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Demokratie ja, aber bitte ohne Lemminge

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EMOKRATIE ist, wenn man abstimmt und die Mehrheit entscheidet — oder? So simpel sehen das anscheinend viele Leute. Und wählen mit dem Bauch den, der die einfachsten, aber emotional eingängigsten Parolen verbreitet.

So haben beim Brexit-Plebiszit viele Gebildete dagegen und für die EU-Mitgliedschaft gestimmt, also Leute, die gewohnt sind, ihren Kopf zum Denken zu benutzen und nicht nur als Hutablage. Eine Mehrheit ließ sich aber durch emotionale Retro-Parolen im Verbund mit dreisten Lügen für den Brexit mobilisieren. Es kam sogar zu einem Mord an einer jungen Politikerin, die sich für den Verbleib in der EU einsetzte.
Jetzt haben sie den Salat: Zank und Streit um die richtige Strategie bei den Austrittsverhandlungen, das jahrelang ruhende Nordirland-Problem kocht wieder hoch, Schottland liebäugelt mit einem erneuten Anlauf zur Unabhängigkeit, und die Wirtschaftsvertreter beschweren sich über drohende Nachteile für die britische Wirtschaft nach dem EU-Austritt.
Das alles konnte man vorher wissen.
Wenn da nicht die Desinformations-Kampagne der von Pressezar Rupert Murdoch gesteuerten Massenblätter gewesen wäre: Da konnte man einmal zu Recht von „Lügenpresse“ sprechen.
Ansonsten ist der Begriff „Lügenpresse“ ja bei uns von Rechten besetzt, die damit das Vertrauen in unsere Medien untergraben wollen. Klar: Gut informierte BürgerInnen werden den Teufel tun und Leute wählen, die ihre Parolen dem Heimatfilm der 1950er Jahre entnehmen, die folglich keine Lösungen für die heutigen und zukünftigen Probleme anbieten, stattdessen Gefühlsduselei als eine politische Haltung verkaufen und dumpfe Vorurteile als „gesundes Volksempfinden.“
Wer denken kann (und will!) und sich unsere heute drängenden Probleme im Land und in der Welt anschaut, der sieht, dass 1. die Welt komplizierter ist, als uns Populisten weismachen wollen, und dass 2. darum allein aus dem Bauch heraus gar nichts gelöst werden kann, sondern dass viele Lösungen nur möglich sind nach viel ernsthafter Sacharbeit und oft langwierigen Verhandlungen mit den Beteiligten und Betroffenen.
Sowas ist natürlich manchen Leuten zu langweilig und bietet keine Möglichkeiten, sich mit schnellen Lösungen in Szene zu setzen. Entsprechend führen sich die Vertreter rechter Parteien in den Parlamenten auf. Sie sind spezialisiert auf Sprücheklopfen und populistische Parolen, versagen aber in der Sacharbeit, wo es wirklich um Änderungen und Verbesserungen für die Bevölkerung geht.
Sie verweigern echte Sacharbeit mit der vorgeschobenen Begründung, das gehe ja eh alles in die falsche Richtung; dahinter steckt ihre kaum verhüllte Ablehnung der Demokratie überhaupt. Sie wollen einen autoritären Staat, gelenkt (natürlich) von einem der Ihrigen. In ihren Augen machen Putin, Orban, Erdogan und ja, auch Trump Vieles richtig.
Diese Politiker benutzen scheinbar demokratische Verfahren, um ihre Macht zu vergrößern. Ebenso die PiS-Regierung in Polen. Nachdem sie die Bevölkerung mit nationalistischen Bauch-Parolen in Stimmung und dazu gebracht haben, mit Mehrheit für sie zu stimmen, lassen sie die Macht nicht mehr los und gehen schrittweise daran, alle Teile des Staates umzukrempeln, wo sich noch Opposition regen und artukulieren könnte: „Machtergreifung“ nannten die Nazis ihr ähnliches Vorgehen.
Auch bei uns wollen Feinde dieses demokratischen Systems die Macht durch emotional beeinflusstes Abstimmungsverhalten erobern, um dann die Demokratie in ihrem Sinne umzubauen, d.h.: von innen auszuhebeln und abzuschaffen. Äußerlich bleibt eine ausgehöhlte Fassade von staatlichen Institutionen, die in Wahrheit gleichgeschaltet sind und sich eben nicht mehr gegenseitig kontrollieren, wie es in einer funktionierenden Demokratie sein sollte.
Aber damit sind wir noch nicht am Ende der Beschreibung, was Demokratie wirklich und dem Wesen nach ist. Freie und geheime Wahlen, Mehrheitsentscheidungen, Teilung der staatlichen Gewalt in Legislative, Exekutive und Jurisdiktion, damit verbunden die gegenseitige Kontrolle dieser klassischen „drei Gewalten“, dazu Meinungsfreiheit und freie Medien. Lange Zeit sprach man – besonders in den USA – von der Presse als „vierter Gewalt,“ weil sie nicht nur für informierte BügerInnen sorgte, sondern auch staatliches Handeln kritisch hinterfragte. Das ist bei einer Konzentration am Markt nicht mehr so einfach (siehe R. Murdoch beim Brexit); und das Internet macht die Sache noch schwieriger für die traditionellen Medien, in denen hauptberufliche Journalisten das Handwerk der Nachrichtenvermittlung noch gründlich gelernt haben.
Auch da setzen die Rechtsaußen an und wollen mit der Parole „Lügenpresse“ (oder vornehmer: „Mainstream-Medien“) die wenig durchblickenden Menschen verunsichern und auf Internet-Kanäle locken, wo genau das stattfindet, was die „Lügenpresse“ angeblich tut oder beabsichtigt. Geradezu grotesk: Da unterstellen braungefäbte Populisten unseren öffentlich-rechtlichen Medien eine vom Staat gelenkte Einheits-Berichterstattung (wie sie damals in der DDR geübt und davor von Goebbels vorgegeben wurde), empfehlen dann stattdessen (!!) den russischen Kanal Russia Today (RT). Das finden gut informierte Nachrichten-KonsumentInnen zum Lachen, doch Andere erhoffen sich tatsächlich, dort die „bei uns verschwiegene Wahrheit“ zu erfahren. Ach Leute, denkt doch mal nach: Putin mit seiner Karriere im Geheimdienst und als gewiefter Machthaber hat ganz andere Interessen…
Aber wem sage ich das?! Man kann vielseitig informiert sein, auch aus sehr unterschiedlichen Quellen. Aber man sollte dann in der Lage sein, das Gelesene, Gesehene, Gehörte vernünftig einzuordnen. Dabei ist Voreingenommenheit keine gute Hilfe. Denn dann läuft man Gefahr, mit den sprichwörtlichen Lemmingen in eine Richtung zu laufen, ohne zu sehen, wo es hin-, und womöglich: hinab geht.

