Miteinander reden

Auch politische Talkshows im Fernsehen können zur Information und Meinungsbildung beitragen. Man hört verschiedene Argumente und Ansichten zu einem Thema, man hört Informationen in Zusammenhänge gestellt, man kann sich ein differenzierteres Bild machen — inklusive der strittigen Punkte.
Doch sind es zwei Dinge, die mich nerven können:
1. PolitikerInnen in der Talkrunde tragen kontroverse Standpunkte vor, wollen aber (besonders in Wahlkampfzeiten) die VertreterInnen anderer Standpunkte nicht ausreden lassen und sie daran hindern, ihre Position schlüssig darzulegen.
2. ModeratorInnen von Talkshows fallen ihren Talk-Gästen häufig oder sogar ständig ins Wort und lassen sie kaum einen Satz beenden, geschweige denn einen Gedanken ausführen. Diese (in meinen Augen) Unart grassiert inzwischen besonders dann, wenn ein Politiker oder eine Politikerin interviewt wird und der/die ModeratorIn sich besonders kritisch zeigen will oder — mehr noch — der Person gegenüber unbedingt unbeabsichtigte Äußerungen und Enthüllungen entlocken will (indem er/sie ihm/ihr die klaren Gedanken verwirbeln und vorbereitete Statements zum Entgleisen bringen will). Das mag sinnvoll sein, um die Wiederholung schon oft gehörter Worthülsen und Parolen zu unterbinden. Aber es nervt, wenn ich als Zuhörer wissen will, wie diese Person ihre Ansicht begründet, und ich gereizt sehe, dass das ständig torpediert wird.
In beiden Fällen (1. und 2.) frage ich mich: Wozu schaue ich überhaupt diese Sendung? Das Zuhören ist anstrengend, bringt mir aber nicht den erhofften Mehrwert an Information. Folge: Ich finde es nicht schade, solch eine Sendung zu verpassen. Ich kann meine Zeit und Aufmerksamkeit sinnvoller einsetzen.

Schade, denn auch politische Talkshows können dazu beitragen, die Debattenkultur in diesem Lande als Vorbilder mitzugestalten, etwa indem sie zeigen, dass man einen Gesprächspartner und keinen bösen Feind gegenüber sitzen hat, dass man zuhört, ehe man dem Gegenüber widerspricht und die eigene Meinung sagt; indem man vorführt, dass miteinander reden als ein gemeinsames Gespräch geführt werden kann und nicht in polemisches Gezänk ausarten muss.

Übrigens schaue ich Polit-Talks nicht regelmäßig, und nicht alle. Vor einiger Zeit gewann ich den Eindruck, dass Markus Lanz (im ZDF) mit seinem oben unter 2. beschriebenen Verhalten auf andere ModeratorInnen abgefärbt hat, z. B. Maischberger (im Ersten), die fast ständig dazwischen redet und in meinen Augen damit ihrer eigenen Sendung schadet. Will ich mehr Hintergrund-Information zu politischen Themen, dann schaue ich mir lieber am Sonntagmittag den Presseclub im Ersten an.
W. R.