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Reformation und Lutherjahr

Luther-Statue im Berliner Dom

 In diesem Jahr 2017 feiert Deutschland nicht nur das Jubiläum „500 Jahre Reformation“, die Stadt Frechen im Besonderen feiert auch „300 Jahre Evangelische Kirche in Frechen.“ mehr >Jubiläumsjahr 2017 – Geschichte im Überblick – Evangelische Kirchengemeinde Frechen

Wie nicht nur Historiker wissen, sind das keine rein religions- und kirchengeschichtlichen Daten — vielmehr fand die Reformation in Deutschland (das es politisch nicht gab) wie auch im Rheinland in einem politischen Spannungsfeld statt; sie verwob sich untrennbar mit der politischen Entwicklung Europas, des Heiligen Römischen Reiches, und der Territorien. Das zeigt sich auch beim Blick auf die konkrete Situation im Rheinland: Köln, genauer: der Rat und die tonangebenden Familien der Freien Reichsstadt, wehrten sich mehrheitlich gegen den Geist der Reformation, sodass protestantisch gesinnte Menschen den Gottesdienst außerhalb Kölns aufsuchen mussten, in Frechen oder Bachem (das heute zu Frechen gehört). Dort hielt der Landesherr, der Herzog von Jülich, seine schützende Hand über die Minderheit der Evangelischen, und ließ sie gewähren.

Köln dagegen erwarb sich den Ruf der „papistischsten Stadt Deutschlands“, wo besonders die Universität im 16. Jahrhundert zur konservativen Hüterin des Katholizismus wurde. Ein Versuch des Kurfürsten des Erzstifts Köln, sein Territorium in die Reformation zu führen, mündete in den Truchsessischen Krieg, der das Experiment beendete. Welche Gebiete katholisch und welche protestantisch blieben oder wurden, hing fortan von den politischen Machtverhältnissen ab. Die Untertanen durften ihre Konfession nicht frei wählen, sie mussten sie sogar wechseln, wenn der Landesherr es bestimmte. Selbst nach dem unsäglichen Dreißigjährigen Krieg (1618-48) blieb diese Regelung bestehen. Religiöse Toleranz kam erst später auf, etwa als in Preußen ab 1740 König Friedrich II. regierte.

Als Luther 1517 seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel und für eine Kirchenreform veröffentlichte, ging es um Glaubensfragen.* Das Jahr 1517 gilt als Beginn der Reformation, es ist ein Epochenjahr: Hier kam eine Bewegung in Gang, die Deutschland und Europa veränderte.

Zeitungs-Ausriss zum Beginn des Luther-Jahres

Geht uns nix an? Doch, zumindest haben wir in Deutschland einmalig in diesem Jubiläumsjahr 2017 einen zusätzlichen allgemeinen Feiertag: den 31. Oktober, den Tag der Thesenveröffentlichung, daher „Reformationstag“. Übrigens: Schon damals zeigte sich, was das neue Massenmedium des Buchdrucks bewirken konnte: Die Schriften Luthers wurden von Druckern eifrig ins Land getragen und hatten großen Anteil an der Verbreitung von Luthers Gedanken in der Bevölkerung.

W. R.

* Noch immer streiten Wissenschaftler darüber, ob Luther sein Thesenpapier an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg nagelte oder nicht. Fakt ist: Das Papier war Grundlage für eine akademische Disputation, und eine solche konnte durchaus im Kirchenraum stattfinden. Vorstellbar, dass die Thesen für Disputanten und Interessierte auch an der Tür befestigt wurden. Sie waren in Latein abgefasst und schon von daher an akademische Kreise gerichtet (An Universitäten war die Unterrichtssprache bis ins 18. Jahrhundert Latein). Die Thesen selbst wurden auch nicht für ein breiteres Publikum gedruckt, erst sehr viel später erschien eine deutsche Version.

Wie war das noch – Epochen der Geschichte

052Mittelalter, Frühes, Hoch-, Spät- … Wann, und wie lange, und was tat sich da? Viele von uns wissen viel, aber sie wissen nicht immer, wie sie es einordnen und in einen zeitlichen Zusammenhang oder eine Abfolge bringen sollen. Diese Unsicherheit kann hier beseitigt und Klarheit geschaffen werden! Also zur Sache:

MITTELALTER ist ein Begriff, den das Mittelalter selbst nicht kannte. Erst einige Zeit nach dieser Epoche, die man gemeinhin um 1500 enden lässt, kamen Gelehrte auf die Idee, die ganze, jahrhundertelange Zeit vor ca. 1500 unter einen Begriff zu fassen. Sie glaubten, ihre Zeit der Wiedergeburt antiker Kultur (Renaissance und Humanismus) sei besonders hochstehend, während die Zeit davor, zwischen griechisch-römischer Antike und ihrer Gegenwart, nur eine eher dunkle Zwischenepoche gewesen sei, kulurell geringwertiger. Die humanistischen Gelehrten sahen fortan diese Epocheneinteilung als sinnvoll an:

     Antike  bis ca. 500 n. Chr.

     Mittelalter  ca. 500 bis ca. 1500 n. Chr.

     Neuzeit  ab ca. 1500 n. Chr.

