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Grundgesetz

Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkündet und trat damit in Kraft. Die Mütter und Väter dieser Verfassung hatten sich lange beraten und über einzelne Artikel gestritten, bis der Text spruchreif war und von den Parlamenten der Bundesländer ratifiziert (=mit Mehrheit gebilligt) wurde.

Mit langem zeitlichen Abstand zu jenem Zeitpunkt leuchtet nicht jedem Menschen, der den Verfassungstext betrachtet, sofort ein, warum er so und nicht anders gestaltet und formuliert wurde. Zuallererst müssen wir sehen: Als die Beratenden sich im Jahr 1948 zusammensetzten, war der Zweite Weltkrieg, war die Nazi-Diktatur erst seit ca. drei Jahren beendet, Europa litt noch schwer unter den Folgen. Es war nötig, aus den Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit Schlussfolgerungen zu ziehen: So etwas sollte in Deutschland nicht wieder passieren.

Im Blickfeld der Mitglieder des Parlamentarischen Rates stand die Frage, wie nach dem Unrechts- und Unmenschlichkeitsstaat Hitlers ein moralischer und politischer Neuanfang auf fester Grundlage aufgebaut werden könnte. Dazu war eins klar: Die allgemeinen Menschenrechte dienten als moralischer Kompass. Hinzu kamen die Vorerfahrungen mit der Verfassung der Weimarer Republik, und auch die positiven Ansätze aus der ersten demokratisch geprägten Verfassung Deutschlands von 1848, die 1849 nicht in Kraft treten konnte.

Das Resultat, das am 23.5.1949 verkündet wurde, war und ist (nach übereinstimmender Ansicht der allermeisten Vernünftigen) die beste, d.h. auch freiheitlichste Verfassung, die bis dahin je auf deutschem Boden in Kraft trat.

Natürlich befanden sich die Mitglieder des Parlamentarischen Rates nicht in einem luftleeren Raum, sondern berieten in einer historischen Situation, die oben schon angesprochen wurde. Dazu kamen noch andere Faktoren: Die drei Westzonen wurden aus wirtschaftlichen Gründen mehr und mehr zusammengeschlossen, und es zeichnete sich ab, was bald als „Kalter Krieg“ zwischen West und Ost bezeichnet wurde. Die USA setzten den Marshall-Plan in Gang, dem sich die Sowjetunion und ihre Vasallen verweigerten. Die Währungsreform in den drei Westzonen und West-Berlin wurde mit der Berlin-Blockade beantwortet… Kurzum, es taten sich weltbewegende Dinge im Umfeld dieser verfassungsgebenden Versammlung (die ihre Ergebnisse auch den drei westlichen Besatzungsmächten zur Genehmigung vorlegen musste).

Weder Deutschland noch seine Besatzungszonen waren souveräne Staaten, sie standen unter der Hoheit der Siegermächte; die USA und Großbritannien schlossen ihre Zonen zusammen und überredeten Frankreich, seine Zone ebenfalls anzuschließen. Im Hintergrund stand die neue politische Doktrin des US-Präsidenten Truman, die Expansion des Kommunismus einzudämmen, nachdem man gesehen hatte, wie die Sowjetunion unter Stalin alle Staaten in ihrem Einflussgebiet unter ihre Kontrolle brachte und mehr oder weniger auf den Sowjetkommunismus einschwor.

Kurzum, die westdeutschen „Eltern“ der Verfassung waren keineswegs frei zu entscheiden, ob überhaupt, und wie sie eine solche Verfassung gestalten wollten. Sie hatten starke Bedenken, eine solche Staatsbildung könnte eine Wiederherstellung eines Gesamtdeutschland verhindern. Darum bestanden sie auch auf der Bezeichnung „Grundgesetz“ statt „Verfassung“ und stellten eine Präambel (=eine Vorbemerkung) voran, die ausdrücklich das Ziel der friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands feststellte. Diese Präambel wurde erst mit der Vereinigung von 1990 obsolet und durch die heute bestehende ersetzt.

Man sieht: Das Grundgesetz ist kein Produkt einer verfassungsgebenden Nationalversammlung, sondern eines Prozesses im Rahmen besonderer Bedingungen, die hier nur kurz angesprochen werden konnten. In diesem Rahmen arbeitete man ein respektables Verfassungswerk aus, das mit einigen im Laufe der Zeit notwendig gewordenen Änderungen und Ergänzungen weiterhin Gültigkeit hat.

Also alles perfekt? Theoretisch: ja. Aber in der Praxis gilt es ständig, diese Verfassung zu respektieren und ihr Respekt zu verschaffen. Sie darf nicht ein in noblen Worten bedrucktes Papier bleiben, sie muss in der Realität Wirkung entfalten und gelten, darauf kommt es an. Wir dürfen uns nicht zurücklehnen und im Zweifel abwarten, ob und was das Bundesverfassungsgericht zu strittigen Fragen sagt. Wir alle sollten zumindest den Grundrechtskatalog kennen und darauf achten, dass er für alle eingehalten wird.

Im Übrigen sollten wir wissen, dass Demokratie eben mehr ist, als nur bei einer Wahl ein Kreuzchen zu malen. Auch das ist in vielen Artikeln im Grundgesetz nachzulesen. Zur Demokratie gehört z.B. auch ein Minderheitenschutz: Die Mehrheit darf nicht über die Köpfe einer Minderheit hinweg entscheiden, dass dieser Rechte aus der Verfassung vorenthalten werden.

Im Artikel 1 wird ausdrücklich gesagt: Die Grundrechte sind keine wolkigen Absichtserklärungen, sondern unmittelbar geltendes Recht. Näheres kann oder sollte frau/man hier nachlesen: I. Die Grundrechte | bpb

Noch Fragen? Wer Artikel 2 genau gelesen hat, weiß auch, dass die Corona-Maßnahmen-Kritiker (auch „Querdenker“, eher: Verquerdenker) falsch liegen, wenn sie mit dem Grundgesetz zu argumentieren versuchen. Damit wollen sie auf ihren Demonstrationen Verwirrung stiften, zumindest bei denen, die das Grundgesetz nicht kennen und sich auf Hörensagen verlassen.

S. R.

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