Der 27. Januar

DER 27. Januar ist der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Warum braucht es diesen Gedenktag? Weil das NS-Regime auf Menschen keine Rücksicht nahm und für seine Wahnvorstellungen über Berge von Leichen ging. Man kann keinen Schlusstrich ziehen und zur Tagesordnung übergehen, wenn man vermeiden will, dass sich ein ähnlich verbrecherisches Regime noch einmal in Mitteleuropa etabliert.
Darum interessieren wir uns für Geschichte: Wir wollen wissen, was unsere Vorfahren Gutes und Schlechtes getan haben, wie wir vermeiden können, Fehler unserer Vorfahren zu wiederholen, und wie wir ihre positiven Seiten zum Vorbild nehmen können.
Wir haben es beim Thema Nationalsozialismus teilweise mit Leuten zu tun, die versuchen, die öffentliche Meinung mit Lügen und Verfälschungen zu beeinflussen. Sie leugnen oder verharmlosen die verbrecherische Seite der Nazi-Rassenideologie, sie leugnen oder verharmlosen die Verbrechen des Nazi-Regimes. Warum tun sie das? Sie wollen uns weismachen, dass die Weltanschauung der Nazis doch nicht schlecht sei, und versuchen ein Bild zu verbreiten, in dem Vieles gut und richtig gewesen sei, was Hitler und seine Gefolgsleute veranlasst haben.
Damit wollen sie erreichen, dass die Nazi-Vorstellungen von Rasse, imperialistischer Aggressivität gegen andere Staaten, und Versklavung und Vernichtung „minderwertiger“ Menschen und Völker wieder hoffähig werden, dass diese menschenfeindlichen Ansichten als „normal“ neben anderen Ansichten gestellt werden, und im nächsten Schritt wieder Leitvorstellung zu neuem Krieg gegen die Menschlichkeit werden.
Also Vorsicht: Holocaust-Leugner und -Verharmloser äußern nicht eine Meinung, die man im Rahmen der Meinungsfreiheit dulden sollte. Es geht ihnen nicht um die freie Meinungsäußerung, es geht ihnen um die Vergiftung der Meinungsbildung in der Gesellschaft durch menschenfeindliche Ansichten. Tatsachen zu leugnen ist keine Meinung, es ist Verfälschung der Wahrheit, also Lüge.
Um diese zu verschleiern, setzen die Verfälscher allerlei Verschwörungsfantasien in die Welt, die nicht nur der Ablenkung von den wirklichen Verhältnissen dienen, sondern auch Verwirrung stiften und unsere Unterscheidung von Wahr und Falsch durcheinander bringen sollen.
Wir haben erst neulich erlebt, wie in den USA die seriösen Medien, eine Säule der Demokratie und der Kontrolle der Mächtigen, von einem ins Präsidentenamt gekommenen Großmaul beschimpft wurden („you are fake news!“) — das waren Zeitungen, die investigativ den Politikern auf die Finger schauten (Sowas ist einem Donald Trump prinzipell ein Dorn im Auge) und z.B. damals den Watergate-Skandal aufdeckten, der kriminelle Machenschaften eines Präsidenten publik machte.
Wir sehen ja, wie autoritäre Machthaber und Diktatoren immer die Meinungsfreiheit einschränken und die Medien unter Kontrolle bringen wollen, sodann auch die unabhängige Justiz.
Darum ist die Gewaltenteilung und die gegenseitige Kontrolle der Instanzen in einem Staat von grundlegender Bedeutung. Das sollte nicht gering geschätzt werden.
Daher ist das Gelaber mancher Leute vom „starrken Mannn,“ der mal aufräumen und für Ordnung sorgen sollte, ein dummes Gerede ohne Nachdenken. Stattdessen sollten sich alle BürgerInnen darüber klar sein, dass eine starke Zivilgesellschaft alle Menschen schützt, vor allem gegen staatliche Willkür. Eine solche Zivilgesellschaft macht sich für Meinungsfreiheit stark, und sie übt Toleranz gegenüber Andersdenkenden sowie anderen Lebensentwürfen (außer sie sind antisozial ausgerichtet).
Die Erfahrungen der Nazi-Diktatur und des Holocaust haben zur Ausarbeitung unserer Verfassung geführt, dem Grundgesetz. Es orientiert sich am übergeordneten Prinzip der allgemeinen Menschenrechte. Und diese gelten allgemein für Alle. Also Vorsicht: Wer dieses Leitprinzip in Frage stellt, der meint es nicht gut mit allen Menschen, sondern führt Böses im Schilde. Böses, das heißt: Er will sein machtpolitisches Süppchen kochen, indem er die Freiheit der BürgerInnen einschränkt und ihnen vorschreiben will, wie sie zu leben haben und was sie denken sollen.

