik an der Zarenherrschaft und den gesellschaftlichen Verhältnissen die Mär von einer jüdischen Weltverschwörung zu erfinden. Um das Phantom einigermaßen glaubhaft in die Welt zu lancieren, setzten sich einige Geheimdienstler hin und schrieben ein Buch, das sie mit dem Titel „Die Protokolle der Weisen von Zion“ in Umlauf brachten — ein angebliches Originaldokument, in Wahrheit eine dreiste Fälschung mit dem Ziel, Juden zu diskreditieren und unter Generalverdacht als Staatsfeinde zu stellen.

Heute würde man das Fake News nennen, aber auch heute fallen ja Viele auf erfundene Nachrichten herein, vor allem auf solche, die im Netz kursieren und so tun, als verbreiteten sie wahre Nachrichten, die von den (gewissenhaft berichtenden) Medien bewusst verschwiegen würden. Bekanntlich wird das Netz inzwischen mit Falschmeldungen geradezu überschwemmt, die meist von autoritären Machthabern im Ausland veranlasst sind, um uns zu verwirren, zu verunsichern und gegeneinander aufzuhetzen.

Homo Sapiens macht sich selbst das Leben, vor allem das Zusammenleben mit anderen Menschen, unnötig schwer, indem er/sie oft das Trennende zu sehr in den Blick nimmt und darüber vergisst, dass alle Menschen auf dieser Erde viel mehr Gemeinsames verbindet, als es je an Unterschieden geben könnte.

Um den oben zitierten Spruch zurechtzurücken: Nicht die Juden, auch nicht irgendeine sonstige ethnische oder religiöse Gruppe ist unser Unglück; unglücklich macht sich Homo Sapiens mit den künstlich aufgebauschten Unterschieden, mit den Schubladen, in die Menschen einsortiert und mit denen sie oberflächlich bewertet werden. Unser Ungück sind Ausgrenzung, Diffamierung, Gewalt gegen Menschen, oder anders gesagt: Wir machen uns unglücklich mit einer Welt voller trennender Grenzen, in der wir alle diejenigen ablehnen, die nicht unserem Selbstbild entsprechen. Und, Hand auf’s Herz: Unser Selbstbild ist doch mehr oder weniger geschönt, die Schatten im Bild schieben wir gern von uns weg und projizieren sie auf Andere.

Genauso wie manch ein Mensch ein realistisches Selbstbild nicht ertragen kann, so kann er auch nicht ertragen, dass er an anderen Menschen Züge erkennt, die er bei sich selbst leugnet. Daher neigen Viele dazu, Fremden negative Eigenschaften zuzuschreiben: Sie wollen selbst gut dastehen, einen schlechten Charakter haben nur Andere. Sie machen nie wirklich Fehler, die sehen sie aber umso deutlicher bei Anderen…

W. R. (ein Homo Sapiens, keine KI)

P.S. Aufmerksame BesucherInnen dieser Website fragen sich wohl, was die Überschrift dieses Beitrags meint. Wer ein wenig über den Inhalt nachgedacht hat, kommt von selbst darauf — oder erinnert sich vielleicht an den schon vor Jahren gehörten Witz:

Treffen sich zwei Planeten. Sagt der eine: Oh-oh, ich leide an Homo Sapiens. Sagt der Andere: Das geht vorbei.

Grundsätzliche Bemerkung am 09.10.24:

Man hört und liest Sätze wie: „Der Hass auf Juden ist größer geworden.“ Das, lieber Nachbar-Homo-Sapiens, musst Du mir erklären! Wie kannst du jemanden hassen, wenn der dir nichts getan hat, der nicht gegen deine Interessen handelt, der einfach nur sein Leben als normaler Bürger leben will so wie du? Erklär mir dein Motiv zu hassen!

Ich höre Gestammel und allgemeine Ausflüchte in Aussagen über „die Juden“. Die sind aber an den Haaren herbeigezogen, und wenn ich nachfrage, was ihn persönlich stört, ist er weiter in Erklärungsnot und brabbelt was von „Man weiß doch…“ und „Schon lange…“ Darauf sage ich: „Man weiß doch, dass der ganze rassistische Unfug keine reale Basis hat, dass Juden Menschen wie wir sind — und nicht nur Juden…“ Da wird er verlegen, setzt noch zu einer Erwiderung an, wendet sich aber ab und trollt sich.

Habe ich ihn überzeugt? Ich vermute, eher nicht. Denn Vorurteile hat der Homo Sapiens nur, weil er sie haben will, nicht etwa aus guten Gründen, sondern aus Dünkel und Denkfaulheit. Ja, so ist es leider, Herr Nachbar. Ab und zu sollte man mal seine Einstellungen überprüfen und überlegen, ob sie noch auf der Höhe der Zeit bzw. des allgemeinen Wissens sind. Und ob sie dem eigenen, behaupteten Standard von Menschlichkeit entsprechen.

Aber dazu gehört, dass man überhaupt bereit ist zum Nachdenken… Wenn der Nachbar dazu nicht bereit ist, sucht er sich lieber Gesellschaft, wo er in seinen Vorurteilen bestärkt wird. Damit er sein Denkvermögen nicht anstrengen muss.

Man weiß doch: Auch so isser, der Homo Sapiens.

Blick nach vorn

AM 23. Mai 2024 wurde offiziell gefeiert, dass unsere Verfassung, das Grundgesetz, vor 75 Jahren verkündet wurde und in Kraft trat. 1949 hatte man Lehren aus der Zeit der Weimarer Republik, der Nazi-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg gezogen und diese in die Verfassung eingearbeitet — auf der Grundlage der Menschenrechte. Damit bekam (damals nur West-) Deutschland eine Verfassung, die man in historischer Perspektive als die beste, d.h. freiheitlichste sehen muss, die je auf deutschem Boden in Kraft trat.