W. R.

mehr über Demokratie und ihre Probleme  >Clio 10.

Und am Rande noch eine kleine Denkaufgabe: Warum lobt Donald Trump seinen „Freund“ Boris Johnson, das Gesicht der Brexit-Kampagne und Ex-Außenminister von GB?

Und eine Frage eines irritierten Fernsehzuschauers: Am 10. Juli 2018 schaue ich die Nachrichten und sehe ungläubig einen Bundesinnenminister Seehofer (CSU), wie er seinen „Masterplan“ zur Asylpolitik der Öffentlichkeit vorstellt. Wie bitte?? Der ist immer noch Innenminister, nach allem, was er sich in den letzten Wochen gelappt hat? Und bei seiner aktuellen Quertreiberei? (Und nach all seinen früheren Purzelbäumen, siehe z.B. >Blog vom 04.07.2015) Ein Politiker und Bundesminister, der verneint, dass der Islam zu Deutschland gehört, muss sich allmählich auch die Frage gefallen lassen, ob Bayern (mit seiner gegenwärtigen, Orban- und Putin-freundlichen Regierung) noch zu Deutschland gehört… Und wer (wie Söder) demonstrativ mit dem Kreuz vor den Kameras herumwedelt, muss sich fragen lassen, was er als Christ gegen das Ertrinken tausender Menschen im Mittelmeer zu tun gedenkt.

Da liegt noch viel Integrationsarbeit vor uns — bis diese Politiker unsere Werte verinnerlicht haben und sich als gute demokratische Vorbilder zeigen. —

Nachtrag am 03.08.2018: Horst Seehofer (CSU) scheint da vom Weg abgekommen zu sein. Anscheinend setzt er mehr auf Vorbild Trump: Er will in Kürze twittern, um seine Wahrheit unters Volk zu bringen, weil die bösen Medien Fake News über ihn verbreiten. Ja, Horst, heul doch! Oder erklärst du auch, wie Trump, die Medien demnächst zu „Feinden des Volkes“?

