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Was fehlt

ES ist Wahlkampf zur vorgezogenen Bundestagswahl (23.02.25) — mit einem zeitweise beherrschenden Thema: Gewaltkriminalität und Anschläge von Männern nichtdeutscher Herkunft — aber verzerrt zum Thema von Migration allgemein und deren Begrenzung.
Anstatt die Zusammenarbeit von Behörden innerhalb Deutschlands und ihre Verbesserung als Problem zu identifizieren, wird laut „Grenzen dicht!“ und nach mehr Abschiebungen gerufen.
Immer wieder werden Hinweise weggewischt, die sachlich Abschiebungshindernisse benennen; einige Politiker täuschen vor, man müsse nur den Willen haben, dann könne man auch mit der Brechstange mehr tun. Das hört sich für einige WählerInnen gut an, und die sollen dazu bewegt werden, ihr Kreuz auf dem Wahlzettel bei den lauten Abschiebeforderern zu machen.
Nach der Wahl wird man dann bald hören, dass das doch nicht so einfach geht, aber Geduld, wir bleiben dran… AUSSER: Es kämen die nach Trumps Manier Herzlosen, rassistischen Radikalen an die Macht, die sowieso nicht viel vom Rechtsstaat halten und grundsätzlich die Demokratie verachten, die sich am Prinzip der Menschenrechte orientiert.
Außerdem gibt es Leute, die das im Grundgesetz eh schon eingeschränkte Asylrecht ganz in Frage stellen und Ausreisepflichtige unbegrenzt einsperren wollen, bis man (irgendwann) doch noch einen Weg findet, sie abzuschieben.

So geht’s nicht! Das ist eine schleichende Trumpisierung des Wahlkampfes. Außerdem hat das Gerede schädliche Nebenwirkungen: Gerade die gut hier angekommenen, integrierten, sich mit Deutschland identifizierenden Menschen „mit Migrationshintergrund“ werden verunsichert. Mehr noch: Die einheimischen Deutschen werden verunsichert, manche sehen schon jeden „ausländisch“ aussehenden Menschen schief an und halten ihn für einen potentiellen „Gefährder“.

Überhaupt, diese hochgejazzte „Migrationsdebatte“ — in Talkshows hört man aus Politikermund öfter was von „illegaler Migration“, die man unterbinden oder zumindest einschränken will. Bei den unbedarften wie bei den weniger gut informierten BürgerInnen bleibt womöglich hängen: „Migration — illegal.“ Und schon wird, was Trump hetzerisch aussprach, auch hier unterschwellig gestreut: Schaut doch mal, wer von den Migranten überhaupt auf Dauer hierbleiben soll — oder darf. Viele sind doch gar keine deutschen Bürger, sondern womöglich illegal hier… und von da ist es nicht mehr weit zur AfD-Parole „Remigration“.

Kurz gesagt: Das Bespielen dieses Themas (im Zusammenhang mit Anschlägen!) zahlt sich weniger für die Unionsparteien, die SPD oder die FDP aus, sondern… Ihr wisst schon!

Und wer es nicht schon vor dem Auftritt von J.D. Vance auf der Münchener Sicherheitskonferenz wusste, weiß es jetzt: Trump und sein Knallchargen-Team haben ein sehr seltsames Verständnis von Demokratie. Deshalb greifen sie auch unverhohlen in die Wahlkämpfe in Europa ein — was wir bisher nur von Autokraten weiter östlich kannten…

Und was in unserem Wahlkampf bisher ganz fehlt, zumindest aber bei manchen Parteien völlig zu kurz kommt: die Themen, für die sich viele BürgerInnen auch interessieren, nämlich Themen, die ihren Alltag und ihre nahe Zukunft direkt betreffen: Lebenshaltungskosten (Mieten!); Altersvorsorge bei wenig Rente; Klimaschutz (der zur Zeit ausgeblendet wird — bis zur nächsten Naturkatastrophe); Bildung, marode Infrastruktur, und Einiges mehr.

W. R.

Nachtrag am 21.02.25: Es schockt mich doch ein wenig, wenn ich in einem Zeitungsartikel* lese, dass viele türkischstämmige männliche Wähler sagen, sie wollten ihr Kreuz bei der AfD setzen. Manche scheint der Old-School-Männlichkeitskult zu beeindrucken, andere fühlen sich beim autoritären „Durchgreifen“ wohl, das sie von Erdogan kennen. Viele meinen, sie seien von der Rechtsaußen-Parole „Remigration“ nicht betroffen, das sei nur auf kriminelle und illegale Migranten gemünzt (Na, wenn sie sich da nicht selbst was vormachen…)

Wieder einmal kommt mir der Verdacht, dass bei etlichen MitbürgerInnen (auch deutschstämmiger Herkunft) ein Mangel an Kenntnis darüber herrscht, was DEMOKRATIE eigentlich bedeutet. Menschenskind, nur Wahlen zu veranstalten ist bloß ein Teil dessen, was zu einer Demokratie gehört. Dazu kommen Gewaltenteilung und deren gegenseitige Kontrolle, eine unabhängige Justiz, wirklich freie Wahlen, und Schutz von Minderheiten (damit sie nicht von einer Mehrheit unterdrückt und entrechtet werden). Näheres siehe Grundgesetz, Art. 1 ff.

* Kölner Stadt-Anzeiger, 21.02.2025, S. 26 „AfD-Wähler trotz Migrationshintergrund“

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