Es gibt aber auch Menschen, die den Blick zurück wenden und mit soviel Freiheit offenbar überfordert sind. Sie möchten lieber gegängelt werden, sie wollen Entscheidungen lieber mächtigen Autoritäten überlassen, sie wollen einen „starken Mann“ an der Spitze des Staates bewundern und im Gleichschritt hinter ihm hermarschieren, egal wohin. Bloß nicht viel denken und mitentscheiden müssen! Da wird höchstens mal hinter vorgehaltener Hand gemeckert, sich aber prinzipiell geduckt. Wie soll mit so gestrickten Gemütern eine Demokratie funktionieren, die diesen Namen verdient?

Putin setzte in Russland vor etlichen Jahren den Begriff „gelenkte Demokratie“ in Umlauf, um seinen Weg in die Diktatur zu vernebeln (Unser G. Schröder hatte Putin geholfen, indem er ihn in einem Interview als „lupenreinen Demokraten“ bezeichnete). Allen musste klar sein: Putins Worthülse sollte für Verwirrung sorgen, denn eine echte Demokratie wird nicht von irgendwo gelenkt. Darüber hinaus ist eine Demokratie nicht bloß durch Wahlen definiert, sondern z.B. auch durch Meinungsfreiheit und Gewaltenteilung, Minderheitenschutz, etc. Ihr wisst schon (hoffe ich stark!). Dennoch benutzen Autokraten und Diktatoren gern das Instrument von Wahlen, wenn sie zuvor dafür gesorgt haben, dass keine Opposition eine Chance hat. Seit Hitler legt jedes autoritäre Regime Wert auf zumindest den Anschein, dass die große Mehrheit der Bevölkerung seiner Herrschaft zustimmt.

Hierzulande gibt es, wie gesagt, Menschen, die sich für so ein Modell Putin erwärmen und auch Chinas Diktatur nicht schlimm finden. Dabei wäre die Frage, ob das auch so bliebe, wenn sie morgen in einem solchen System leben müssten, wo sie nicht mitentscheiden dürfen, was von oben befohlen, erwünscht, erlaubt und verboten ist. Aber wenn dem Esel zu wohl wird, geht er auf’s Eis — sagt ein altes Sprichwort. Und Einigen geht es in unserem Staat anscheinend zu gut, sie nehmen das als selbstverständlich.

Aber reden wir nicht länger von Leuten, die von der übrigen Welt wenig wissen, oder sich in eine schöngefärbte Vergangenheit zurücksehnen, die es so nicht gab und die es auch nicht geben wird. Wenden wir den Blick nach vorn!

Was brauchen wir denn in einer Welt, die schon zwei Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts erlebt hat und vor Problemen steht, von denen man eins sicher sagen kann: Sie werden nicht mit Mitteln und Methoden aus Opas Mottenkiste gelöst. Das hat z.B. ein Putin schon zu spüren bekommen: Mit seinem „schnellen“ Eroberungskrieg in der Ukraine ist er auf den Bauch gefallen. Und was Hitler nicht geschafft hat, wird auch Putin nicht schaffen: Sie konnten die Welt nicht davon überzeugen, dass das „Recht des Stärkeren“ alles Recht in den internationalen Beziehungen schlägt… zumal beide sich verrechnet haben, was die Gegenwehr angeht. Auch Putin wird die Puste ausgehen, schon jetzt hat er sein (erträumtes) „Großrussland“ politisch von China abhängig gemacht. Wirtschaftlich ist er auf dem Holzweg, wenn er glaubt, die meisten Länder würden in Zukunft von seinen Rohstofflieferungen (Öl, Gas, Uran-Brennstäbe) abhängig sein. Das Verbrennen fossiler Energieträger ist ein Auslaufmodell, die russische Wirtschaft muss sich baldigst umorientieren. Da sehen wir übrigens einen Grund für die verbreitete Propaganda gegen Klimawandel, der geleugnet wird, und gegen die Energiewende.

Aber auch Deutschland kann sich nicht auf Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen. Der ehemalige „Exportweltmeister“ muss sich auch veränderten Bedingungen anpassen, z.B. was die Elektromobilität betrifft. Aber dieses Thema wollen wir an dieser Stelle nicht vertiefen. Wichtig ist, dass wir erkennen: Man muss mit der Zeit gehen, nichts bleibt auf ewig, wie es ist.

Und da wir eingangs über das Jubiläum „75 Jahre Grundgesetz“ sprachen, fragen wir uns auch, ob dieses Grundgesetz in allen Teilen so bestehen kann, wie es konzipiert wurde. Müssen wir nicht von Zeit zu Zeit überlegen, ob diese Verfassung veränderten Bedingungen und neuen Herausforderungen angepasst werden muss? Das geschieht ja auch manchmal, es gibt Änderungen, und es gibt Ergänzungen, die im Laufe der Jahrzehnte vom Bundestag mit der nötigen Zweidrittel-Mehrheit beschlossen wurden. Denn es ist klar, dass die Mütter und Väter des Grundgesetzes 1948/49 nicht alles vorhersehen konnten, was in Zukunft zu klären und zu regeln sein würde.

Wenn wir den Blick nach vorn richten, können wir uns natürlich auch Gedanken darüber machen, ob und wie unser Grundgesetz auf neue Entwicklungen und Herausforderungen eingestellt werden soll. Darüber hat sich auch Renan Demirkan zum Jubiläum ihre Gedanken gemacht und in einem Artikel formuliert. Dieser ist auf jeden Fall lesenswert, wenn man Denkanstöße schätzt und sich mit Vorschlägen auseinandersetzen möchte, die den Blick nach vorn richten. > Kölner Stadt-Anzeiger e-paper

W. R.

Bemerkung am 3. Oktober 2024: Wollen wir nicht mal darüber diskutieren, ob eine Partei wie die AfD verboten gehört? Und wollen wir nicht mal darüber nachdenken, ob die Hauptforderung des BSW nicht verkappter Landesverrat ist, um uns zu Vasallen von Putins Russland zu machen?