Das bayrische Rumpelstilzchen auf dem Sessel des Innenministers ist übrigens auch Bundesbauminister, denn das Ressort ist dem Innenministerium unterstellt. Hallo, Ihr verzweifelt eine bezahlbare Wohnung Suchenden: Habt Ihr vielleicht gehört, dass sich Horst um die lange fällige Reform der Mietpreisbremse und um vermehrten Bau von Sozialwohnungen kümmert? Bislang hält er das Land und die EU mit „wichtigeren“ Dingen in Atem, nämlich mit Detailfragen zur Flüchtlingspolitik, und mit Querschlägen gegen die Kanzlerin. Das kommt bei Vielen nicht gut an. So kam es, dass die CSU bei der Landtagswahl ein schlechtes Ergebnis einfuhr und von der erhofften Wiedererlangung der absoluten Mehrheit in Bayern weit entfernt blieb.

Köln-Notizen 1/2016

50+sKöln in allen Nachrichtensendungen: „Die Ereignisse der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof…“ Keiner weiß noch nix Genaues, aber in den Medien, bei den Politikern und — wie man hört — in den sozialen Netzwerken ist schwer ‚was los. Selten war soviel Rechtbaberei und Schaum-vor-dem-Mund zu hören und zu lesen, und verbale Kraftmeierei. Viele wollen, ehe sie rechts überholt werden, auf den Lukas hauen und noch eins draufsetzen. Fast scheint es, als wollte kaum jemand noch belastbare Informationen zur Kenntnis nehmen, hat man doch längst seine eigene Meinung, und diese auch schon herausposaunt. Sachliche Wortmeldungen gehen in der hochkochenden Aufregung fast unter.

In diesem emotionalen Gebrodel beantwortet Kölns Oberbürgermeisterin eine Frage und erntet einen plötzlichen Shitstorm. Was genau passierte, kann man diesem Kommentar entnehmen: Kommentar zu #Armlaenge: Henriette Reker im Shitstorm der Ignoranten | Politik – Berliner Zeitung

Da sieht man wieder einmal, wie gedanken- und hemmungslos viele Menschen im Netz drauflos kommentieren. Man/frau prügelt auf Frau Reker ein, die schließlich aus eigener Erfahrung spricht: Sie selbst überlebte kürzlich das Messerattentat eines Gewalttäters nur knapp. Also, geht’s noch?

Der S.R. der F.U.F. sieht da eine weitere Bestätigung seiner Ausführungen auf der Seite >Home/Start zur Frage: Warum keine Kommentarfunktion auf dieser Website? Der Eindruck verstärkt sich, dass viele Menschen glauben, im Netz nahezu alles äußern und hinausrotzen zu können. Und sie tun das auch im Brustton der Überzeugung: Ich rotze, also habe ich recht.

Wenn der S.R. mal (zum Glück selten) auf einer Online-Seite von Medien die Kommentare anliest, dann vergeht ihm die Lust am Lesen ziemlich schnell. Spätestens beim dritten oder vierten dieser Kommentare hat jemand vergessen, sein Hirn einzuschalten, oder ignoriert fröhlich Fakten und schleudert einfach Behauptungen als Tatsachen in die Welt, oder hat jeglichen Anstand vergessen, vergreift sich im Ton — wobei man bedenken muss, dass die schlimmsten Ausfälle und Beleidigungen schon von der Redaktion gelöscht wurden. (Außerdem langweilen die Kommentarspalten, weil immer ein Schwall höhnisch-hetzerischer Müll aus der Pegida/AfD-Ecke dabei ist.)

Der S.R. fragt sich manchmal auch, wieso es einer Erwähnung in den seriösen Nachrichten wert ist, wenn in den sozialen Netzwerken irgendein Shitstorm tobt oder eine Hetzkampagne rollt. Denn Vieles im Netz ist inszeniert — oder ist irgendjemand so blauäugig zu glauben, da ertöne „Volkes Stimme“? (vgl. >Start, Fußnote, sowie Fußnoten hier unten)

Wer will, organisiert sowas wie einen Shitstorm mit ein paar Helfern, no problem.* Oder wie kommt z.B. ein Flashmob zustande? Und wie hat jener Mob sich zusammengefunden, aus dem heraus in der o.a. Silvesternacht zahlreiche Diebstähle und sexuelle Übergriffe verübt wurden? In wenn auch geringerem Umfang wurde so etwas übrigens auch aus mehreren anderen Städten in Deutschland gemeldet. Aber die Medien fokussierten sich auf Köln.**

Ach, fast hätte ich’s vergessen: Allen Besuchern dieser Website ein frohes und gesegnetes Neues Jahr — trotz einiger Chaoten und Idioten, die es auch schon im letzten Jahr gab. Mehr zu den allgemeinen Aussichten >Zusammenleben: Die Welt wird nicht untergehen – Kolumne – SPIEGEL ONLINE — lesenswert und diskussionswürdig!