All das hängt miteinander zusammen. Wenn wir an den Holocaust erinnern, werfen wir automatisch auch die Frage auf: Wie konnte es dazu kommen? Eine starke, freiheitliche Zivilgesellschaft hätte das nicht zugelassen. Aber eine starke Machtkonzentration im Staate ermöglicht eben auch monströse Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

W. R.

P.S. Diese Mail ging am Abend noch an die CDU-Zentrale in Berlin:

Guten Tag,

die Ankündigung von Herrn Merz, seinen Antrag im Bundestag ggf. mit den Stimmen der AfD durchzubringen, löst auch bei mir Entsetzen aus.

Außerdem vermisse ich konkrete, praktische Folgerungen aus Anschlägen wie in Berlin (Breitscheid-Platz) und den letzten beiden Aufregern. Für mich wäre eine dringende Baustelle, die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen den deutschen Behörden zu verbessern. Das vermisse ich seit Jahren! Das scheint mir kein Thema der Parteipolitik zu sein, da muss jede Regierung ran. Das erwarte ich als Bürger, der Sicherheitsfragen nicht mit Stammtischparolen angeht. „Grenzen dicht“ ist nicht DIE Lösung, wie alle Informierten wissen.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Reinert

Nachbemerkung am 02.02.2025: Die Messerattacken und Anschläge mit Fahrzeugen, über die man sich in den letzten Jahren zu Recht aufregte, wurden von Personen verübt, die bereits jahrelang im Lande waren. Die spontanen Reaktionen einiger Politiker, jetzt müssten die Grenzen dicht gemacht und ausreisepflichtige Personen radikal oder zumindest zügiger abgeschoben werden, waren keine Vorschläge, die diese Anschläge verhindert hätten. Denn in den meisten Fällen waren die Täter vorher schon den Behörden aufgefallen, in einigen Fällen (z.B. Anis Amri, der Täter vom Breitscheidplatz) in mehreren Bundesländern. Die Informationen zu Amri wurden aber nicht zusammmengeführt, sodass die zuletzt zuständigen Behörden jeweils nur mangelhaft über Amri Bescheid wussten. Ähnlich lief es im Falle des Messerstechers, der jüngst auf eine Kindergartengruppe losging. Das Problem des teils mangelhaften Informationsaustausches zwischen Behörden verschiedener Bundesländer, aber auch innerhalb eines Bundeslandes, ist schon länger bekannt. Wer meint, den Messerstecher hätte man durch Zurückweisung an der deutschen Grenze stoppen können, macht sich die Sache zu einfach, und außerdem ignoriert er die o.g. Probleme, die oft wirksame Maßnahmen innerhalb des Landes ausbremsen.

Aber wir sind leider im Wahlkampf, und da werden gern Emotionen angesprochen und Stammtische bedient, um Stimmen zu mobilisieren — egal, ob mit falschen Versprechen. Es scheint sogar eher so, dass simple, emotionale Botschaften mehr Wahlerfolg bringen als durchdachte, vernünftige Lösungsvorschläge. Wäre es anders, läge die AfD (zumindest in Umfragen) nicht bei 20%, und die CDU mit Kanzlerkandidat Merz würde nicht ähnliche Forderungen vertreten, um Stimmen vom rechten Rand zurückzuholen.

Es ist schon beklagenswert, dass in demokratischen Wahlen in einigen Ländern diejenigen Zulauf bekommen, die radikal-emotionale Forderungen propagieren — Forderungen wohlgemerkt, die nicht nur moralischen Grundsätzen der Demokratie widersprechen, sondern auch (innerhalb der EU) europäischem Recht. Verstärkt werden dadurch fremdenfeindliche Einstellungen und rassistische Ressentiments. Und das wiederum (siehe Brexit und seine Folgen) zeigt, dass diese Forderungen alles andere als patriotisch sind, sondern dem Land schaden. Das wissen auch Leute, die ihren Verstand gebrauchen und nicht nur darmgesteuert sind. Aber anscheinend sind z.B. TikTok-Nutzer so sehr an schnelles Konsumieren und Weiterwischen gewöhnt, dass sie verlernen, innezuhalten und mal ihren Verstand einzuschalten. So zerstören auch social media die politische Debattenkultur, und Viele meinen, in der Politik brauchte es kein Nachdenken, weil ja die knalligen Parolen alles klar machten. —

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