AfD und BSW verbreiten die Erzählung, wir würden von den USA beherrscht. Was sollte denn besser werden, wenn uns statt den USA demnächst Russland beherrschte? Schaut Euch doch mal an, wie es den Russen unter Putin geht! Die große Mehrheit wäre froh, wenn sie dort leben könnten wie die Mehrheit der Deutschen hier. Und die wären auch schon froh, wenn Putin nicht ihre Söhne an der Front zu tausenden rücksichtslos verheizen würde, und wenn das viele Geld für die Hochrüstung wenigstens teilweise für soziale Zwecke im Land ausgegeben würde. Also, wer es gut mit den Menschen in Russland meint, der kann nur hoffen, dass Putin keinen Krieg gewinnt und keinen weiteren anfängt, und dass er bald abtritt oder seine Politik ändert.

Wer glaubt, die Einstellung der Hilfe für die Ukraine würde Frieden bringen, der muss sich erst einmal fragen lassen: Frieden für wen? Und was blüht dann den von Russland beherrschten Menschen in der Ukraine? Und wer soll dann die vielen neu ankommenden Flüchtlinge aus der Ukraine versorgen?

Denken, nicht nur gefühlsduselig nicken beim Ruf nach Frieden! Ist das so schwer?

Erstmal nachdenken.

Muss mal eben noch die Welt retten — im Zeitalter des Social-Media-Wischens hat wohl manch Eine oder Einer den Überblick verloren und etwas geliket oder unterstützt, was sich bei näherem Hinsehen (und Nachdenken) als einseitige Parteinahme entpuppt. Das freut natürlich diejenigen, die eine Kampagne gestartet und Deine Stimme so leicht eingeheimst haben. Du kannst dein Votum auch nicht mehr einfach zurücknehmen, es ist schon registriert und verwertet als Teil „breiter Zustimmung“.
Erstmal Nachdenken, das ist anscheinend bei Vielen nicht populär. Es geht offenbar eher darum, „dabei“ zu sein, sich emotional mitreißen zu lassen und sich in einem Strom mitschwimmend stärker zu fühlen. Oder was?
Als Spiritus Rector der Freien Universität Frechen habe ich dazu eine dezidierte Meinung und vertrete diese nicht solitär, sondern weiß mich im Einklang mit vielen Menschen auch jenseits unseres Clubs, Menschen, die ihren Verstand nicht in Ruhestellung schicken, wenn ihre Stellungnahme angefragt wird.
Eine UNIVERSITÄT ist nach landläufiger Auffassung ein Ort des Wissens, des Denkens, der Kommunikation über Wissen, des Diskurses und auch des Disputs zwischen verschiedenen Meinungen. Es hat mich befremdet zu sehen, dass nun auch noch an der Kölner Universität ein Protestcamp entstanden ist, in dem bisher eine überschaubare Zahl von Menschen (die z.T. gar nicht hier studieren) eine propalästinensische und zugleich antiisraelische Kampagne unterstützen.
Mit Kopfschütteln habe ich bereits die Vorgänge in mehreren US-amerikanischen Universitäten zur Kenntnis genommen, bei denen es nicht mehr um Diskurs und Disput geht, sondern um Aktionen, die Druck aufbauen und Aufsehen erregen sollen. Der Erregungszustand vieler TeilnehmerInnen lässt sie handgreiflich und manchmal gewalttätig werden, wenn sie etwa jüdische Studierende angreifen und vom Campus fernhalten. Das hat nichts mehr mit dem Charakter einer Universität zu tun, vielmehr geht das in Richtung Meinungsterror und darf nicht toleriert werden, weder in den USA noch bei uns.
Worum geht es eigentlich in der Sache? Sachlich daneben sind auf jeden Fall einseitige Schuldzuweisungen und holzschnittartige Vereinfachungen der Lage im Nahen Osten wie der langen Geschichte des Konflikts. An Emotionalisierungen besteht und bestand in der Vergangenheit kein Mangel.
Leider hat das immer wieder zu Gewaltausbrüchen geführt, Scharfmacher und Hetzer hatten und haben in der Region leichtes Spiel. Seit im Hintergrund auch noch das Regime in Teheran mitmischt, ist es nicht besser geworden. Hamas, Hisbollah und Huthis sind verlängerte Arme Teherans und betreiben das Geschäft des Scharfmachens und des Hintertreibens aller Bemühungen um friedliche Lösungen. Hinzu kommt leider als Spiegelbild dieser Scharfmacherei eine rechtsradikale Regierung unter Netanjahu in Israel, die sowohl antidemokratische Ziele verfolgt als auch die Zweistaatenlösung bekämpft. Wer das zum Vorwand antiisraelischer Kampagnen und antisemitistischer Hetze nimmt, verfälscht die Wahrnehmung der Realität, da bekanntlich auch in Israel ein großer Teil der Bevölkerung gegen die Politik der Regierung Netanjahu ist und das in vielen großen Demonstrationen kundtut.
Apropos Zweistaatenlösung: Teheran und seine o.g. verlängerten Arme fordern die Vernichtung des Staates Israel — egal, wer dort das Sagen hat — und verbreiten die Parole „From the river to the sea“, gemeint ist Vernichtung und Vertreibung zugunsten eines pälästinensischen Staates.
Unglücklicherweise haben etliche Menschen in Europa diese Parole aufgegriffen. Tut mir leid, Greta, damit hast dich aus der positiven Bewegung „Fridays for Future“ herauskatapultiert und zur Influencerin der antijüdischen Kampagne gemacht. Ich unterstelle, dass du in einer schwachen Minute dem eingangs beschriebenen Social-Media-Effekt anheimgefallen bist und dich hast einspannen lassen…
Was die Hamas mit ihren ins Netz gestellten Videos am 7. Oktober 2023 selbst vorgeführt hat, spricht schon eine klare Sprache: Niedermetzeln und Entführung zahlreicher unbewaffneter Menschen wird hier stolz als Heldentaten gezeigt. Das ist Selbstlob für Verbrechen. Und sie bildet sich offenbar ein, das als Werbung für sich im Netz verbreiten zu können. Das erinnert doch stark an den IS und seine Präsenz im Netz (Videos zur Gewaltverherrlichung, gefilmte Greueltaten), und es legt den Schluss nahe, dass Hamas und IS Brüder im Geiste sind. Über wehrlose Menschen herzufallen soll Heldentum sein? Metzeleien und extreme Gewalt vor allem gegen Frauen? Da werden alle Maßstäbe auf den Kopf gestellt! Da herrscht eine extrem frauenfeindliche, gewalttätige Gesinnung, die versucht, sich einen religiösen Heiligenschein aufzusetzen.
Wie hassverblendet ticken Menschen, die daraufhin spontan in Berlin auf die Straße gingen und feierten? Geht’s noch?
Und an den Universitäten wollen offenbar einige Studierende zeigen, dass bei ihnen Hass über Verstand geht und aufgeputschte moralische Empörung über intellektuelle Denkarbeit. Wie anders soll man diese Aktionen denn verstehen?
Die ganze Scharfmacherei, die nun auch noch aus dem Nahen Osten zu uns herübergetragen werden soll — entspringt sie womöglich (bei cooler Betrachtung) zu einem großen Teil einer Macho-Haltung mit lauten, gewaltbereiten Zügen, wo die sich aufspielenden Männer alles bestimmen wollen und Rufe nach Frieden als Schwäche abtun? Ist doch auffällig, dass vom Mittelmeer bis an den Hindukusch meist frauenfeindliche Regime das Sagen haben, und je radikaler die religiöse Ausrichtung, desto frauenfeindlicher reden und handeln diese Glaubensextremisten. Im Unterschied zum Islam ist der Islamismus eine Abart des Glaubens, dem es vor allem um die vorislamische Männerherrschaft geht. Darum legen sie die religiöse Überlieferung in einem einseitig-radikalen Sinne aus, und das entspricht nach meiner Beobachtung durchaus nicht der Haltung und dem Verhalten des Propheten.