S.R.

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* Man kann immer wieder darüber staunen, wie naiv viele Menschen das Internet und seine Foren als eine Art „Gegenöffentlichkeit“ sehen (oder besser: missverstehen). Wer von „Lügenpresse“ redet, ist hoffentlich so medienkritisch, auch das Internet einzubeziehen! Was da herausgepostet und -gepustet wird, ist oft märchenhaft und bestenfalls amüsant, aber meist eher Gewäsch und kein Gegengewicht zu den etablierten, journalistischen Medien. Also Vorsicht: Es gibt im Internet nicht nur Qualitätsseiten, z.B. fu-frechen.de, sondern auch eine Menge Schund und Hetze, die sich nicht scheut, Falschmeldungen und verfälschte Videos in die Welt zu setzen — und zugleich auf „die Medien“ schimpft, die angeblich „die Wahrheit“ nicht berichten wollen.

„Die Wahrheit“ findet Mancher dann im Internet bei staatlich gelenkten Medien fremder Länder. Ja, was soll man davon halten!! Und wer will sich von Kommentarlawinen beeindrucken lassen, die als getarnte Privatmeinungen von speziell eingerichteten Propaganda-Agenturen ins Netz geschwemmt werden? Wer „Lügenpresse“ ruft und zugleich die Lügen-Posts und Fakes im Internet als Enthüllungen konsumiert, der sollte im Kölner Rosenmontagszug mitgehen: als Narr, der kein Narrenkostüm braucht.

Das vermeintliche Argument „Schwarmintelligenz“ zieht auch nicht mehr. Es erinnert mich fatal an den sarkastischer Spruch: „Sch… schmeckt gut, denn millionen Fliegen können nicht irren.“ Kurzum — bei uns in der F.U.F. gilt immer noch und weiterhin: Selber denken bringt’s! ***

Unter uns, und im Ernst: Wenn es an „den Medien“ eins zu kritisieren gibt, dann wohl das Folgende. Aus Auflagen- oder Quotengründen sehen sich viele einigermaßen unabhängige Zeitungen, Sender etc. genötigt, dem Massengeschmack und den Konsumgewohnheiten der Mehrheit entgegenzukommen und mehr Emotionen und Boulevard-Elemente zu bringen, was zu der bekannten Erscheinung führt: Wie am Beispiel „Silvesternacht in Köln“ zu sehen, treiben alle dieselbe Sau durch’s Dorf und befeuern dabei die Emotionalisierung dieses Themas, das ohnehin schon zum Aufputschen von Emotionen ausgeschlachtet wird. Zugleich werden leider andere, auch wichtige Themen aus den Schlagzeilen nahezu verdrängt.

Weniger beachtet wird z.B. dieses: (2) Oxfam-Studie: 62 Superreiche besitzen so viel wie die ärmsten 3,6 Milliarden – Wirtschaft – Tagesspiegel Aber auch diesem Thema sollte man sich nicht nur emotional stellen, sondern statt einer oberflächlichen Neiddebatte mit schnellen Sprüchen lieber eine sachliche, tiefer gehende Diskussion anstreben (und sich natürlich dazu erst einmal in Ruhe informieren). Ja, und zum obigen Thema sei, ohne schlimme Vorfälle zu relativieren, noch angemerkt: So manche Frau hat quasi eine kleine „Silvesternacht“ schon am hellen Tag, unter deutschen, hellhäutigen Männern, erleben müssen. Da muss auch noch einige „Integrationsarbeit“ geleistet werden!

Wo wir gerade beim Thema „Innere Mission“ (wie das bei den Kirchen heißt) sind: Sind diese Kriminellen integrierbar, die Flüchtlingsheime anzünden, welche immerhin mit unseren Steuergeldern finanziert wurden? Wohin sollen die im Zweifel abgeschoben werden? In Russland hat man dafür Arbeitslager — bei uns nicht, solange wir einen demokratischen Rechtsstaat haben. Denkt mal drüber nach.

