Abstoßende Bilder

Viele Menschen fragen sich beklommen: In was für einer Welt leben wir? Wir hatten geglaubt, die Zeit von blutigen Diktatoren, von Kriegen und Gewaltorgien, von gewaltsamen Grenzverschiebungen sei so gut wie vorbei, und die Welt werde überwiegend von Vernunft regiert.
Aber was sehen, was erleben wir? In immer mehr Gebieten der Erde nimmt Gewalttätigkeit zu, kommen gewaltbereite Männer an die Macht, wird Machtpolitik ungeschminkt mit allen Mitteln verfolgt.
Wo sind die moralischen Maßstäbe, auf die sich die Welt einigen kann? Viele Staaten, die Mitglied der UN sind und die UN-Charta unterschrieben haben, halten deren moralische Gebote nicht ein. Manche haben sich von den Grundsätzen der Charta ziemlich abgewendet, wollen das aber nicht zugeben und machen im Zweifel immer Andere für ihr Verhalten verantwortlich.

Wer denn zum Beispiel? Russland etwa stellt die kühne Behauptung auf, sein Krieg (der in Russland bei Strafe nicht einmal so genannt werden darf) sei bloße Selbstverteidigung. Putins Sprecher bemühen dabei uralte Klischees: Russland sei (wie vor gut hundert Jahren das kaiserliche Deutschland) von fremden Mächten eingekreist, die bösen USA wollten mit Hilfe der Ukraine Russland zerstören, und die Ukraine werde von Nazis beherrscht. Besonders Letzteres, meinen Putins Leute, zieht bei den Russen immer, dazu werden bemühte (Schein-)Parallelen zum Zweiten Weltkrieg gezogen (1. weil es gegen Nazis ging, 2. weil Putin den großen Diktator Stalin als großen Helden der russischen Geschichte sehen und ihn beerben will, und 3. weil er seinen Eroberungskrieg gegen die Ukraine als Teil der Wiederherstellung des historischen Großrusslands gefeiert sehen will. In Putins Gedankenwelt zählen nur die eigenwillig interpretierte Geschichte und skrupellose Machtpolitik, da bleiben Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht der Völker außen vor.

Immerhin haben viele Regierungen in der Welt dieses Spiel durchschaut, sodass Russland in der UN-Vollversammlung nur wenig Unterstützung findet. In Deutschland glauben aber immer noch ein paar Leute, der arme Putin sei ein Opfer und wehre sich nur, denn es sei ja von Vorneherein klar, dass die USA immer die Bösen seien. Wer so ein simples, undifferenziertes Weltbild hat, der folgt eben den russischen Propaganda-Erzählungen und findet auch gut, was Sahra Wagenknecht oder die AfD-Leute dazu sagen. Dabei helfen Putins Troll-Fabriken kräftig mit — oder bist du sicher, dass hinter einem russlandfreundlichen Post in den social media wirklich Fritz Meier aus Goslar steckt und nicht der Student Pjotr mit guten Deutschkenntnissen in einem IT-Büro in Sankt Petersburg, das bis vor Kurzem noch Prigoschin gehörte?

Aber ich nannte ja Russland nur als ein Beispiel für Länder, deren Regierungen vergessen, was in der UN-Charta steht. Eine vollständige Liste wäre lang, ich nenne hier nur einige: China, Nordkorea, Myanmar, Afghanistan, Iran, Syrien… da geht mir schon die Puste aus.

Und Manche fragen sich: Kann das Zufall sein, dass in all den Ländern, wo autoritär oder diktatorisch regiert wird, auch immer ein ausgeprägtes Machotum auffällt? Die Machthaber, die sich als „starke Männer“ aufblasen, zeigen ein betont kraftmeierisches, lautes, gewaltbereites Auftreten, und in ihren Reden sind sie schnell dabei, mit Gewalt oder Krieg zu drohen.

Peinlich wird es, wenn sich herausstellt, dass diese Machthaber vor allem gelernt haben, großmäulig aufzutreten, aber dann nicht liefern können, was sie ihren Anhängern und dem Land versprochen haben. So haben wir derzeit in Israel eine rechtsgerichtete Regierung, an deren Spitze Premier Netanjahu um seine persönliche Macht kämpft, weil ihm sonst ein Gerichtsverfahren mit einer möglichen Verurteilung droht. Zum Erhalt der Macht paktierte er quasi mit dem Teufel, mit rechtsaußen stehenden Radikalen und Scharfmachern, die das Ziel ultraorthodoxer Radikaler erreichen wollen: Keine Zweistaatenlösung in Koexistenz mit den Palästinensern, sondern Annexion der Westbank als „gelobtes Land“, in sagenumwobener, grauer Vorzeit von Gott den Juden versprochen — glauben sie.