Diese Epocheneinteilung ist das bis heute für die europäische Geschichte meist verwendete Schema, aber die Gelehrten waren sich lange Zeit uneins über die Epochengrenzen, vor allem über den Übergang von der Antike zum Mittelalter. Manche wollten das Mittelalter erst mit der Kaiserkrönung Karls des Großen (800) beginnen lassen, andere viel früher, schon mit Beginn der germanischen Völkerwanderung (um 375), und manche sahen sogar schon in dem Jahr des Toleranzedikts Kaiser Konstantins (312) eine Epochenwende zu einem „christlichen Mittelalter“. Man hat sich inzwischen weitgehend darauf geeinigt, dass ein Markstein der Epochenwende die Abdankung des letzten weströmischen Kaisers im Jahre 476 sei.

Wo auch immer man die Grenzen festlegt, das Mittelalter als Epoche entzieht sich einfachen Charakteristika und ist keineswegs eine in sich geschlossene Epoche, weder kulturell noch politisch: Nicht nur an den Epochengrenzen, sondern auch innerhalb dieser 1000 Jahre verändert sich Europa. Und nur auf Europa lässt sich dieses Epochenschema anwenden; in der Weltgeschichte haben sich die Kontinente und Regionen unterschiedlich entwickelt und müssen daher für sich betrachtet werden.

Bezogen auf Europa taugt eine solche Epocheneinteilung dazu, Ereignisse und Entwicklungen zeitlich ein- oder einander zuzuordnen. Man sagt „Mittelalter“ und weiß, dass man nicht über eine Zeit um 1600 oder um 300 redet. Aber zur genaueren Periodisierung der Geschichte des Mittelalters fand man weitere Unterteilungen sinnvoll. So hat man Teilepochen benannt:

     Frühes Mittelalter  ca. 500 bis ca. 1000

     Hochmittelalter  ca. 1000  bis 1250

     Spätes Mittelalter  1250 bis ca. 1500

Auch hier finden sich nicht alle Historiker auf einer Linie, was den Übergang vom frühen zum Hochmittelalter betrifft. Diese Divergenzen rühren aus der Betrachtung einzelner Fachrichtungen her: Je nach Teilbereich, den ein Historiker untersucht, erscheinen ihm evtl. bestimmte Dinge oder Erscheinungen bezeichnender für eine Epoche oder Teilepoche als andere. Aber in der Fachliteratur wird heute meist auf das oben gezeigte Schema Bezug genommen.

Dass man überhaupt ein solches Epochenschema entwickelte, ist schon bemerkenswert: Hier zeigt sich ein fundamentaler Wandel im Weltbild der Gelehrten. Denn wie teilte man zuvor die Zeitläufte ein? Es galt ein von der Religion, von Angaben in der Bibel bestimmtes Welt- und Geschichtsbild. Und in diesem war „Geschichte“ kein abgeschlossenes Wissensgebiet und keine selbständige Wissenschaft. Geschichte nach unserem heutigen Verständnis gab es gar nicht, weil es nur die in der Bibel vorgezeichnete Heilsgeschichte der Welt gab.

Das christliche Weltbild kannte drei Epochen der Heilsgeschichte: 1. die Zeit des Alten Testaments, 2. die Zeit des Neuen Testaments, und 3. die Zeit danach bis zum Jüngsten Gericht, bei dem Christus wiederkehren und auf seinem Richterstuhl Platz nehmen werde, um die Seelen der Menschen zu richten. Endzweck der Welt- bzw. Heilsgeschichte war also der Übertritt der Mernschen je nach persönlicher Lebensführung auf Erden ins Ewige Leben, als Seliger im Himmel oder Verdammter in der Hölle. (Wir lassen Feinheiten wie das Fegefeuer hier beiseite.)

Dieser Heilsgeschichte war der Gedanke einer Entwicklung in der Geschichte fremd. Man sah gar keinen Sinn in der Betrachtung langfristiger historischer Entwicklungen, denn wichtig war nur das Seelenheil, das der Einzelne auf der irdischen Pilgerreise anstrebte. Der mittelalterliche Mensch lebte also, wie noch Martin Luther es ausdrückte, im „irdischen Jammertal“ und hoffte auf Erlösung und Auferstehung im Himmel. Luther quälte sich lange mit der für ihn existentiellen Frage: „Wie finde ich einen gnädigen Gott?“ Für die aufständischen Bauern hatte er kein Verständnis.

Dennoch ist das Jahr 1517, der Beginn der Reformation mit Luthers Thesenveröffentlichung zur Kirchenreform, ein Epochenjahr an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. In der Kirchen- und Mentalitätsgeschichte Europas vollzieht sich in der Folge ein Wandel mit weitreichenden Folgen auch für die Politik.

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Wer sich schwerpunktmäßig mit Sozialgeschichte befasst, der muss jedoch feststellen: Für die übergroße Mehrheit der Bevölkerung, die auf dem Lande lebte, änderte sich mit dem Übergang in die Neuzeit so gut wie nichts. Mit dem Scheitern der Bauernaufstände 1525 verfestigten sich in Deutschland eher noch die Abhängigkeiten der Bauern von den feudalen Grundherren. Erst mit der Wende vom 18. ins 19. Jahrhundert, als in Teilen Europas im Gefolge der Französischen Revolution feudale Herrschaftsverhältnisse und mittelalterliche Abhängigkeiten aufgelöst wurden, gab es für das Gros der Bevölkerung spürbare Veränderungen und ein tatsächliches Ende des Mittelalters.

W. R.

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