Wenn Gewalt weitgehend als „männlich“ verstanden wird, dann wird die Welt wohl kaum friedlicher werden, solange das Machotum weltweit verbreitet ist. Und die Frauen? Sollen sie — trotz aller Bekenntnisse zu den Menschenrechten — weiterhin für Viele als Menschen zweiter Klasse gelten? Dazu ein denkwürdiger Beitrag hier >TikTok – Bär oder Mann: Auf wen allein im Wald lieber treffen? – DER SPIEGEL

Viel Spaß beim Denken!

S. R.

P.S.: War obiger Beitrag einseitig? Ich denke: Nein, denn es dürfte doch selbstverständlich sein, dass die täglichen Nachrichtenbilder aus dem Gaza-Streifen entsetzlich und kaum zu ertragen sind und es keiner ausdrücklichen Erwähnung bedarf, dass die Kriegführung in diesem dichtbesiedelten Gebiet nicht hinnehmbar ist (genau wie in der Ukraine). Der Gipfel des Zynismus ist, dass die Hamas die Reaktion der israelischen Führung auf den Hamas-Überfall vom 7.10.23 von Vorneherein eingeplant hat. Frage: Welche Seite nimmt dort am wenigsten Rücksicht auf die Zivilbevölkerung? (Nicht vorschnell antworten, erst überlegen!)

Mehr zum Thema siehe Blog-Beitrag vom 18.12.23 „Narren in der Mehrheit“, und besonders den Nachtrag darunter vom 08.03.24 (Weltfrauentag). —

Nachtrag vom 30.07.2024: Worüber reden wir eigentlich, was heißt Machismo / Männlichkeitswahn konkret? Dazu informiert z.B. dieser Beitrag: WHO-Bericht: Ein Viertel aller Frauen erlebt Gewalt in Beziehungen vor ihrem 20. Geburtstag – DER SPIEGEL

Dazu weitere aktuelle Ergänzungen im August 2024:

Großbritannien will Frauenfeindlichkeit als Form des Extremismus werten – DER SPIEGEL

Am derzeit finstersten Pol der Frauenfeindlichkeit, in Afghanistan, haben die im August 2021 wieder an die Macht gekommenen Taliban weitere Gesetze gegen Frauen erlassen. Man glaubt es kaum, den Frauen wird dort so ziemlich alles verboten, was menschliche Existenz von der eines Haus- bzw. Nutztieres unterscheidet. Nicht einmal singen oder laut reden dürfen sie. Klingt irre? Die meinen das aber ernst! Da ist weiterer Kommentar überflüssig. —

Siehe auch den Beitrag „Gottes Wille?“ vom 28.08.2024. —

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Glaubwürdig bleiben

ES ist ermüdend. Ein pazifistisches Mantra soll bewirken, dass die Realität es sich anders überlegt und sich an den Glaubenssätzen von Pazifisten orientiert.

Da wäre z.B. das Mantra: „Diplomatie statt Waffenlieferungen.“ Die Vorsitzende der neugegründeten Partei BSW hatte ein Schild mit diesem Slogan neulich vor ihr Rednerpult geklebt. Sie und andere kritisieren, dass beim Krieg in der Ukraine nur vom Militärischen, aber fast nie von Diplomatie und Verhandlungen die Rede sei. Dabei wird zunächst allen weniger Informierten vorgespiegelt, es gäbe keine diplomatischen Bemühungen um Waffenstillstand und Friedensverhandlungen; des weiteren wird ignoriert, dass Diplomatie sich oft hinter den Kulissen bewegt und sich daher gerade nicht für alle sichtbar im öffentlichen Raum abspielt.