** So langsam reicht es mit dem „Köln-Bashing“. Es reicht immer dann, wenn Leute nur noch draufkloppen, ohne vorher nachzudenken. Siehe auch: ***.

*** Zur Schnellschuss-Kommentiererei im Netz fand ich am 20.01. einen sehr dezidierten Kommentar: Social Media und die Hetze: Mehr Dummheit als Hass (Lobo-Kolumne) – SPIEGEL ONLINE Man/frau bilde sich dazu selbst eine Meinung!

S.R.

13g+

Steh nicht im Weg rum!

IMG_4401Wochenlang ergingen sich Nachrichtensendungen in Berichten über hilfsbereite Deutsche, die eine „Willkommenskultur“ leben. Dagegen erhob erst Horst Seehofer seine Stimme und kritisierte Angela Merkel für ihr positives Signal „Wir schaffen das!“, dann hieß es in den Medien immer lauter, die „Stimmung könnte kippen“ … bis das von Umfrageergebnissen gestützt wurde, die wachsende Skepsis in der Bevölkerung gegen Merkels Flüchtlingspolitik meldeten. Und kritische ZeitgenossInnen fragten sich: Wird da die kippende Stimmung erst herbeigeredet?

Nun gehöre ich nicht zu den „Lügenpresse“-Leuten, die unseren Medien pauschal nicht mehr glauben, dafür aber vielerlei Verschwörungstheorien aufsitzen. Ich behaupte also nicht, dass sich Merkel-Kritiker aus den Unionsparteien hinter die Medien gesteckt hätten. Das wäre zu simpel. Wenn ich überhaupt Absichten dahinter vermuten würde, dann die (inzwischen) ganz normale Suche der heutigen Medien nach immer neuen Sensations- und Schockmeldungen, um wieder eine neue „Sau durchs Dorf zu treiben“ und die Leute in Atem zu halten, damit Auflagen und Einschaltquoten nicht nachlassen. Das gehört zum Geschäft der Massenmedien dazu, die sich halt seit den späten 1990er Jahren zunehmend auf eine Boulevardisierung eingelassen haben.

Nun denn, die derzeitige — jetzt bin ich doch vorsichtig und setze das in Anführungszeichen — „Flüchtlingskrise“ wird, da bin ich mir ganz sicher, nicht von den Bedenkenträgern gelöst, die alle derzeit versuchen, in den Medien zu Wort zu kommen. Ob sie sich ehrlich Sorgen machen oder nur der Kanzlerin endlich mal Saures geben wollen, ist auch noch die Frage. Auf jeden Fall trägt dieser Aufruhr der Besorgten und Schein-Besorgten erst recht Verunsicherung in die Bevölkerung: Schaffen wir das wirklich? Dabei weiß keiner eine fundierte, realistische Antwort, trotzdem wird geunkt und gewarnt, was das Zeug hält.

Im braunen Sumpf am Rande kriegt man Oberwasser und versucht (mit Seehofers Beistand), diese „Krise“ zur drohende Katastrophe hochzuspielen und Rückhalt „in der Mitte der Gesellschaft“ zu finden. Ängste schüren ist ein billiges Geschäft, wird aber nicht Seehofer und seinen Parteifreunden, sondern eher den unverhüllt ausländerfeindlichen Akteuren wie AfD nutzen. Die waren durch interne Machtkämpfe geschwächt und weiter nach rechts abgedriftet, kriegen aber durch eine hochgejubelte Flüchtlings- und Asyldebatte neuen Zulauf.

Da werden auf abenteuerliche Weise Gefühle, vor allem Ängste, hochgepuscht, dass man einen Lehrfilm über Demagogie davon machen könnte. Den Rechtspopulisten ist dabei ganz klar, dass sie damit keine Probleme lösen helfen. Aber woher denn? Und die Rechtsradikalen schüren gern Chaos, wo es nur geht, weil sie Unruhe stiften und den ganzen Staat als unfähig vorführen wollen. Und dann kommen sie mit Kraftsprüchen und spielen sich als die starken Männer auf, die alles mit Gewalt und Einschüchterung in den Griff kriegen wollen (mehr als Opas Nazi-Rezepte haben sie im Kernprogramm nicht zu bieten).

Wer darauf hereinfällt, der hat es nicht so sehr mit dem Nachdenken und kritischen Hinterfragen, und der hat auch kaum Ahnung von Politik und Geschichte. Leider gibt es viele solcher Menschen, die schon Bertolt Brecht bedauerte: „Die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber.“ Unter diesen Kälbern sind aber nicht nur dumme, sondern auch einige mit Schulabschluss. Die haben wahrscheinlich beim Politik-Unterricht unterm Tisch auf dem Handy Spiele gespielt oder Mobbing-SMS gesendet.