Diese sich oft mit markigen Sprüchen überbietenden Radikalen schienen Israel Stabilität und Stärke zu versprechen. Umso böser das Erwachen am 7. Oktober 2023, als schlagartig Israels Geheimdienst, Militär und vor allem die „starken Männer“ an der Staatsspitze blamiert wurden, die das Land nicht vor dem Massaker der Hamas geschützt hatten.

Das können auch nachträgliche Vergeltungsangriffe gegen den Gaza-Streifen nicht ungeschehen machen, geschweige denn heilen. Die Hamas wusste im Voraus, wie Israel reagieren würde, und hat trotzdem diesen Überfall mit den vielen Greueltaten verübt.

Vielleicht hat die Hamas sich aber in einer Hinsicht weniger geschickt verhalten: Die Mörderbanden (anders kann ich sie aufgrund ihres Verhaltens nicht nennen) filmten sich teilweise mit Handys bei ihrem Gemetzel und den Geiselnahmen und stellten diese Aufnahmen ins Netz. Ich persönlich war über die Maßen entsetzt über diese Ausbrüche von bestialischer Gewalt, diesem extremen Terror, und dachte mir dann: Das wird teilweise nach hinten losgehen. Solche Aufnahmen, in denen sich diese Verbrecher mit ihrem tierischen Blutdurst brüsten, wirken auf alle zivilisierten Menschen mit etwas Menschlichkeit nur abstoßend. Damit kann die Hamas weder Sympathie noch Verständnis gewinnen. Offenbar glaubt sie aber, damit Eigenwerbung betreiben zu können: mit zur Schau gestellter Unmenschlichkeit.

Abstoßend fand ich auch die spontane Freuden-Demo von einigen Leuten in Berlin, die das Massaker feierten. Was soll das denn? Ich glaube, als Führer der Polizei-Einheit vor Ort hätte ich zumindest die Straße räumen lassen.

Jemand Anderes äußert sich zu den Sympathie-Bekundungen noch viel dezidierter: Terror der Hamas: Warum schweigst du immer noch? – Kolumne – DER SPIEGEL

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P.S. Einige Tage später zeigt sich, dass die Hamas Anhänger und Sympathisanten in vielen Städten auch in Europa zu mobilisieren versucht. Demonstranten halten Schilder mit pro-palästinensischen Parolen hoch. Da wird versucht, Unterschiede zu verwischen und für die Hamas Solidarität zu gewinnen. Aber alle, die eine Krempe am Hut haben, alle, die nicht völlig einseitig informiert sind, wissen doch, dass die Hamas nicht für alle Palästinenser spricht, und dass sie im Gaza-Streifen seit Jahren eine Diktatur ausübt, und bei Angriffen Israels auf die Hamas die Bevölkerung als Geisel und Schutzschild missbraucht. Davor scheut sie genauso wenig zurück wie vor Tagen beim wahllosen Abschlachten von Menschen auf israelischem Gebiet.

Hamas ist ähnlich dem IS bemüht, maximalen Terror zu verbreiten und mit Grausamkeit sowohl die Furchtsamen einzuschüchtern als auch die sadistischen Gewaltbereiten zu beeindrucken und zu rekrutieren.

Ehe nun wieder Palästinenser-Freunde (von denen etliche wohl eher Israel-Gegner und oft auch Antisemiten sind) hier mit ihrem „Aaaaber“ kommen und grausames Vorgehen israelischen Militärs dagegenrechnen wollen, sei hier klargestellt: Natürlich gibt es durch eine teils harte Besatzungspolitik, durch Unterstützung immer neuer jüdischer Ansiedlungen in der Westbank kritikwürdiges Vorgehen, teils auch das Ignorieren von UN-Resolutionen. Aber auch das reicht nicht, um die ganze Geschichte des Nahostkonflikts zu erfassen und Schuldzuweisungen angemessen zu verteilen.

Wer Leid immer mit Leid aufrechnet und die Wunden mit noch mehr Leid und Gewalt heilen will, ist unfähig zum Dialog und zum Aushandeln echter Lösungen. Die Scharfmacher auf beiden Seiten haben wesentlich dazu beigetragen, die Nahost-Problematik zur Dauerkrise zu machen und — wie gerade die Hamas — jede friedliche Annäherung zwischen Konfliktparteien zu torpedieren. Damit wird auch der Sache der Palästinenser nicht gedient.