Die pazifistische Argumentation lässt auch einen wichtigen Grundsatz außer Acht: Man kann einen Krieg nur verhindern, bevor er begonnen hat. (Ich vermeide das Wort „ausbricht“, weil Krieg im Unterschied zu einem Vulkanausbruch immer von Menschen herbeigeführt wird und kein unvermeidliches Naturereignis ist.) Ist ein Krieg erst in Gang gekommen, stoppt ihn so schnell keine Diplomatie, weil sich mindestens eine der Konfliktparteien Chancen ausrechnet, militärisch Vorteile zu erlangen, wenn nicht gar den Krieg zu gewinnen.

Kriegsherr Putin setzt derzeit darauf, dass die Zeit für ihn arbeitet, weil a) der Westen der Ukraine nicht genug Munition und Waffen liefert, b) die von Trump gelenkten Republikaner im US-Kongress weiter die Hilfen für die Ukraine blockieren, c) die kommenden Wahlen in den USA Trump direkt an die Macht bringen könnten. (Man unterschätzt dabei weithin die Wirkung der Wühlarbeit von Putis Trolls im Netz, besonders in den social media.)

Wohlgemerkt: Pazifismus ist eine moralisch ehrenwerte Haltung. Es kann aber schwierig werden, diese Haltung in der Wirklichkeit durchzuhalten, wenn die Zeichen auf Konflikt stehen und gewalttätige Auseinandersetzungen drohen. Der S.R. selbst nahm 1981-83 an Demonstrationen gegen die Nato-Nachrüstung teil, seit damals hat sich die Welt ein deutliches Stück weiter gedreht. Das bedeutet, dass er längst nicht mehr ungeprüft an früheren Glaubenssätzen und politischen Einschätzungen festhält, sondern Manches überdacht hat und seinen Blick nicht Ideologien unterordnet, die vor 40 Jahren im Kalten Krieg Bedeutung hatten.

Es scheint angebracht, klar und deutlich zu sagen: Es tobt ein globaler politischer und kultureller Kampf zwischen Autoritarismus und freiheitlicher Gesellschaft. Manche sagen auch einfach: zwischen Diktatur und Demokratie. Putin steht für Diktatur, für seine persönliche Herrschaft über Russland, und diese Herrschaft will er nicht nur durch Niederschlagung jeglicher Opposition, sondern auch durch Konflikte und Kriege stabilisieren, weil er damit die Bevölkerung nötigt, ein nationales Interesse mit seiner Position als Machthaber zu verknüpfen. Putins Mantra: Die Nato, der Westen bedroht uns, wir müssen zusammenstehen und uns wehren.

Was Putin in seiner jüngsten Rede zur Lage der Nation sagte, enthielt nichts Neues. Seine Propaganda sagt Dinge über „den Westen“, die man größtenteils durch „das russische Regime“ ersetzen kann, damit sie stimmen. Er hat kein Problem damit, Fakten auf den Kopf zu stellen und russische Kriegsverbrechen zu leugnen. Er bemüht sich in mehrfacher Hinsicht, Stalin nachzueifern, am liebsten wäre ihm der Name „Wladimir der Schreckliche“ in den Geschichtsbüchern (die er ohnehin schon umschreiben lässt.)

Wo ist der reale Ansatz der pazifistisch Gesinnten, mit Putin ins Gespräch oder gar in Verhandlungen zu kommen? Wer fordert, wir sollten bedingungslos die Waffenlieferungen an die Ukraine einstellen, der meint Kapitulation auf Kosten der Ukraine. Muss man dazu mehr sagen?

Aber es käme ja noch viel schlimmer: Die Ukraine ginge unter, Putin würde maßlos triumphieren und im Hochgefühl seiner Popularität die nächsten „Spezialoperationen“ in Angriff nehmen. Das glaubt Ihr nicht? Ja, könnt Ihr denn nicht weiterdenken? Und China würde sich ermutigt fühlen, schnell Taiwan militärisch einzunehmen, das wäre ein Riesenerfolg für Diktator Xi.

„Der Westen“ würde weltweit als Verlierer betrachtet, seine Werte von Menschenrechten und Demokratie würden von keinem Land mehr ernst genommen. Das Verhältnis von Diktaturen zu Demokratien würde vollends zu ersteren kippen. Folge: Die Welt würde noch mehr zersplittert in zahlreiche gewaltbereite, nationalistische Regime, die mit anderen Ländern nur noch Zweckbündnisse auf Zeit eingehen.

Ideologisch würden diese Verhältnisse fußen auf dem Prinzip „Kampf jeder gegen jeden“, die Nationalismen würden Feindschaften wachsen lassen, überall würde man die Unterschiede und das Trennende thematisieren und Gemeinsamkeiten beiseite wischen. Faschismus würde sich in der Welt ausbreiten.

Nun meinen sicher Einige: Das ist doch übertrieben, das geht viel zu weit. Ich aber sage: Wer weiterdenkt und Kenntnisse aus der Geschichte einbezieht, wer sich wenigstens erinnert, dass sich vor dem 24.02.2022 niemand bei uns den Überfall Russlands auf die Ukraine vorstellen konnte oder wollte, der müsste vorsichtiger sein mit optimistischen Prognosen.

Darum stimme ich der These zu: Die Ükraine verteidigt nicht nur ihr Land, sie kämpft und blutet auch für uns, indem sie Putins Eroberungskrieg zu stoppen versucht und das Europa der freiheitlichen Lebensweise verteidigt. Putin darf nicht gewinnen, und mehr noch: Putin muss eine Niederlage einstecken, die Ukraine muss siegen. Und das gerade auch aufgrund unserer Hilfe — damit wir in der Welt glaubwürdig bleiben.