Aber was machen wir nun mit der „Krise?“ Na, was wohl? Mit kühlem Kopf das Nötige organisieren; und wenn schon Gefühle, dann vergesst nicht, dass da Menschen in Not ankommen und keine Massen, die uns bedrohen. Diese Menschen wären sicher lieber zu Hause geblieben, wenn sie sich dort in Frieden ernähren könnten. Nichts Anderes wollen 95% aller Menschen auf dem Globus.

Das Wort „Krise“ ist überhaupt nur glaubwürdig aus dem Munde derer, die vor Ort den Flüchtlingen helfen, sowie aller Anderen, die oft bis ans Limit ihrer Kräfte im Einsatz sind. Von „Krise“ darf allenfalls der Amtsleiter, Bürgermeister etc. reden, bei dem alle Aufnahme-Möglichkeiten und alle Hilfsquellen erschöpft sind und trotzdem weitere Flüchtlinge angefahren werden. Diese Leute vor Ort erwarten zu Recht sinnvolle Unterstützung statt Schwarzmalerei und Talk-Gesülze.

Wer „unsere Kultur“ durch Menschen aus fernen Ländern bedroht sieht, mache sich bitte nicht lächerlich. Vergesst nicht das Weltbürgertum eines Schillers und Goethes, auf die Ihr doch so große Stücke haltet. Unsere Kultur kocht im eigenen Saft und degeneriert, wenn sie keine Anregungen von außen mehr bekommt. Aber was sage ich — das wusstet Ihr doch schon, gebt’s zu! Ihr lebt doch heute und nicht in der Kleinstaaterei des 18. Jahrhunderts.

Doch was soll das viele Reden, haltet Euch einfach an den Grundsatz: Ob wir ein zivilisiertes Land sind, erkennt man am ehesten am Umgang mit den Mitmenschen. Und war da nicht Fl 1ajemand, der das Abendland verteidigen wollte? Der sich europäischer Patriot nannte? Wie war das noch mit dem christlichen Abendland, auf dem die europäische Kultur fußt? Sind das alles nur Masken, hinter denen sich gewaltbereite Barbaren verstecken, um friedliche Bürger zu täuschen und auf ihre Seite zu ziehen? Schaut genau hin: An ihren Taten sollt Ihr sie erkennen! (Das steht schon in der Bibel. Und Bethlehem kann überall sein — siehe Karikatur oben.)

So, und bei genauem Hinsehen erkenne ich in der Tat Menschen, die die Werte des christlichen Abendlandes verteidigen: Das sind die vielen amtlichen und freiwilligen HelferInnen, die sich um Flüchtlinge kümmern! Das sind diejenigen, die christliche Werte ernst nehmen — und die Anderen beschämen, die bloß meckern, Befürchtungen äußern, oder hetzen. Und wer es nicht so mit dem Christentum hat, der hilft einfach aus menschlichem Anstand, oder folgt der moralischen Pflicht, die sich aus den Menschenrechten und Artikel 1 des Grundgesetzes ergibt.

Ein paar Leute sagen: „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein.“ Seit Angela Merkel mit der Parole „Wir schaffen das!“ die Welt beeindruckt hat, bin ich geneigt, diesen Stolz auf das freundliche Gesicht Deutschlands zu beziehen und davon auch ein wenig zu empfinden — vorausgesetzt, ich trage dazu bei, dass dieses Vorhaben gelingt und wir Deutsche in ein paar Jahren sagen können: Ja, wir haben das geschafft. Und nicht zuletzt: Auch Zugewanderte, von denen dieses Land bekanntlich viele braucht, werden daran mitwirken, und es wird sich zeigen, dass unser Land durch ihre Aufnahme gewinnt.

Also, Ihr Nörgler und Bedenken-Aufhäufer, macht Euch nicht ins Hemd und arbeitet mit an der Zukunft Deutschlands! Und wer wirklich nicht helfen kann oder will, der sollte wenigstens nicht im Weg ′rumstehen und dummschwätzen.

W. R.

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Im Volk kursiert das Sprichwort: „Wer nichts ist und wer nichts kann, der zündet Flüchtlingsheime an.“ Ja, Kriminalität braucht niemand hereinzubringen, sie ist ja schon bei diesen Deutschen zu Hause.

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