Netanjahu hat einige Großmäuler und Scharfmacher in seine Regierung geholt (Wir haben das oben schon angesprochen) und den Verfassungskonflikt um den obersten Gerichtshof vom Zaun gebrochen.

Wir kennen andere Länder, wo auch versucht wird, die Demokratie auszuhöhlen und den aktuell Regierenden weitreichende und fortdauernde Macht zuzuschanzen. Da werden Spannungen zu anderen Ländern in Kauf genommen oder sogar provoziert, um die Bevölkerung hinter der eigenen Fahne zu sammeln und das als nationales Interesse auszugeben. Ihr wisst hoffentlich, von welchen Ländern ich spreche!

Und da wir gerade von Scharfmachern sprechen: Die Vorgänge in Aserbeidschan wegen der Armenier in Berg-Karabach, die aktuellen Drohungen der serbischen Regierung gegen den Kosovo — das sind nur zwei Beispiele dafür, wie sich derzeit nicht nur Spannungen verschärfen, sondern wie sich Machthaber und Scharfmacher geradezu ermuntert fühlen, mehr auf die Karte Gewalt und gewaltsame Verschiebung von Grenzen zu setzen…

So wird die Welt nicht sicherer, und so nehmen die Flüchtlingsströme noch zu, denn so sind weitere Konflikt-Eskalationen zu erwarten. Das, wie gesagt, verdanken wir zu einem großen Teil den gewaltaffinen Machos, die körperlich die Gewaltanwendung trainieren, aber das miteinander Reden und Deeskalieren nicht gelernt haben und daher schon im Privaten zum Draufhauen neigen — gegenüber ihren Frauen und Kindern, und mit der Waffe in der Hand gegen irgendwelche Feinde.

Traurig, dass sich dieses Verhaltensmuster in vielen Gesellschaften dieser Erde zeigt — und damit einen Grund liefert, warum immer wieder Gewalt ausbricht… Fragt nicht nach weiteren Gründen: Dieses Motiv ist so gut wie immer beteiligt!

Ergänzung am 06.02.2024: Uns erreichen Nachrichten, die leider bestätigen, wie grausam frauenfeindlich die Hamas-Terroristen bei ihrem Überfall am 7. Oktober vorgingen. Details sind so schrecklich, dass kein Nachrichtenportal in Einzelheiten geht. Offensichtlich sind aber zwei Dinge: 1. Der ganze Überfall auf das Musikfestival wie auf die Kibbuzim in der Nähe des Gaza-Streifens war bis ins Einzelne durchgeplant, und 2. die gezielten Greueltaten an Frauen waren Teil des Plans.

Wenn wir das Entsetzen über diese Menschenfeindlichkeit einigermaßen unter Kontrölle gebracht haben, fragen wir uns: Was sollen wir daraus lernen?

Klar ist, dass die Hamas als einzigen Zweck ihres Tuns die Vertiefung der Feindschaft und als Fernziel die Vernichtung Israels im Sinn hat. Dafür, diesen „höchsten Zweck“, ist alles an Missetaten und Grausamkeiten erlaubt und entschuldigt. Da sprechen die Taten eine eindeutige Sprache, hinzu kommen die ständigen Verlautbarungen — im Gleichklang mit dem Gottesstaatsregime in Teheran, wo das Ganze noch eine religiöse und weltpolitische Weihe bekommt.

Apropos Teheran: Wie war das noch mit der frauenfeindlichen Unterdrückung…? Passt doch perfekt zur Haltung der Hamas-Banditen. Aber nicht nur zu denen. Wo auch immer in islamisch geprägten Staaten autoritäre Herrschaft ausgeübt wird, ist sie von Männern dominiert, für die Machismo und Frauen-Unterdrückung elementarer Bestandteil ihres Weltbildes sind. Afghanistan ist dafür ein Extrem-Beispiel: Was die Machthaber dort gegen Frauen verfügen, grenzt fast ans Lächerliche, ist aber todernst gemeint. Übrigens hat das nichts mit Mohammed zu tun, sondern mit einer archaischen, aus der Dschahiliya (Zeit der Unwissenheit vor Mohammed) stammenden, verhärteten Moral der Wüste. So betrachtet, sticht die religiöse Karte nicht: Nicht der Islam, sondern Männerbündelei und egoistisches Machtstreben bleiben als Motiv.

Wenn ich sehe, wie auch Frauen sich auf Demonstrationen für die Hamas und gegen Israel zeigen, frage ich mich, wie lange das noch funktionieren kann mit politischen Zielen, die mit Religion verrührt werden, um weniger bzw. einseitig informierte Leute zu behumsen. Aber das ist ein weiteres Thema.