S. R.

Dazu noch ergänzende Beiträge auf diesen Links:

Republikaner stoppen Ukraine-Hilfe: Wladimir Putins Saat geht auf – Kolumne – DER SPIEGEL

Ukraine-Krieg Der deutsche Mittelweg ist gescheitert – Gastbeitrag – DER SPIEGEL

zu Putis speziellen Geschichtsverweisen: Wladimir Putin: Früherer mongolischer Präsident Tsakhiagiin Elbegdorj trollt Kremlchef mit Landkarte – DER SPIEGEL

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Lupenreine Schurken

NUN dauert er schon weit über 500 Tage, der russische Eroberungskrieg gegen die Ukraine — und kein Ende ist in Sicht. Wie auch? Solange die russische Armee auf dem Schlachtfeld nicht massiv zurückgedrängt wird, sieht die Führung im Kreml keinen Grund, Verhandlungen über ein Kriegsende aufzunehmen.
Was wünschenswert ist, kann leider auf absehbare Zeit nicht erfüllt werden. Viele bei uns in Deutschland meinen, da müsse sich doch mit gutem Willen was machen lassen. Echt? Der „gute Wille“ auf Seiten der russischen Führung zeigt sich bisher hauptsächlich in einer brutalstmöglichen Kriegführung ohne Rücksicht auf Zivilpersonen und zivile Infrastruktur. Russland will den Staat Ukraine eliminieren, will dessen Gebiet vereinnahmen ohne Rücksicht auf die Menschen, die dort leben, und ohne Rücksicht auch auf die eigenen Leute, die für Russlands Großreich-Traum in großer Zahl sterben müssen.
Putin und seine Kamarilla leben in einer Vorstellungswelt, die vielen Menschen bei uns immer noch unbekannt ist: Retro-Wunschvorstellungen vom Großrussischen Reich, wo von Zar Iwan IV. dem Schrecklichen bis Stalin Machtmenschen einen autoritär geführten Staat lenkten und mit allen Mitteln und ohne menschliche Rücksichten für die Vergrößerung des russischen Staatsgebietes sorgten.
In diesem Vorstellungs-Horizont ist kein Platz für Prinzipien wie Menschenrechte oder Demokratie. Auch das Völkerrecht ist für diese Machtbesessenen bloß Papier. Auf allen Kanälen verbreitet die Propaganda des Kreml seit Jahren die Erzählung, dass das weitreichende russische Territorium nur mit harter Hand zu regieren und zusammenzuhalten sei.

Außerdem wird seit Zar Iwan IV. ein Mythos von einem „heiligen Russland“ gepflegt, der Moskau als „Drittes Rom“ feiert und einen engen Schulterschluss von russisch-orthodoxer Kirche und dem Kreml herstellt. Generationen von Russen bekamen diese speziellen Vorstellungen von der russischen Nation bereits in der Schule eingepflanzt. Das schreibt auch Orlando Figes in Eine Geschichte Russlands:

Die Version des Kreml — dass die Russen, die Ukrainer und die Weißrussen alle ursprünglich eine Nation gewesen seien — wurde heraufbeschworen, um den eigenen Anspruch auf eine „natürliche“ Interessensphäre (gleichbedeutend mit einem Recht auf Einmischung) in der Ukraine und in Weißrussland zu untermauern. Wie viele Russen seiner Generation, die die sowjetische Sichtweise der Geschichte eingetrichtert bekamen, erkannte Putin die Unabhängigkeit der Ukraine nie wirklich an. Noch im Jahr 2008 sagte er dem US-Präsidenten, die Ukraine sei „kein richtiges Land“, sondern ein historischer Teil Großrusslands, eine Grenzregion, die das Moskauer Kernland vor dem Westen schütze. Nach dieser imperialen Logik hatte Russland das Recht, sich gegen westliche Vorstöße in die Ukraine zu wehren. Russlands Annexion der Krim, der Beginn eines langen Krieges gegen die Ukraine, leitete sich von dieser zweifelhaften Deutung der Landesgeschichte ab. Die Invasion war Russlands Antwort auf den „Putsch“ in Kiew, wie der Kreml die Maidan-Revolution nannte, der als Volksaufstand gegen die prorussische Regierung Janukowitschs begonnen hatte. (…) Das Volk der Ukraine hatte mit dem „Euromaidan“ seine „europäische Entscheidung“ getroffen.

Orlando Figes, Eine Geschichte Russlands, London 2022, dt. Ausgabe Stuttgart 2022, 8. 2023, S. 16

Putin tut alles, um dieses Geschichtsbild zu verstärken. Er will den Russen seine Politik als Wiederaufnahme und Fortsetzung der altgewohnten großrussischen Politik vermitteln. Zusätzlich behauptet die Propaganda des Kreml, Russlands „natürliche“ Interessen- und Einflusssphäre sei vom Westen bzw. der Nato bedroht. Diese Erzählung verfängt z.T. auch im Westen und wird von russischen Trollfabriken über das Internet ständig wiederholt. Das hat einen gewissen Erfolg bei Russland-Freunden, die Putins Behauptung von der aggressiven Nato-Osterweiterung aufgreifen und sogar glauben wollen, dass sich Russland mit dem Überfall auf die Ukraine nur verteidige.
Solche Propaganda treibt erstaunliche Blüten, z.B. im russlandfreundlichen Serbien, wo ein paar Boulevard-Zeitungen am 24.2.2022 titelten: „Ukraine greift Russland an!“. Da bleibt einem die Spucke weg: Die Tatsachen werden frech auf den Kopf gestellt.

„Aber was ist denn so schlimm an Putins Geschichtsbild?“ könnte jetzt jemand ganz naiv fragen. „Ist doch toll, wenn Einer sein Vaterland wieder groß machen will!“ Das meint auch Donald Trump, der mit dem Slogan „Make America great again!“ in den Wahlkampf zog, einer Phrase ohne Inhalt, dafür aber simpel. Dazu sagte schon Mephisto in Goethes Faust: „Es meint der Mensch, wenn er nur Worte hört, es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.“ Wer aber denken nicht gewohnt ist, der geht leicht jedem Gewäsch auf den Leim und nimmt jeden Werbespruch für bare Münze.

Wenn Nationalismus so toll ist, wenn also viele Staaten der Erde größer und bedeutender werden wollen — dann brauchen wir, um Konflikte und Kriege zu vermeiden, viel mehr Platz, am besten eine zweite Erde, oder die großsüchtigen Staaten expandieren in den Weltraum, gründen Kolonien auf Mond und Mars und platzieren jede Menge Raumstationen im erdnahen Orbit.

Bei dieser Gelegenheit wäre mal zu fragen, ob die Menschheit wirklich so viele Weltraumprogramme braucht, mit denen einige Staaten um Prestige konkurrieren. Würden nicht 1-2 solcher staatlicher Programme reichen, um den erdnahen Weltraum zu erkunden und Nachrichtensatelliten zu platzieren? Statt Konkurrenz könnte internationale Zusammenarbeit (nicht nur auf erdnahen Raumstationen) nützlich sein.

Es wird selten darüber gesprochen, aber seit Jahren schon kreist eine Menge Schrott von Raketen und Satelliten um die Erde, der für Astronauten lebensgefährlich ist und manchmal auch auf die Erde herabstürzt, wobei nicht immer alles in der Atmosphäre verglüht. Trotzdem werden ständig neue Satelliten ins All befördert, viele davon zu militärischen Zwecken.

Aber bleiben wir mal bei den Folgen der Großmannssucht auf der Erde. Putins oben beschriebene politische Ideologie bedeutet eine direkte Bedrohung der Nachbarstaaten Russlands, denn wenn ein Staat größer werden will, muss das ja auf Kosten anderer Staaten geschehen. Das aber lässt sich in der heutigen Welt weder moralisch noch völkerrechtlich begründen. Deshalb greift Putin so weit in die Vergangenheit zurück. Sein Pech: Was vor Jahrhunderten, in einer anderen Welt, noch als Recht des Stärkeren hingenommen wurde, kollidiert heute mit den allgemein geteilten Ideen von internationalem Recht, sei es Völkerrecht, seien es internationale Vereinbarungen.

Was mit Blut, Schweiß und Tränen und in vielen mühevollen und langwierigen Verhandlungen im Verlauf des 20. Jahrhunderts erreicht wurde, will Putin beiseite wischen und die Welt zurück katapultieren in eine Zeit der ungeschminkten Machtpolitik und der Kabinettskriege, in der Verträge nur so lange Bestand hatten, wie die Beteiligten sich Vorteile davon versprachen, und in der das Volk bzw. die Bevölkerung überhaupt nicht gefragt wurde.

Dazu passt, dass er in Russland eine Organisation namens Memorial verbieten ließ, die bei der Aufarbeitung der russischen Geschichte auch Stalins Verbrechen genauer in den Blick nahm. Das wollte Putin nicht zulassen, weil er wie die Zaren und die ihnen folgenden Machthaber keine Kritik an staatlichem Handeln dulden will. Denn für Putin und seine Anhänger ist alles gerechtfertigt, was die Macht stabilisiert, inklusive Gewalt im Inneren und Krieg nach außen sowie Mord an Oppositionellen selbst im Ausland (Auch das hat Stalin schon vorgemacht).

Was will man denn auch von einem Politiker erwarten, der gar kein gelernter Poltitiker ist, sondern eine Karriere im Geheimdienst KGB durchlaufen und zwei Grundsätze verinnerlicht hat: „Der Zweck heiligt die Mittel“ und „Wenn du die Macht hast, gib sie nicht wieder her.“ Es war wirklich ein schlechter Witz, dass ein deutscher Politiker, der sich zu Putins Freunden zählte, ihn 2004 in einem Interview einen „lupenreinen Demokraten“ nannte. Denn leider ist Putin so ziemlich das Gegenteil.

Spätestens als Putin aktiv und militärisch in Syrien zugunsten des blutigen Diktators Assad eingriff und ohne Skrupel auch Schulen, Krankenhäuser und Wohnviertel gezielt bombardieren ließ, war er für mich moralisch in die unterste Schublade gerutscht. Und daher wunderte ich mich nicht, als ich seit Februar 2022 hörte, dass seine Soldaten und speziell die sogenannte Gruppe Wagner Kriegsverbrechen verübten — offenbar als Teil geplanter Strategie.

Für Putin ist es quasi eine Selbstverständlichkeit, Tatsachen auf den Kopf zu stellen und bis an die Grenze der Lächerlichkeit die Fakten zu verdrehen. Beispiel: Er lässt alles Mögliche in der Ukraine fast täglich bombardieren, aber wenn mal eine Drohne auf der Krim oder in Moskau niedergeht, spricht er gleich von „Terror“ der Ukraine. Wer nimmt das noch ernst? Machthaber rund um den Globus nennen ihre Kritiker und Gegner seit Langem gewohnheitsmäßig „Terroristen“ oder „Unterstützer von Terroristen“. Das erinnert uns doch eher daran, dass Terror vor allem von diesen Machthabern ausgeht.

Warum arbeitet Putin z.B. mit dem Regime von Nordkorea zusammen? Dessen Diktator lässt eine geistige Verwandschaft mit Putin erkennen: Es geht beiden um Macht und Machterhaltung — so ziemlich um jeden Preis (den hauptsächlich die Bevölkerung dieser Staaten bezahlt). Kim Yong-Un lässt sein Volk auch mal hungern, wenn nur sein Atom-Rüstungsprogramm vorankommt. Putin will seit Mitte Juli 2023 das Getreideabkommen nicht verlängern, um der Ukraine zu schaden, und verstärkt in einigen Ländern des globalen Südens den Hunger, weil er auch die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel in die Höhe treibt. Auf seinem Afrika-Russland- Gipfel in St. Petersburg zeigte sich jedoch, dass afrikanische Politiker nicht doof sind und seine Propaganda durchschauen: Einige forderten ihn auf, das Getreide-Abkommen wieder in Kraft zu setzen.

Muss die „Weltgemeinschaft“ sich nicht mal langsam gegen Putin und andere Schurken wehren? Haben wir nicht ohne solche Figuren schon genug Probleme, die gelöst werden müssen? Auch wenn das einige AfD-Sympathisanten nicht wahr haben wollen: Wir leben längst in einem „globalen Dorf“, in dem es nicht mehr egal ist, wenn „in China ein Sack Reis umfällt“, wie es sprichwörtlich früher hieß.

Und wenn im UN-Sicherheitsrat Schurken mit Vetorecht sitzen, dann zeigt das nur, dass diese nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte Institution dringend reformbedürftig ist. Denn Probleme lösen kann sie nur noch in wenigen Fällen, nämlich dann, wenn die Machtinteressen von Russland, China und einigen anderen ständigen Mitgliedern nicht betroffen sind.

W.R.

siehe dazu auch: Beitrag „Nicht mehr tolerierbar“ vom 01.05.2023

Iran, Afghanistan, Pakistan… besonders in diesen Ländern unterdrücken Machthaber und ihre Gehilfen die Frauen, angeblich im Namen der Religion, angeblich im Namen religiöser Prinzipien. Dabei folgen diese Islamisten nicht dem Beispiel des Propheten (mehr dazu siehe >Höheres), sie verwechseln Männerherrschaft mit Gottes Willen. Religion wird zum Machtinstrument, der Iran zeigt es deutlich. Wie alle autoritären Machthaber machen sie ausländische Mächte für die Proteste verantwortlich und kriminalisieren die Kritik an ihrem Regime. Dabei mischen ihre Trolls im Internet mit und verbreiten Diffamierungen und Fake News gegen ihre Kritiker, auch wenn sie ins Ausland geflohen sind.

Was können Beiträge wie dieser hier, oder beispielsweise demonstrative Auftritte prominenter Frauen, die sich Haar abschneiden, bewirken? Direkte Wirkungen auf das Regime haben sie nicht, aber sie halten das Thema bei uns in der öffentlichen Diskussion und stärken moralisch die Protestierenden im Iran. —

Nachtrag am 22.10.2022 Die zentrale Frage ist doch: In was für einer Welt wollen wir leben? Wollen wir in dieser Welt, in der real 8 Milliarden Menschen leben (und überleben wollen), immer weiter mit Urgroßvaters Rezepten aus der Steinzeit wirtschaften und ständig gegeneinander um Nahrung, Gebiete, Besitz kämpfen, immer mal wieder auf gut klingende Parolen hereinfallen und Führern blind hinterherlaufen, an Waffen und Gewalt als geeignete Mittel der Durchsetzung glauben, uns egoistisch gegen andere Menschen abschotten, und uns in die Tasche lügen, dass das eben nicht anders ginge? Wollen wir weiter die Verlogenheit mittragen, die behauptet, dass wir in Europa christliche Werte vertreten, dass wir die Menschenrechte ganz hoch achten, dass wir für den Frieden in der Welt eintreten, dass wir Vorreiter von Klima- und Umweltschutz sind?

Wir leben in einem Land, das mit Waffenexporten Geld verdient, das seinen Plastikmüll zum großen Teil in andere Lander transportiert, das … ach, Ihr wisst schon, wieviel Mist vor und hinter den Kulissen läuft. Ihr wisst auch, wieviel über die Regierung gemeckert wird. Die Regierung kann aber nicht besser sein als die, die sie wählen. Wenn z.B. die gegenwärtige Bundesregierung mehr Moral in die Außenpolitik und in die Energiepolitik zu bringen versucht, hat sie automatisch mit starkem Gegenwind zu rechnen — nein, nicht so sehr aus der Bevölkerung, sondern mehr von den Lobbyisten der Wirtschaft und diversen anderen Verbänden, die weiter wie bisher auf Teufel-komm-raus Geld verdienen oder einfach nur störrisch ihre Pfründe verteidigen wollen.

Ich persönlich halte manchmal den Dauer-Meckerern entgegen: Mit den Politikern in Verantwortung möchte ich derzeit nicht tauschen. Die haben kein leichtes Leben, die müssen ständig von irgendwoher Kritik einstecken, in diesen Zeiten auch die Drohungen von diversen Knallköpfen. Dabei kritisiere ich auch Vieles, versuche aber, sachlich zu bleiben und meine Meinung mit Sachargumenten zu begründen.

In was für einer Welt wollen wir denn leben? Wo Einer dem Anderen an die Gurgel geht, wenn ihm dessen Meinung nicht passt? Wo Einer der Anderen Gewalt antut und sie erniedrigt, um vermeintlich seine Männlichkeit zu beweisen? Kann man auf so ein Verhalten stolz sein? Für wie blöde halten uns manche Dummschwätzer? Entweder habe ich Verstand und respektiere die Mitmenschen gleich welchen Geschlechts, gleich welcher Herkunft und gleich welcher Hautfarbe als prinzipiell gleichberechtigt, oder ich habe kein Recht, mich selbst auf verfassungsmäßige Rechte zu berufen oder von Menschenrechten zu faseln.

Und was da gerade im Iran vor sich geht, zeigt: Man kann mit Gewalt die Menschen eine Zeitlang knechten und unterdrücken, aber man kann sie nicht auf Dauer für blöde verkaufen.

Übrigens: Letzteres sage ich auch im Hinblick auf die populistischen Rechtaußen, die in manchen Ländern an die Macht gelangen, nachdem sie den Leuten fremdenfeindliche Parolen und falsche Träume verkauft – oder sich an die Macht geputscht haben.

W. R.